Westerwelle hetzt gegen Hartz Iv Empfänger

Aussenminister Welle- wohlgemerkt AUSSENminister - hat sich mal wieder innenpolitisch zu Wort gemeldet. Er kritisierte mal wieder Hartz-IV und warf allen Empfängern geschlossen vor, sich in der Hängematte des Sozialstaates auszuruhen. Westerwelle formulierte das natürlich noch anschaulicher: spätrömische Dekadenz und anstrengungsloser Wohlstand.

Die Römer waren nun nicht wirklich bekannt dafür es sich schlecht gehen zu lassen, jedenfalls bei den Einheimischen waren durchaus auch mal Gelage angesagt. Ausländer, Sklaven und normale Bürger Roms waren davon aber weit entfernt, vom Austern schlürfen und anderen Genüssen. Und wenn Westerwelle schon alle Hartz-Empfänger beschimpft, dann sollte er doch auch mal bedenken, wen er da beschimpft: Bürger des Staates, dessen Vizekanzler er ist. Ein kleiner Kurs in Verfassungsgeschichte Deutschlands wäre wohl angebrachter als ein Ausflug in die römische Zeit: das Volk ist der Souverän.

Aber bei Meinungsumfragen, die die FDP im freien Fall sieht ist wohl erstmal alles erlaubt. Parteispenden, Steuergeschenke, Wählerbeschimpfung und sich dann noch wundern, wenn die Werte sinken? Es gibt übrigens auch eine ganz einfache Frage, die wohl Westerwelle auch nicht erklären kann: Wenn diejenigen belohnt werden sollen, die arbeiten und er auch heute wieder mehrfach gefordert hat, dass man davon auch leben kann und besser als Hartz-Empfänger, dann fragt man sich, warum er keinem Mindestlohn zustimmt?

Die einzig richtige Antwort auf diese Frage ist: weil es genügend FDP-Spender gibt, die davon profitieren, dass sie so niedrige Löhne zahlen können.

Aktuelles Beispiel gefällig? Im Bundesrat wurde heute auch über die Mehrwertsteuer diskutiert, unter anderem über Sinn und Unsinn bei den Postdienstleistungen. Bei uns kommen inzwischen vier Postboten am Tag, einer davon hat einen Mindestlohn, die drei anderen haben zwischen 4 und 6 Euro pro Stunde und bekommen zusätzlich zu ihrem Lohn staatliche Unterstützung. Das ist Sozialismus, Herr Westerwelle! Das ist keine Umverteilung von oben nach unten, sondern von unten nach oben.

Selbst Frau Merkel hat heute über ihre stellvertretende Regierungssprecherin erklären lassen, dass sie dem nicht zustimmen kann und auch nicht solche Worte gewählt hätte. Das ist eine völlige Verkennung der Situation, gefälschte Arbeitsmarktstatistiken tun ihr übriges. Würde man Langzeitarbeitslose wieder in die Statistik aufnehmen hätten wir eine viel höhere Quote und die will man politisch nicht. Und würde man ausserdem die 1,5 Empfänger rausnehmen, die eine Arbeit haben aber davon nicht leben können, dann hätten wir nur noch halb so viele Hartz-IV-Empfänger.

Es sind noch drei Monate bis zur Wahl in NRW und ich kann nur hoffen, dass sich die FDP bis dahin nochmal halbiert und es nicht mehr in den Landtag schafft. Dann muss Guido auch nicht mehr die Schulbank in aktueller Geschichte drücken, dann kann er live erfahren, dass das Volk imemr noch die Macht hat in diesem Land.

Ob der Herr Westerwelle sich nun als Außenminister zur Innenpolitik äußern sollte oder nicht sei mal dahingestellt, denn immerhin ist er ja auch Vorsitzender der FDP und in dieser Funktion wird von ihm sicher erwartet, dass er zu aktuellen Fragen Stellung nimmt. Am Inhalt seiner Äußerung ändert das jedenfalls nichts.

Ich sehe das jedenfalls ähnlich wie du. Sicher gibt es ein paar Bezieher von ALG2, die das System ausnutzen, aber von wenigen auf alle zu schließen hat für mich das Niveau einer Stammtisch Diskussion und hat in der Politik deshalb absolut nichts verloren.

Und die Leute, die das System ausnutzen sitzen eh ganz woanders, nämlich in den Chefetagen. Ich kenne auch Beispiele von Leuten, die schon beim Einstellungsgespräch gesagt bekommen haben, wie viel der Staat auf ihren unverschämt niedrigen Lohn noch drauflegen wird. Mit anderen Worten, der Steuerzahler bezahlt dafür, dass diese Firmen die Löhne kürzen und ihre Gewinne maximieren können, die sie Dank diverser anderer Tricks wahrscheinlich noch nicht mal vollständig versteuern müssen.

Aussenminister Welle- wohlgemerkt AUSSENminister - hat sich mal wieder innenpolitisch zu Wort gemeldet.

Dass sich ein Minister der aktuellen Bundesregierung (egal welchen Ressorts) zu einem Thema zu Wort meldet, zu dem immerhin des Bundesverfassungsgericht kurz zuvor ein Urteil gefällt hat, ist doch (zumindest in meinen Augen) völlig nachvollziehbar. Diese Kritik kann ich daher nun wirklich nicht verstehen.

Wohl aber stimme ich der Kritik am Inhalt des Artikels Westerwelles zu. Klar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass den Berechnungsgrundlagen der Hartz IV-Sätze die empirischen Grundlagen fehlen und darum eben gefordert hat, dass bis Ende 2010 eine nachvollziehbare Berechnung stehen muss. Dass in diesem Zug einige Gruppen Erhöhungen der Sätze forderten war auch klar. Ob es dazu kommt, steht natürlich in den Sternen. Dass da dann andere Einzelstimmen eine Kürzung fordern, war ja fast zu erwarten. In meinen Augen ein netter Sturm im Wasserglas, aber keine brauchbare Aussage in dem Welt-Artikel. Aber man kommt bzw. bleibt im Gespräch.

Nennt mich paranoid, aber irgendwie kommt mir die Art der Nummer bekannt vor: Als das letztemal die Rede von war, das die ALG2 Sätze überarbeitungsfällig sind (auch in Hinblick auf die Sätze für Kinder) tauchten dann die (wie wir inzwischen wissen) arg entstellten Thesen auf, das die ALG2 Sätze eigentlich viel zu hoch seien und das ganze endete damit, das Frau Merkel ein "Machtwort sprach", was da lautete: Nein wir werden die ALG2 Sätze nicht kürzen. Ähm, war da eben nicht noch vom genauen Gegenteil die Rede gewesen?

Nun diesmal kommt die Ansage immerhin vom Verfassungsgericht (vielleicht musste es deshalb auch gleich der Vizekanzler sein und nicht zwei verdatterte Profs der da wilde Thesen aufstellt - vielleicht hat Westerwelle auch nur beim würfeln verloren oder bekam zu hören "Stell dich nicht so an, bist ja dir auch sonst für keinen Schwachsinn zu schade"), aber wem außer mir fällt eigentlich noch auf, das die Diskussion WIEDER dahin geht das sich die ALG2 Empfänger für ihre Bezüge verteidigen müssen und sich immer weiter von dem eigentlichen Knackpunkt entfernt?

Wie gesagt, nennt mich ruhig paranoid ...

Ob man sich der Meinung von Herrn Westerwelle nun anschließt oder nicht, es war auf jeden Fall nicht besonders clever von ihm sie jetzt zu äußern. In ungefähr zwei Monaten sind Wahlen in NRW und die dortigen Arbeitslosen nehmen ihm seine Sprüche sicherlich ziemlich übel. Immerhin hat er sie ja mit seinen Verallgemeinerungen stark verunglimpft. Möglicherweise berücktsichtigen sie dann eben diese Antipathie gegen ihn und seine Ansichten beim Gang zu Wahlurne. Ich würd es ihm gönnen.

Besonders schön fand ich übrigens den Teil seiner Rom-Metapher, in dem er von einem Esel als Konsul spricht. Da könnte so manch einer eine Parallele zu der Person in der Führungsrolle einer gewissen Partei ziehen. Da musste ich schon schmunzeln, als ich das hörte.

Inzwischen ist die FDP Geschichte und Herr Westerwelle hat sich mit seinen Aussagen selbst ins Abseits gestellt und dürfte allen selbst ein gutes Beispiel für spätrömische Dekadenz darstellen.

Die Aussage war blanker Zynismus, zumal Herr Westerwelle die damalige Nebenverdienstliste mit weitem Abstand angeführt hat. Das Verhalten der HRE-Banker, die noch Millionen für Gehalt und Boni vom deutschen Staat einklagen wollten, während der deutsche Steuerzahler mit über 100 Milliarden Euro in der Kreide steht, ist auch eher ein Beispiel für spätrömische Dekadenz.

Die Umverteilung von unten nach oben geht immer noch unvermindert weiter und irgendwann wird es mit der Geduld ein Ende haben. Bisher waren die Proteste noch relativ harmlos aber dies wird sich sicher ändern.