Die 20 flächengrößten Städte Deutschlands

vom 09.02.2010, 12:18 Uhr

Wenn ihr die zwanzig flächengrößten Städte Deutschlands aufzählen müsstet, welche würdet ihr nehmen? Berlin ist klar gesetzt, und dann? Hamburg? München? Dortmund?

Weit gefehlt, Sachsen- Anhalts umfassenden Gemeindereformen haben die Rangliste ordentlich durcheinandergewirbelt. Nach Berlin und Hamburg tummelt sich auf dem dritten Platz das kleine Gardelegen, dicht gefolgt von Möckern, Zerbst/ Anhalt und Wittstock/Dosse. Wer noch nie von diesen „Großstädten“ gehört hat brauch sich aber nicht schämen.

Deren Einwohnerzahlen bewegen sich zwar nur zwischen 15650 und 24315 Bewohnern (im Vergleich Berlin 3,4 Millionen, Hamburg 1,7 Millionen) aber flächenmäßig liegen sie zwischen 468 und 632 km2 (im Vergleich Berlin 892 km2, Hamburg 755 km2). Dortmund liegt mit 280 km2 auf Platz zwanzig und München auf Platz 15 (310 km2). Wer schon mal durchgerechnet hat kommt auf ungefähr 38 Einwohner pro Quadratkilometer in Gardelegen (Landesdurchschnitt Sachsen- Anhalt 116, Stadt Berlin 3847 Einwohner).

Schuld daran sind die Vorgaben zu den Mindestgrößen der Verwaltungsgemeinschaften (hier aber gemeint die Einwohnerzahl) um effiziente Verwaltungsstrukturen zu erreichen. Im Fall Gardelegen sind bereits elf Dörfer friedlich eingemeindet worden, achtzehn weitere sollen per Landtagsbeschluss 2010 noch folgen. Dazu kommen dann aber noch etliche Ortsteile.

Das stelle ich mir dann ganz lustig mit den offiziellen Kopfbögen der Stadt vor, es muss ja jede Gemeinde einzeln aufgelistet werden. Die erste Seite ist dann schon voll und es bleibt nicht mehr viel Platz für den Text. Auch das kommunale Straßennetz wird gewaltig sein, ich bin mal gespannt wie das insgesamt gelöst wird.

In Sachsen- Anhalt wurde beschlossen dass ab 2011 in den Städten und Gemeinden mindestens zehntausend Menschen leben müssen um weiter Bestehen zu dürfen, in schwach besiedelten Gebieten achttausend. Durch die Eingemeindungen reduziert sich die Anzahl der Gemeinden von 1036 auf höchstwahrscheinlich 219.

Das so etwas nicht immer friedlich abläuft kann sich jeder sicherlich vorstellen. Die unterschiedlichen Befindlichkeiten zwischen den Dörfern kennt sicherlich jeder der auf dem Land wohnt. Bei uns ging es sogar so weit dass einem Bürgermeister die Schlüssel abgenommen wurden und er Hausverbot bekam. Wo kein friedlicher Zusammenschluss möglich ist soll dann die Zwangseingemeindung erfolgen, ohne Wahlmöglichkeit.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Deinen Beitrag muss man sich als Fremdling mehrmals durchlesen, um diese Eingemeindung in Sachsen-Anhalt auch nur teilweise verstehen zu können. Die ehemals selbstständigen Gemeinden, die nun eingemeindet wurden, liegen teilweise so weit auseinander, dass ich mir eine sinnvolle Eingemeindung nicht vorstellen kann. Das friedvolle Beieinanderleben wird wohl einen erheblichen Knacks bekommen haben. Eingemeindung ist gut, aber nicht in dem Maße. Wer hat sich das ausgedacht?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Inzwischen sind ja auch schon wieder ein paar Jahre ins Land gegangen als ich diesen Beitrag verfasste und ich muss sagen dass sich diese Gebietsreformen mehr oder weniger bewährt haben.

Die Leute haben sich irgendwie arrangiert, es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig. Vieles wird ja heute auch über das Internet erledigt so dass einige Wege entfallen können. Bei den Mitarbeitern in den Verwaltungsbehörden sah es ähnlich aus. Einige müssen nun ein paar Wege mehr fahren, aber bei vielen hat es sich auf Grund der hohen Altersstruktur von alleine erledigt.

Soweit ich weiß konnten einige Gemeinden dagegen erfolgreich klagen und sie bekamen auch zum Teil Recht. Allerdings gab es auch Zwangseingemeindungen wo die Wunschzugehörigkeit zu bestimmten Gemeindeverbänden unterbunden worden.

Einige Kuriose Dinge gibt es aber schon die aber den wenigsten auffallen dürften. So ist der offizielle Text in den Briefköpfen, Formularen und im Stadtanzeiger um einiges länger als gewohnt weil dort ja jeder Ort aufgeführt werden muss. Auch gab es etliche Probleme mit der Post. Eine Dorfstraße gibt es ja quasi in jedem Ort und die doppelten Straßennamen mussten alle unbenannt werden. Das funktioniert selbst heute noch nicht so richtig und es kommt immer noch zu Fehllieferungen.

Auch ganz witzig finde ich einige gesetzliche Vorgaben die damit etwas ausgehebelt werden. So gibt es in der Fahrpersonalverordnung, das ist eine Vorschrift wo es um die Lenk- und Ruhezeiten der Kraftfahrer geht, eine Erleichterung für Handwerker. Die sogenannte Handwerkerregel besagt dass bei bestimmten Fahrzeugen im Umkreis von 100 Kilometer ohne Aufzeichnung gefahren werden darf.

Und dieser Radius beginnt nun einmal an der Ortsgrenze. So kann ich mir durchaus vorstellen dass in dünn besiedelten Gegenden wie zum Beispiel Gardelegen die Handwerker fast bis Hamburg fahren können ohne ihre Lenkzeiten aufzeichnen zu müssen.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Das sind so Dinge, die man bei der Eingemeindung nicht bedacht hat, dass die Handwerker nun eine wesentlich freiere Hand haben. Mit den doppelten Straßennamen, das ist besonders in kleinen Orten gravierend, wie du schon schriebst. Eine Dorfstraße gibt es ziemlich oft und zum Teil andere sicherlich auch. Das wird bestimmt Ärger unter den jeweiligen Bewohnern der Straße gegeben haben. Denn es muss ja alles umgeändert werden. Nicht nur die eigenen Briefköpfe müssen korrigiert werden, auch Banken, Versicherungsgesellschaften, die eigenen, auswärts wohnenden Verwandten, Freunde und Bekannte müssen informiert werden und das zähneknirschend.

Als wir damals uns um die Wohnung hier bemüht hatten, hieß die Straße noch ähnlich. Aber drei Monate später, als wir einzogen, hatte sie einen anderen Namen bekommen. Schuld war die Eingemeindung eines an die Stadtgrenze grenzenden kleineren Ortes. Das hat jahrelang Stunk gegeben, weil dieser Ort selbständig bleiben wollte. Noch heute nach über dreißig Jahren haben sie sich noch nicht mit der Eingemeindung abgefunden. Ich kann das verstehen, denn finanziell standen sie glänzend da, was heute nicht mehr der Fall ist. Aber um es nicht auf die Spitze zu treiben, durften sie ihren Straßennamen behalten und er wurde hier in der Großstadt geändert.

Auch wenn die Menschen in Sachsen-Anhalt sich inzwischen äußerlich damit abfinden mussten, werden sie innerlich immer noch wütend sein, vor allem die älteren Dörfler. Bei der geringsten Kleinigkeit gibt es dann wieder heftige Gespräche an den Stammtischen in der Dorfgaststätte.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



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