Italiener in der Straße - Feststellung oder Rassismus?
Mir ist in letzter Zeit wieder einmal aufgefallen, dass es für viele Menschen offenbar eine Selbstverständlichkeit ist, zunächst auf die angenommene ethnische Zugehörigkeit eines Menschen zu achten, anstatt sich um die Faktoren Gedanken zu machen, die wirklich relevant sind.
Aktuell ist mir dieses Verhalten in meiner Nachbarschaft aufgefallen. Die Straße, in der ich wohne, und auch die unmittelbar angrenzenden Straßen werden eigentlich fast ausschließlich von älteren Leuten aus der Mittelschicht bewohnt. Es geht alles ganz gediegen zu und in speziell dieser Straße haben bislang ausschließlich Leute mittleren bis gehobeneren Alters gewohnt, deren Familien schon immer in Deutschland beheimatet waren, also die typischen älteren Spießer, wie man sie sich vorstellt.
Am Ende der Straße steht ein Haus, das vor kurzem verkauft wurde - und zwar an eine Familie, die wohl ursprünglich aus Italien stammt. Zumindest ist das die allgemeine Annahme und auch mehrere Alfa-Romeo-Fahrzeuge lassen darauf schließen (Achtung Klischeedenken).
Ich finde es faszinierend, dass die anderen Bewohner der Gegend untereinander nun niemals erzählen, dass ja neue Leute in das betreffende Haus eingezogen sind, sondern immer von "den Italienern" sprechen. Für manche scheint es schon außergewöhnlich genug zu sein, dass überhaupt mal jemand hierher zieht, dessen Ur-ur-ur-Großmutter nicht schon Deutsche war. Dazu kommt immer noch die vermutete Herkunft der Leute ins Spiel.
Wie empfindet ihr solche Situationen? Fällt euch so etwas auch auf oder empfindet ihr es als ganz normal? Würdet ihr das Verhalten der anderen Leute als latenten Rassismus werten, da die neuen Leute ja direkt in eine Schublade gesteckt werden, die sie nach ihrer vermuteten Herkunft klassifiziert, obwohl dies doch keine Rolle spielt wenn sie sich einfach ein Haus hier in der Nachbarschaft kaufen. Falls ihr das Verhalten der Nachbarn normal findet, frage ich mich auch, warum ihr das so seht.
Ich glaube ja, dass Menschen sich am Gegenüber immer ein Merkmal aussuchen, das diese von ihnen selbst unterscheidet. In diesem Fall gab es wohl nur den einen, scheinbaren Unterschied. Hätten die neuen Leute ein behindertes Kind, wären sie wahrscheinlich "die Familie mit dem behinderten Kind" und nicht einfach nur "die neuen Nachbarn". Wisst ihr, worauf ich hinaus will? Warum brauchen Menschen diese Unterscheidungen, auch wenn diese doch völlig irrelevant sind?
Hallo
Na ja als Rassismus würde ich das jetzt noch nicht bezeichnen sondern eher als Neugierde dem Neuen gegenüber. Es wurde halt festgestellt, dass dort neue Leute eingezogen sind und da diese scheinbar aus Italien stammen, sind es nun mal die Italiener – klingt für mich jetzt nicht schlimm.
Sonst wären es wahrscheinlich „die Neuen“ gewesen und da regt sich ja auch keiner darüber auf, dass man durch diese Bezeichnung ja irgendwie ausgegliedert wird. Selbst wenn die ältere Generation teilweise etwas verbohrt ist was Neuerungen angeht, glaube ich nicht, dass sie es böse meinen.
Solange keine Äußerungen in diese Richtung kommen, würde ich auch nichts gegen den Ausdruck „die Italiener“ sagen, schlimmer wäre glaube ich „Spagettifresser“. Italiener sind ja auch ganz gesellige Typen, irgendwann kommt man bestimmt ins Gespräch und dann werden sie wohl auch eher beim Familiennamen genannt.
Noch sind sie halt neu und eine Attraktion in der sonst so ruhigen Umgebung aber das wäre auch jeder andere der da hinzieht, würde er aus dem Ruhrpott kommen und in den Osten ziehen, währe derjenige wahrscheinlich auch „der Wessi“. Nicht falsch verstehen aber so hat man halt seine Ausdrücke und die sind weiß Gott nicht immer böse gemeint. Vielleicht sprichst du sie einfach mal an wenn du sie triffst, dann sieht auch der Rest, dass sie nicht beißen
stance hat geschrieben:Na ja als Rassismus würde ich das jetzt noch nicht bezeichnen sondern eher als Neugierde dem Neuen gegenüber.
Neugierde würde aber eben auch durch die Bemerkung, dass diese Familie neu in der Straße ist, ausgedrückt werden. Hier wird aber speziell auf die vermeintliche (!) ethnische Herkunft der Familie hingewiesen, so als würde das sie nun besonders interessant oder uninteressant machen. Zudem weiß man ja noch nicht mal, ob diese Familie wirklich italienischer Abstammung ist, man vermutet es lediglich aufgrund ihres Aussehens und ihrer Autos. Man hat sich auch keine Gedanken darüber gemacht, ob diese Familie vielleicht schon seit drei Generationen in Deutschland lebt. Weißt du, wie oft ich schon für jemanden arabischer Herkunft gehalten wurde, obwohl mein Vater aus Israel kommt, aber auch schon fünfzig Jahre in Deutschland lebt?
stance hat geschrieben:Italiener sind ja auch ganz gesellige Typen
Ach wie schön, da wäre schon wieder so ein latenter Rassismus. Italiener, alle natürlich, sind ganz gesellig, das weißt du mit absoluter Sicherheit. Glaubst du in Italien gibt es keine Einzelgänger? Und woran liegt das, an der Mittelmehrluft vielleicht?
Mir fallen solche Dinge auch auf und ich finde sie auch etwas befremdlich. Zwar würde ich nicht sagen, dass Menschen, die auf diese Art und Weise unterscheiden, nun die schlimmsten Ausländerfeinde sind, aber es ist schon ein Zeichen von latentem Rassismus. Natürlich gibt es Situationen, in denen es angebracht ist, jemanden mit seiner tatsächlich oder vermeintlichen Herkunft zu bezeichnen - wie zum Beispiel wenn es um die traditionelle Hausmannskost einer bestimmten Frau geht oder wenn der Akzent eines Menschen beschrieben wird. Wenn man aber von neuen Nachbarn redet oder von einem Fahrgast in der Eisenbahn, sind solche Unterscheidungen völlig unangebracht, weil sie nichts zum Sachverhalt beitragen.
In einigen Punkten kann ich meinen Vorrednern zustimmen, allerdings sehe ich manches doch etwas anders. Es kommt doch vor allem darauf an, wie diese Bemerkungen fallen. In welchem Zusammenhang soetwas gesagt wird und außerdem in welchem Ton. Es spielt eine entscheidende Rolle, ob die Bemerkung nun abfällig und spöttisch oder "ganz normal", also nichts aussagend klingt.
Ich finde da eigentlich überhaupt nichts komisches dabei, solange es eben nicht in einem abfälligen Ton geschieht. Wie schon genannt, ist es eigentlich nicht relevat für irgendetwas, aber andererseits kann man dadurch auch direkt zuordnen, um wen es denn geht. Das hat meiner Meinung nach überhaupt gar nichts mit Rassismus zu tun. Da schwingt ja noch kein Vorurteil oder sonst etwas mit. Erst dann wäre es fremdenfeindlich. Auch ich sage öfters mal "die Russen", wenn ich zum Beispiel eine ganz spezielle Familie hier aus dem Ort meine (und hier gibt es eben nur diese Russen). Und wenn ich das sage, dann meine ich damit lediglich die Familie. Keine Vorurteile, kein Rassismus.
Es kommt eben immer darauf an wie etwas gesagt wird. Wenn es natürlich beleidigend gesagt wird, dannist das etwas ganz anderes, aberdas von dir beschriebene klang eher nicht danach. Um mal ein anderes Beispiel zu nennen: Man ist verreist und bsw. in Österreich auf einem Campingplatz. Wenn man dann die benachbarten Stellplätze sieht und dort stehen Ausländer, so benennt man die auch meistens direkt nach ihrer (vermeindlichen) Herkunft. Selbst wenn man sich mit diesen anfreundet und abends vielleicht miteinander Karten spielt, grillt oder ein Gläschen zusammen trinkt, bleiben es die "Italiener" (z.B.). Also ich finde da wirklich nichts komisches dran.
Mich selbst würde es übrigens auch kein bisschen stören in einem anderen Land der "Deutsche" genannt zu werden. Warum auch? Schämen wird man sich wohl nicht deswegen, es ist ja lediglich eine Tatsache. Und aus welchem Grund sollte es einem dann sonst stören, wenn man merkt die Leute meinen das nicht abfällig? Es ist etwas ganz anderes, ob es heißt "der Deutsche" oder soetwas wie "die Deutschen sind alle Nazis". Wenn man auf solche Vorurteile stößt, sollte man sich doch auch kein wenig über die Nationalität aufregen, sondern über die Beleidigung "Nazi". Das meine ich damit. Die Nationalität zu nennen ist keineswegs rassistisch, außer es folgensolche Bemerkungen. Der Kommentar, dass Italiener wiederum gesellig seien, zeugte ja mal wieder von Schubladen denken und gewissermaßen "Rassismus". Die Menschen sind unterschiedlich. Überall auf der Welt. Dass das keiner kapiert.
Um noch auf den Punkt zukommen, ob solche Unterscheidungen sinnvoll sind. Nunja, wäre es ein Deutscher, so würde man halt die Person nach dem Aussehen beschreiben und ob er etwas auffälliges hatte, was hier nicht ins Otto Normalverbraucher Aussehen passt. Ist es aber erkennbar, dass es sich um einen Ausländer, bzw. Mensch anderer nationaler Herkunft handelt (oder handeln könnte), so fallen doch mit dieser Angabe / Aussage schon total viele Menschen weg. Also ich finde soeine Unterscheidung wirklich in Ordnung, denn solange kein Schimpfwort oder sonstiges dabei ist, sagt es ja auch nicht über den Menschen aus, außer wie sein Äußeres ist (wirkt), bzw seine Sprache.
Sann hat geschrieben:Mich selbst würde es übrigens auch kein bisschen stören in einem anderen Land der "Deutsche" genannt zu werden. Warum auch? Schämen wird man sich wohl nicht deswegen, es ist ja lediglich eine Tatsache.
Sann hat geschrieben:Ist es aber erkennbar, dass es sich um einen Ausländer, bzw. Mensch anderer nationaler Herkunft handelt (oder handeln könnte), so fallen doch mit dieser Angabe / Aussage schon total viele Menschen weg.
In dem hier beschriebenen Fall ist es aber eben keine Tatsache, dass diese neuen Nachbarn Italiener sind. Es wird vermutet, anscheinend unter anderem aufgrund der Tatsache, dass sie bestimmte Autos fahren. Niemand weiß, ob sie wirklich aus Italien stammen oder ob sie überhaupt Ausländer sind.
@ Cologneboy2009: Hat man diese Familie schon sprechen hören?
@ channale: Gut, dann sage ich es mal so. Wäre ich in einem anderen Land und die Leute wüssten nicht ganz genau wo ich herkomme und würden mich irrtümlicherweise Schweizer nennen (zum Beispiel), so wäre ich doch abernie im Leben beleidigt. Ich wäre irritiert und verwundert, wieso sie darauf kommen. Ich würde das dann einfach nur richtig stellen und den Leuten sagen, dass ich eigentlich aus Deutschland stamme und nicht aus der Schweiz.
@ Sann:
Ich habe bisher mit den Leuten noch nicht viel gesprochen, sondern sie nur flüchtig im Vorbeigehen gegrüßt, wenn ich mit meinem Hund an ihrem Haus vorbei gelaufen bin. Ich weiß, dass sie selbst auch zwei Hunde haben und ich kann mir vorstellen, dass wir sicher irgendwann mal ins Gespräch kommen - die Hundeleute reden ja meistens miteinander, wenn sie Gleichgesinnte treffen.
Einen Akzent habe ich nicht festgestellt, allerdings merkt man den vielleicht beim flüchtigen "Hallo" auch nicht und ich achte generell nicht besonders auf so etwas.
Ein wenig unschön finde ich es auch, wenn man sich andauernd auf Äußerlichkeiten bezieht. Beziehungsweise geht es hier nicht einmal unbedingt um Äußerlichkeiten. Mich stört dieser Gedanke, dass etwas "fremd" sei und man es damit als Besonderheit betrachten müsste. Das scheint hier ja so gesehen zu werden. Nach dem Motto "Das sind keine Deutschen, das sind Fremde, die müssen wir mal genau im Auge behalten". Wobei ich mich auch irren kann. Vielleicht wären sie auch bei jedem neuen Mieter neugierig.
Allerdings würde ich es nicht als Rassismus bezeichnen. Sie sind den Menschen ja nicht gleich feindlich gegenüber eingestellt, weil sie möglicherweise Italiener sind. Sie sind vielleicht skeptisch, bestenfalls auch nur neugierig, aber Rassismus ist das meiner Meinung nach noch nicht.
Zumal ich glaube, dass sie auch nicht direkt wegen der Nationalität skeptisch sind. Wahrscheinlich wären sie es bei jeder "Abweichung" von der "Normalität". Also wären sie nicht nur bei Italienern so, oder bei Polen, sondern wenn ein Punk-Pärchen eingezogen wäre, dann doch wahrscheinlich auch, oder? Ich jedenfalls habe online schon einmal in einem Forum jemanden erzählen hören: "Stellt euch mal vor, bei uns nebenan sind gestern Gruftis eingezogen! Wir sind gespannt, was wir von denen noch mitbekommen."
Also, ich denke, das ist eine allgemeine Skepsis gegenüber "Fremden", egal, ob das die Nationalität ist, oder etwas anderes. Allein das finde ich schade, diese Vorurteile, die da auch schon mitspielen. Von wegen "Italiener werden schnell laut, und Grufties sind sowieso ganz merkwürdig". Das wäre aber auch das einzige, was ich kritisieren würde.
Und schlimm fände ich es erst, wenn die Menschen sich selbst durch neutrale Erfahrungen mit den neuen Nachbarn nicht von ihren vorherigen negativen Vorurteilen abbringen lassen würden. Aber wie das bei euch ist, mit den (möglicherweise) italienischen Zuzöglingen, das wird sich ja noch zeigen. Ich hoffe einfach, es wird ein angenehmes Miteinander!
Wawa666 hat geschrieben:Allerdings würde ich es nicht als Rassismus bezeichnen. Sie sind den Menschen ja nicht gleich feindlich gegenüber eingestellt, weil sie möglicherweise Italiener sind. Sie sind vielleicht skeptisch, bestenfalls auch nur neugierig, aber Rassismus ist das meiner Meinung nach noch nicht.
Meiner Meinung bedeutet Rassismus gar nicht unbedingt eine per se negative Reaktion auf die Herkunft eines Individuums. Es ist genauso blöd und diskriminierend, wenn man ständig ausgesondert wird, weil man als Italiener ja so gesellig oder als Japaner so freundlich ist. Vorurteile sind das trotzdem und auf Dauer ist es eben verletztend, wenn die Leute immer meinen, schon ganz viel über einen zu wissen, obwohl sie einen noch überhaupt nicht kennen.
Klar ist es verletzend oder auch "nur" nervig. Ich kenne es selbst zu gut, dass ich Menschen versucht habe, klar zu machen, dass ich nicht anders bin, nur aufgrund meiner Ethnie. Leider scheitert es dann bei einigen Leuten auch noch, nach dem Motto, "Ausländer müssen aber anders sein, du sagst das nur, um dich einzuschmeicheln", und das ärgert mich dann tatsächlich.
Dennoch ist Rassismus meines Wissens nach so definiert, dass es darum geht, dass Menschen anderer "Rassen" (oder auch Nationalitäten) allein aufgrund ihrer Herkunft bewertet werden, und zwar einzelne "Rassen" als besser, einzelne als schlechter.
Ja, im Grunde ist es dann auch schon an der Grenze zum Rassismus, Nationalitäten bestimmte Eigenschaften vorurteilhaft zuzuweisen. Das muss nicht einmal "Polen klauen alle" oder "Italiener sind laut" sein, sondern im Grunde gibt es ja auch "positive" Vorurteile ("Japaner sind alle gut in Mathe").
Nur, ich denke, darum ging es hier im Beispiel gar nicht. Sofern ich das mitbekommen habe, sind die Nachbarn ja bloß gespannt, wie es nun mit den scheinbar italienischen neuen Nachbarn wird. Vielleicht habe ich es im Thread hier überlesen, dann wäre es mein Fehler. Aber ich gehe aktuell davon aus, dass keine solchen Vorurteile geäußert worden sind, sondern, dass man sich eben einfach nur fragt, wie das mit den neuen Nachbarn wird. Und dann ist es ja egal, ob Italiener, Punks, Hippies oder meinentwegen auch Adlige (immer jeweils in einer Gegend, wo dies ungewöhnlich ist).
Wobei man sich natürlich auch darüber streiten könnte, ob es nicht schon sehr negativ betrachtet werden muss, "andersartigen" Menschen gegenüber überhaupt skeptisch zu sein, egal, auf welche Weise sie "andersartig" sind. Aber Rassismus ist das dennoch nicht. Aber natürlich finde ich das trotzdem auch nicht unbedingt schön, Menschen je nachdem, ob sie die Norm sind, oder nicht, anders gegenüber aufzutreten.
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