Gunther von Hagens selbst unterm Messer

vom 09.01.2010, 23:54 Uhr

Fast jeder kennt Gunter von Hagens, der Plastinator von Körperwelten. Diese Ausstellung ist ja sehr umstritten, denn die einen meinen, man gönne den Toten nicht die letzte Ruhe und andere unterstützen seine Arbeit, um die letzten sterblichen Überreste für die Nachwelt anschaulich zu gestalten.

Jetzt aber hat sich Gunter von Hagens selbst unter das Messer gelegt. Er hat sich einer Schönheitsoperation unterzogen, um jünger zu wirken und der Vergänglichkeit zu entkommen, die doch so wichtig für seinen Lebensunterhalt ist. Dabei hat er sich überschüssige Haut im Gesicht entfernen lassen, was ihm nun ein jüngeres Aussehen verleiht.

Passt das denn überhaupt zusammen? Ich frage hier nach Moral und Ethik, denn ist es vertretbar, dass jemand, der Tote plastiniert sich selbst unters Messer legt, um die sichtbaren Folgen des Alterungsprozess zu verhindern? Muss es nicht gerade für ihn etwas natürliches sein, Falten zu haben und zu altern? Wie seht ihr das?

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» NathKath88 » Beiträge: 375 » Talkpoints: -0,02 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Naja, eigentlich ist es doch jedem selbst überlassen, was er mit seinem Körper anstellt. Daher können Leute sich allen möglichen Behandlungen unterziehen lassen, und gegen Schönheits-OPs habe ich auch nichts, sofern sie niemandem unter Zwang angetan werden (beispielsweise finde ich es schrecklich, wenn Kinder nur wegen der Eitelkeit der Eltern operiert werden, was wirklich manchmal vorkommt, aber das ist ein anderes Thema). Auch, wenn ich selbst so etwas in den meisten Fällen unnötig finde, habe ich doch nicht das Recht, vorzuschreiben, was andere Menschen mit ihrem Körper machen. Also ist es einfach ihre Sache. Egal, ob Susi Müller von nebenan sich die Brüste aufpumpen lässt, oder ob Gunther von Hagens meint, er wäre hübscher, wenn er ein paar Falten verschwinden lässt, die dann in wenigen Jahren wahrscheinlich sowieso wieder da sind.

Aber natürlich verstehe ich, worauf du hinaus willst. Um seine "Körperwelten"-Aktionen zu rechtfertigen, hat von Hagens schon mehrfach behauptet, es ginge darum, zu zeigen, wie der menschliche Körper sich mit dem Alter verändert. Allgemein hat er ja ab und zu Natürlichkeit als Rechtfertigung für seine Aktionen genannt. Zu zeigen, wie die Natur eben sei, wie der Körper eben aussähe. Aber andererseits hat er noch nie etwas gegen Schönheits-OPs gesagt, oder? Vielleicht macht er ja auch eine Sonderausstellung, irgendwann, mit schönheitsoperierten Leichen. ;)

Ein moralisches oder ethisches Problem sehe ich hier übrigens auch nicht. Weil ich keinen Konflikt sehe, wenn sich einer selbst "verjüngt" und gleichzeitig alte Leichen zerschneidet. Man könnte die ethischen und moralischen Bedenken alleim beim Leichenpräparieren selbst haben, aber das ist hier ja nicht das Thema.

Es ist einfach nur blöd, wenn man seine eigenen Marketing-Lügen entlarvt, finde ich. Das heißt, von Hagens schneidet sich höchstens ins eigene Fleisch mit seinem Tun, wenn solche Widersprüche denn den meisten Leuten überhaupt auffallen. Das bezweifle ich aber. Und von Hagens geht es doch wohl nur darum, dass die Kasse klingelt. Also das einzige Problem wäre wohl für ihn kein moralisches oder ethisches, sondern allein, ob die finanziellen Mittel nicht vielleicht knapper werden.

Denn, seien wir mal ähnlich: Von Hagens geht es sicherlich nicht darum, ein Wohltäter zu sein, oder irgendwie ein großer Lehrer, der Menschen etwas beibringt. Immer hat er eine Menge Publicity gehabt, hat sich groß aufgespielt, seine Ausstellungen wurden immer pompös inszeniert (wobei die Medien da eine "Mitschuld" tragen, die haben es schließlich auch aufgebauscht, wobei von Hagens das sehr recht war). Ja, und die Darstellungsweise der Toten in seinen Ausstellungen, darüber kann man sich auch streiten. Ich war ja schon in einigen anatomischen Ausstellungen, in medizinischen Museen weltweit kann man auch präparierte menschliche Leichen sehen. Da wird das aber nicht so reißerisch gemacht und nicht mit soviel Tamtam. Also, meiner Meinung nach, irgendwie würdevoller.

Ja, das ist für mich irgendwie auch so ein Grund, wieso ich das Gefühl habe, von Hagens geht es um nichts Lehrreiches und auch nicht um Ethik. Es geht um Skandal und darum, Kohle zu machen. Von daher stellt sich mir die Frage eben auch gar nicht, ob es widersprüchlich sei, Vergänglichkeit lehren zu wollen und sich gleichzeitig auf jung zu operieren. Denn er will ja gar nichts lehren, sondern nur finanzielle Gewinne erzielen. Und um Moral geht es wohl auch nicht, bei dem, was er da veranstaltet.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Gunther von Hagens ist kein schöner Märchenprinz. Ich bezweifle, dass sich das mit ein bisschen Falten wegbügeln ändern wird. Schöner wird er nicht mehr werden.

Du verbindest dem Tod mit dem Altern. Theoretisch stimmt das auch. Ein Mensch sollte erst sterben, wenn er ein langes und erfülltes Leben hatte, aber wir verdrängen zu gerne, dass uns der Tod da gerne einen Strich durch die Rechnung macht. Manche sterben im Mutterleib, andere wenige Tage nach der Geburt. Es gibt auch Kinder, Jugendliche, 30 Jährige, 40 Jährige und 50 jährige, die keine Chance haben ein biblisches Alter zu erreichen. Wenn man das Leben und somit das Altern als natürlichen Sterbeprozess versteht, dann gehören Falten vermutlich zum Tod dazu. Jedoch ist ein hohes Alter nicht eine Voraussetzung um zu sterben.

Ich finde nicht, dass es sich widerspricht Plastinator von menschlichen Überresten zu sein und eine Schönheitsop bei sich machen zu lassen.

» Len4ik » Beiträge: 97 » Talkpoints: 0,51 »



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