Pfarrer rät zum Ladendiebstahl
Ein Pfarrer in Großbritannien löste mit seiner eher unkonventionellen Predigt große Empörung aus. Denn entgegen dem siebten Gebot riet er den Kirchgängern in der Grafschaft York dazu, sich in Not-Zeiten per Ladendiebstahl zu versorgen. Seine Argumentation ist schon eigenwillig: so solle man große Ketten und nicht kleine Betriebe bestehlen, diese würden die Verluste durch Preiserhöhungen ausgleichen und damit indirekt die Kunden zu Spendern machen. Immerhin lasse die Gesellschaft den Bedürftigen kaum eine andere Wahl.
Kritik kam natürlich von Besitzern großer Handelsketten aber auch von der Polizei, trotzdem steht der Pfarrer zu seiner Predigt. Auch von Seiten der Kirche drohen dem Gottesmann keinerlei Konsequenzen. Immerhin hatte er auch verlauten lassen, dass die Bedürftigen nur das stehlen sollten, was sie wirklich benötigen.
Ich find sowas schon merkwürdig. Ein Pfarrer predigt vor frommen Menschen und Diebstahl ist nichts, was die Bibel vorsieht. Wenn da ein Pfarrer zu einer Sünde aufruft kann man schon an seiner Glaubwürdigkeit, was andere Sachen betrifft, zweifeln.
Ich kann mir gut vorstellen, dass das einige schockiert hat. Davon mal abgesehen fordert er natürlich auch zum Begehen einer Straftat auf und das geht gar nicht. Man kann sich darüber streiten, was man nun dringend benötigt. Ich gehe aber stark davon aus, dass keiner Hunger leiden wird und wenn, dann ist es wohl besser, wenn man fragt ob man was bekommt und es sich nicht einfach so nimmt.
Also ich kann mir kaum vorstellen, dass er das ganz so lapidar gesagt hat. "Du" sollst nicht stehlen hin oder her, aber wenn man wirklich soweit ist, dass man nichts mehr hat, finde ich das durchaus legitim. Das ist ja eher so in der Art von früher Mundraub gemeint, denke ich. Also ich finde das durchaus in Ordnung, weil es sich da ja um absolute Einzelfälle handeln wird.
Dass dieser Pfarrer von Seiten der Kirche keine Konsequenzen fürchten muss, ist ja schon fast nachvollziehbar. Ich habe noch nie mitbekommen, dass die Kirche sich in fragwürdige Äußerungen und Verhaltensweisen ihrer Repräsentanten einmischt. Ich finde die Haltung dieses Pfarrers absolut problematisch. Diese Robin-Hood-Mentalität bringt letztendlich niemanden weiter und ich halte überhaupt nichts von dieser Predigt.
Auf der einen Seite finde ich es wenig glaubwürdig, wenn ein Pfarrer auf der einen Seite das Wort in der Bibel an seine Gemeinde weiterträgt, auf der anderen Seite aber durch seine Forderung gegen die Bibel verstößt und zudem auch noch klar zur Begehung einer Straftat auf. Ich denke, dass es in manchen Fällen durchaus legitim ist, normale Lebensmittel zu stehlen. Wenn jemand wirklich Hunger leidet, finde ich den sogenannten Mundraub vertretbar.
Allerdings frage ich mich, ob diese Forderung in Großbritannien überhaupt eine Daseinsberechtigung hat. Ich kenne mich damit nicht aus, frage mich aber, ob es in einem solchen Land nicht eigentlich so ist, dass niemand verhungern muss. Ich denke zum Beispiel, dass in Deutschland niemand verhungern muss und frage mich, ob das in Großbritannien so grundlegend anders ist. Ab wann man zum Stehlen gezwungen ist, ist ja nicht eindeutig festlegbar. Wo beginnt Armut? Natürlich gibt es offizielle Definitionen, aber im Großen und Ganzen ist es oftmals doch ein subjektives Empfinden, ab wann sich jemand als so arm empfindet, dass es sogar nötig wird, Lebensmittel zu stehlen.
Er hat sich ja nicht hingestellt und gesagt "Geh und plünder den nächsten Laden aus", sondern wartete mit einer Argumentation auf, die schon darauf beruhte, das die bedürftigen eben nicht anderen, ebenfalls rumkrebsenden das Toast aus den Zähnen ziehen sollen, sondern das sie dort zulangen sollen, wo ein gar wenig christlicher Sinn herrscht: bei den großen Ketten. Diese ruinieren einerseits die kleinen Ladenbesitzer (welche zu potentiell Bedürftigen werden dadurch), kommen ihrer christlichen Pflicht zur Unterstützung der Notleidenen nicht nach und würden ja eh durch Erhöhung der preise den Diebstahlanteil auf die anderen Kunden umschichten, so das es eigentlich nicht wirklich einen Geschädigten in dem Sinne gibt.
Ist zwar teilweise nicht ganz verkehrt, aber leider nicht die Lösung. Taugt aber bestimmt ganz gut dazu, das paralell die Frage gestellt wird "Sind denn die Leute echt so bedürftig, das Diebstahl notwendig werden kann?", was in Großbritannien, genau wie auch hierzulande, nämlich zunehmend DOCH der Fall ist, leider. Ich nehme mal an auf eine arg verunglückte Art sollte dies auch eigentlich der Sinn dieser räuberischen Predigt sein.
Ich weiß nicht, wie das soziale System in Großbritannien aussieht und ob es dort nichts Vergleichbares wie in Deutschland (Tafeln, Läden für Wenigverdiener, Havarie-Märkte, etc.) gibt, aber mir erscheint dieser "Rat" des Pfarrers auch sehr, sehr merkwürdig.
Auch als Atheistin ist bei mir da noch was aus dem Schul-Religionsunterricht mit "Du sollst nicht stehlen" hängengeblieben; ein Mann der Kirche sollte das dann umso mehr wissen und nicht noch empfehlen. Oder will er, dass seine Schäfchen anschließend umso zahlreicher zu ihm zur Beichte kommen und ihm ihre Sünden darlegen?
Denn was der Herr Pfarrer wohl nciht bedacht hat: Jeder Diebstahl führt, sofern man den Dieb erwischt, zu einer Strafe. Selbst wenn jemand, der hungert nur einen Laib Brot stiehlt, so kann das ganz schnell den Kaufhausdetektiv auf den Plan rufen, ein Bußgeld und schlimmstenfalls eine Vorstrafe geben; was die weitere Arbeitssuche erheblich erschweren dürfte. Denn wer vorbestraft ist, wird in Großbritannien sicherlich ebenfalls mehr Probleme haben, einen Job zu finden, wie in Deutschland.
Nephele hat geschrieben:Erhöhung der preise den Diebstahlanteil auf die anderen Kunden umschichten, so das es eigentlich nicht wirklich einen Geschädigten in dem Sinne gibt.
Steigende Preise bedeuten aber dann konsequenterweise auch, dass immer mehr Leute Probleme haben werden, diese zu bezahlen. Wenn ein Geringverdiener jetzt vielleicht noch so gerade eben die Preise des örtlichen Supermarktes bezahlen kann, kann er das vielleicht nach der Preiserhöhung aufgrund der Diebstähle nicht mehr.
Natürlich steigen die Preise nicht direkt in astronomische Bereiche, aber auch kleine Summen können sich bemerkbar machen, wenn einiges zusammenkommt.
Es gibt sehr wohl Geschädigte: die Betreiber der Supermärkte, die Kunden und damit mehr Leute als du denkst. Übrigens frage ich mich, warum immer danach geschrieen wird, den wohlhabenderen Menschen etwas wegzunehmen, um es den Armen zu geben. Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass jeder ein angemessenes Leben führen kann. Aber in sehr vielen Fällen ist es so, dass sich diese Leute ihren Wohlstand hart erarbeitet haben und ich finde es daher fair, wenn jemand, der viel leistet, auch einen anderen Lebensstil haben kann.
Zu einer ähnlichen Situation ist es bereits in Deutschland vor einigen Jahren gekommen. Der kölnische Erzbischof Joseph Frings hatte eine ähnliche Predigt mit etwa dem selben Kern am Ende des Jahres 1946 in Deutschland gehalten.
Dabei wies er auf die Missstände hin, indem sagte, dass jeder das nehmen dürfe, das in der Not zur Erhaltung des Lebens und der Gesundheit notwendig sei, sofern er dies nicht durch Arbeit oder Bitten erlangen könne. Dadurch ist der Begriff "Fringsen" (=Mundraub begehen) entstanden.
Nun, natürlich muss man berücksichtigen, welche Situation 1946 in Deutschland herrschte - das Land befand sich gerade im Wiederaufbau - aber in manchen Bereichen der "Industrienationen Europas" gibt es noch immer sehr viele wirklich arme Menschen, die an Hunger leiden. Wofür sonst gäbe es die Tafeln und ähnlichen Einrichtungen, die dafür sorgen, dass diese Menschen die Möglichkeit erhalten, wenigstens einmal am Tag eine ordentliche Mahlzeit zu sich nehmen zu können. Und dies wird gewiss nicht nur in Deutschland so sein,...
Daher halte ich diese Situationen, die dort angeprangert wird, gar nicht für so abwegig und will ebenso nicht behaupten, sie sei nicht vorhanden, nur weil man uns "Industrienationen" nennt und wir ein "Sozialsystem"haben.
Und das Argument "Das widerspricht dem 7. Gebot" ist engstrining und zu einfach. Die zehn Gebote sind nicht das non plus ultra, auch wenn die Christen das gerne so sehen mögen. Man wundert man sich, dass ein Pfarrer etwas sagt, dass mit einem der 10 Gebote unvereinbar scheint. Dass jedoch ständig von einem Großteil der Christen gegen viele christliche Werte und Regeln in Bezug auf Nächstenliebe und Hilfe, wie sie beispielsweise in der Bergpredigt gepredigt werden, verstoßen wird, interessiert wohl eine sehr kleine Minderheit.
Liest man nämlich beispielsweise im Deuteronomium 23, Verse 25 und 26, gibt es doch ein paar Hinweise, dass man auch "Mundraub" begehen darf, um satt zu werden. Mundraub ist also nicht unvereinbar mit der Bibel - wohl eher noch im Gegenteil.
Philly hat geschrieben:Zu einer ähnlichen Situation ist es bereits in Deutschland vor einigen Jahren gekommen. Der kölnische Erzbischof Joseph Frings hatte eine ähnliche Predigt mit etwa dem selben Kern am Ende des Jahres 1946 in Deutschland gehalten.
So wirklich vergleichen kann man das nicht, denke ich. 1946 war der Krieg erst seit kurzer Zeit zu Ende, da waren ganze Städte ausgebombt worden und viele Menschen hatten alles verloren. Plünderungen gehörten sowieso zum Krieg mit dazu, und später wurde in den Trümmern garantiert auch das herausgesucht, was noch zu gebrauchen war.
Aber auch ein Diebstahl um nicht zu verhungern, bleibt immer noch ein Diebstahl. Ich weiß nicht, wie die Sicherheitssysteme in England sind, ich nehme aber an, dass gerade die größeren Läden sich sehr wohl entsprechende Kontrollen und vielleicht auch einen hauseigenen Ladendetektiv leisten werden. Die Chance, da erwischt zu werden, dürfte ziemlich hoch sein.
Morgaine hat geschrieben:Philly hat geschrieben:Zu einer ähnlichen Situation ist es bereits in Deutschland vor einigen Jahren gekommen. Der kölnische Erzbischof Joseph Frings hatte eine ähnliche Predigt mit etwa dem selben Kern am Ende des Jahres 1946 in Deutschland gehalten.
So wirklich vergleichen kann man das nicht, denke ich. 1946 war der Krieg erst seit kurzer Zeit zu Ende, da waren ganze Städte ausgebombt worden und viele Menschen hatten alles verloren. Plünderungen gehörten sowieso zum Krieg mit dazu, und später wurde in den Trümmern garantiert auch das herausgesucht, was noch zu gebrauchen war.
Ich sagte ja: Die Situation war anders - das Land befand sich nach dem Krieg im Wiederaufbau. Es gab mit Sicherheit viel mehr hungernde Menschen und Armut war sehr viel mehr verbreitet.
Fakt ist aber: Für manche Menschen gibt es eine sehr ähnliche Situation - noch heute. Wieviel Menschen leben immerhin in Obdachlosigkeit. Das sind leider nach wie vor sehr viele. Es ändert nämlich nicht allzu viel an ihrer Situation, wenn nun mittlerweile die Mehrheit mehr oder weniger "wohlhabend" ist. Das ist gewissermaßen ein Grundproblem, das sich durch die Geschichte zieht. An der Situation der Armen, ob zu Kriegszeiten oder zu Friedenszeiten ändert sich recht wenig, selbst wenn mehr und mehr Leute "wohlhabend" sind und sich ausreichend selbst versorgen können.
Und im Zuge der Weltwirtschaftskrise und im Angesicht der sich immer mehr und mehr verschuldenden Staaten in Europa, mag sich diese Situation in den kommenden Monaten und Jahren eher verschlechtern als verbessern.
Ich will keinesfalls abstreiten, dass ein Diebstahl kein Diebstal sei - das gewiss nicht. Ich kann jedoch auch die Gegenposition verstehen und gewissermaßen auch nachvollziehen. Aber das Problem ist wohl eher keines der Bibel, sondern der Gesellschaft und ihrer sich selbst verliehenen Rechtsnormen.
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