Generation 'Angst'
Ich hab in der letzten Zeit häufiger Mal Texte gelesen, in denen Autoren, oder was auch immer das waren, über die heutige 'Jugend' geschrieben haben und das immer sehr abfällig. Mit Jugend ist dem Fall unsere studierende Generation gemeint, in den meisten Fällen zumindest.
Das Problem, das die Autoren immer schildern, ist, dass die Jugend angeblich keinen Blick mehr hat für die Welt, dass sie Angst haben vor Konflikten, Angst davor haben, rebellisch zu sein. Dass sie angepasst sind. Und dass sie Jugend nicht mehr kämpft für ihre Ideale, nicht mehr auf die Straße geht. Dass sie brav sind, dass sie nicht mehr ausbrechen, keinen Ärger machen, dass sie so vernünftig sind usw. Das heißt, die Kritiker stören sich daran, dass man angepasst ist an die Gesellschaft. Und die vergleichen das immer, mit der Jugend der 60er und 70er.
Je länger ist darüber nachdenke, desto logischer erscheint mit aber die Verhaltensweise unserer Jugend. Klar, haben sie Angst. Sie haben Angst vor ihrer Zukunft, Angst davor, von Praktikum zu Praktikum zu schlendern, nie eine feste Anstellung zu bekommen, nie Sicherheit zu haben. Sie haben Angst davor, zu versagen. Weshalb sind sie denn so fleißig und 'brav'? Eben weil sie für andere Dinge, für Dinge, die die Welt und andere betreffen, gar kein Auge haben, weil sie selbst viel zu sehr damit beschäftigt sind, etwas aus ihrem Leben zu machen - Und das ist schwer. Schwerer geworden. Wenn ich manchmal meinen Papa erzählen höre, der davon schwärmt, dass sie in den 70ern total viele Arbeits- und Ausbildungsplätze hatten und jeder einen bekommen hat, weil es einfach genügend gab, dann leuchtet mir auchein, weshalb das Leben da einfacher war und weshalb man sich in der diesen Zeiten wesentlich stärker auf die Geschehnisse um einen heurm konzentrieren konnte.
Wie seht ihr das?
Ich sehe die Ursachen für das steigende Desinteresse in verschiedenen Faktoren begründet,:
- Egoismus, der immer mehr verlangt wird, in den 60ern und 70ern zählte ja die Gemeinschaft um einiges stärker
- Desinteresse, da viele nur an kurzfristigen schnellen und somit sichtbaren Veränderungen interessiert sind.
- Frustration aufgrund der beschriebenen Jobproblematik und fehlenden Sicherheit
- Bildungsnotstand, der einem den Zugang zu den meisten Themen so verwehrt, die wenigsten wissen heute überhaupt noch etwas mit gewissen Themen anzufangen oder wissen, was diese bedeuten
- mediale Überflutung, durch die man gar nicht mehr weiß, worauf man sich eigentlich konzentrieren soll, Konsum / Politik / sich selbst / Gemeinschaft usw.
- und das eine echte Konfliktsituation zwischen den Generationen fehlt, wie sie in den 60ern und 70ern bestand, also sowohl der Ost-West Konflikt, drohende Atomkriege und das "Ende der Welt" sowie der Generationenkonflikt Jugend gegen heimliche Altnazis und überkommene Wertvorstellungen.
Aber meinst du echt, es herrscht Bildungsnotstand, weil den Leuten der Zugang dazu fehlt? Das Internet ist doch das einfachste, schnellste Mittel um sich Zugang und Wissen zu verschaffen, ds gab es doch früher zB gar nicht. Man musste sich die Bibliothek und Sachen nachschlagen. Heute gibst du bei Wiki was ein und hast die Antwort (Ob die jetzt richtig ist oder nicht, ist was anderes...) Und Bildungsnotstand, denke ich, herrscht auch nicht. Es ist eher so, glaube ich, dass heute der Niveau entweder so hoch oder so niedrig ist, dass es schwer ist, sehr gute Leistungen zu erbringen. Das heißt: Abitur ist heutzutage selbstverständlich, genauso wie ein abgeschlossenes Studium. Und wer, der nur seinen B.o.A. hat, ist doch heutzutage schon wesentlich schlechter gestellt als wer mit einem Master. Ich kenne so viele Leute, die jetzt fertig sind und ihren Master anhängen müssen, weil sie einfach erfahren haben, dass ihr Bacherlor ihnen gar nichts bringt und sie praktisch nirgendwo einen Arbeitsplatz gefunden haben damit.
Sowas, denke ich, frustriert auf einen auch. Du studierst und bist endlich fertig, eigentlich, und es ist noch immer nicht genug und du wirst immer älter und älter und dir fehlt einfach so langsam eine Sicherheit.
Mit BIldungsnotstand meine ich, dass die meisten, populistisch gesagt, einfach keine Ahnung haben - sieht man ja schon in der Schule, wenn da eine Fraktion sitzt, der man selbst die einfachsten Dinge des Lebens noch erklären muss oder die mit bestimmten Begriffen, vor allem politischen, nichts anfangen können.
Man denke an die peinlichen Phasen im Geschichtsunterricht oder im Politikunterricht - bei uns hatte der Großteil keine Ahnung worüber es da überhaupt ging und über was gesprochen wurde und beide Fächer wurden im Grunde nur von wenigen Interessierten am Leben erhalten. Ich glaube es gibt in kaum einen anderen Fach wie Geschichte oder Politik so große Leistungsunterschiede, weil es da vor allem auf Verständnis ankommt, weil man eben bestimmte Sachen nicht erklären kann, wenn man sie nicht kapiert.
Bei uns gab es einen Lehrer der beispielsweise Bonusfragen eingebaut hatte in jede Arbeit, für die man nochmal ordentlich Punkte erhielt, wenn man sie richtig beantworten konnte, aber das waren dann echte Brecher, die man ohne Hintergrundwissen und Verständnis nicht lösen konnte - und von daher konnten die auch kaum Schüler beantworten. Das zeigte irgendwie ganz deutlich was für ein Notstand da herrscht.
Klar, das mit dem Internet stimmt - aber das nutzt doch kaum einer zur Bildung sondern für tausend andere Dinge, Pornos hier, illegale Downloads da, Flirten dort usw. Es ist doch echt selten, dass jemand aus eigenem Interesse mal einen Tag lang auf wikipedia verbringt und sich von Artikel zu Artikel clickt um sich mal etwas BIldung zu verschaffen, wobei die Wiki ja nicht einmal das beste, aber am leichtesten zugängliche Medium ist.
Also mit Zugang meine ich eher den kognitiven Zugang und der persönliche Zugang - der kaum da ist aufgrund von Desinteresse oder weil man lieber eine Runde was andres macht. Eine gute Bildung wird ja kaum mehr als ein hoher Wert eingestuft bzw. man betrachtet dies als nutzloses Wissen, da man damit keinen DVD Player bedienen oder das Aiming verbessern kann und sich stattdessen mit wirklich nutzlosen Wissen vollstopft. Aber das ist Ansichtssache jeder hat halt seinen persönlichen Schwerpunkt, manch einer profitiert davon ja auch - manch einer wäre heute nicht da wo er ist, hätte er solche Dinge vernachlässigt aber die Mehrheit steigt doch ab.
Über das Bildungsniveau an sich kann man streiten, ob es hoch oder niedrig ist, jedenfalls reicht das was man in der Schule lernt nicht, wenn man überhaupt lernt - zusätzliches Interesse ist da einfach erforderlich. Und das fehlt, Gründe dafür gibt es ja viele, u. A. vielleicht die angeführten.
Ich finde das kann man ganz gut an der Diskussion um die Oberschicht und das Prekariat nachvollziehen, also dass hier der Graben immer tiefer wird, darüber gibt es ja ganze Bücher warum aber ein Trend ist für mich klar der Punkt dass man früher auch wenn man ein Außenseiter war (in den 60ern und 70ern) aufgrund weniger Unterschieden trotzdem noch irgendwie integriert war - heute herrscht hier eher eine klare Ausgrenzung vor aufgrund verschiedener Werte und Normen, die zur Frustration, Desinteresse usw. führt.
Aber denkst du denn, das war früher anders? Ich glaube das nämlich nicht. Hat die Jugend nicht immer den Ruf, ungebildet und uninteressiert zu sein? Ich glaube kaum, dass das vor 30 oder 40 Jahren anders war. Da haben die Leute auch gescholten, weil sich angeblich die Jugend fürs nichts interessiert als Musik, Zigaretten, Fußball, die Liebe,...
Aber das Ding ist doch: WAS kann eine Jugned denn überhaupt richtig machen? Entweder sie ist zu rebellisch und eigensinnig, schwimmt total gegen den Strom oder die Gesellschaft kritisiert plötzlich, eine zu brave Jugend, die gar keinen Widerspruch mehr übrig hat. Man hat das Gefühl, man ist als junge Generation, immer der, der gerade alles falsch macht. Ganz egal was man tut.
Klar sehen die älteren seit Jahrtausenden die Jugend immer als schlechter an, aber ich glaube früher war man als Jugendlicher auch noch stärker herausgefordert und fühlte sich vielleicht durch den Konflikt Kapitalismus gegen Kommunismus und den Krieg vor der Haustür zusammen mit den Eltern und ihren nazistischen Ansichten stärker herausgefordert etwas dagegen zu stellen und auch argumentieren zu können - und man genoss auch Sicherheit die man heute nicht hat, egal wie man "drauf" war. Da war Politik ja auch noch ein Thema auf dem Schulhof und nicht das Konsumverhalten, vielleicht aufgrund dieser Faktoren.
Als Jugend hat man immer die Last sich beweisen zu müssen, aber gerade die heutige Jugend, die fast zu ertrinken droht durch die Geschenke des neuen Zeitalters finde ich besonder lahm. Aber das liegt für mich echt am Egoismus, wenn ich sehe was bei mir früher in der Klasse rumlief und heute an den Unis rumhängt frage ich mich auch jedesmal wo das noch hinführen soll, da der Großteil doch wirklich nur mit sich selbst beschäftigt ist und irgendein klares Ziel vielen einfach fehlt.
Auf der anderen Seite muss ich ehrlich sagen, habe ich mich da auch schon den gängigen Werten angepasst (Egoismus / Opportunismus) und denke für mich - Ihr könnt mich alle mal, ich wandere sowieso dahin aus, wo es noch (mehr) vernünftige Menschen gibt, ihr könnt dann sehen wo ihr bleibt.
Ich finde auch das es an der heutigen Jugend an sich liegt also die ganze Generation die in den 90ern aufwuchs - früher gab es kaum verschiedene Gruppen und man gehörte entweder zu denen, denen oder denen.
Heute gibt es soviele verschiedene Interessenskonflikte zwischen viele einzelnen Gruppen und jeder findet die anderen dumm und traut ihnen nichts zu - also nicht nur die Älteren zweifeln an einem, sondern auch die Jugend an sich selbst. Ich hab mal meinen Vater gefragt, als es mir in der Schule so ging ob es ihm auch so ging und er meinte, mit den meisten kam er ganz gut klar. Das Gefühl fehlt heute teilweise völlig, mir ging es zumindest so, dass ich diesen oder jenen als kompletten Versager sah oder in irgendeine Schublade stopfte, und auf der anderen Seite das auch mit einem selbst gemacht wurde und jeder die Kompetenz des anderen stark anzweifelte. Irgendwie gibt es heute gar kein echtes Gruppengefühl mehr, jeder klüngelt sich nur noch mit denen zusammen, die in sein Weltbild passen, alle anderen interessieren ihn nicht.
So eine Art kollektiver Egoismus, den es früher glaube nicht so gab und der immer mehr zunimmt.
Subbotnik, muss dir vollkommen zustimmen in allen angesprochenen Punkten.
Anfügen möchte ich noch, dass sich trotz der politischen Situation der 60er und 70er Jahre die Jugend sich auch oft "nur" deshalb so verhalten hat wie sie es tat, um zu schockieren. Das natürlich auch oft mit politischem Hintergrund, aber das ist ja immerhin noch etwas anderes als bewusst politisch zu handeln und hierdurch zu widerstreben.
KrashKidd, ich frage mich dazu, wo denn der Ursprung dieser Zersplitterung und der großen Vielfalt an Gruppen liegt? Ist das nicht etwas vollkommen Normales, dass, wenn sich eine Gruppe einmal etabliert hat, diese dann immer weiter verfeinert wird, und zwar in unterschiedliche Richtungen, wodurch daraus unterschiedliche "Untergruppen" entstehen, die dann aber natürlich gerade wegen ihrer große Ähnlichkeit sich bewusst durch gegenseitige Ablehnung definieren müssen?
Aber kritisert wird ja, gesellschaftlich, dass unsere Generation offentsichtlich wie gelähmt oder bewusstlos vor sich hin lebt und für nichts kämpft. Aber 'damals' stell ich mir einfach so vor (und ich kann es eben auch nur aus Erzählungen) war es natürlich nicht nötig, für die eigene Zukunft zu kämpfen, weil die ja meist relativ gesichert war. Wenn ich mir überlege, dass meine Mutter zum Beispiel nur mit Hauptschuldabschluss und ohne abgeschlossene Ausbildung eine recht gute Stelle bekommen hat, kann ich mir ausmalen, wie einfach es war, Geld zu verdiene. Da hatte man die ZEIT für andere Sachen zu kämpfen.
Aber heute ist die Angst vor der Frage, wie man sich sein eigenes Leben überhaupt finanzieren soll, wie man nächsten Monat seine Miete bezahlen soll, ob man das zweite Praktikum nach Abschluss des Studiums machen soll, bei dem man pro Monat gerade mal 100 Euro bekommt, mit denen man die Anfahrtskosten decken kann, wesentlich wichtiger für den Einzelnen, als der Kampf um Ideale, Rechte oder einfach nur um den eigenen Standpunkt. Ich finde es oft deshalb einfach so unfair, wenn sich 60jährige hinsetzen und Texte zur Generation 'Lahmar***igkeit' verfassen, die selbst einfach nie in so einer Lebenslage waren und gar nicht beurteilen können, wie groß emotionaler Stress und die daraus folgende Belastbarkeit für jemanden sein kann, der Angst hat vor seiner Zukunft, weil sie ungewiss ist.
@DerDaene
Hm ich frage mich ehrlich gesagt auch woher das kommt, ich habe das bisher eher als (genervter) Beobachter wahrgenommen und ja: Feinheiten in der Gruppe selbst bilden sich immer heraus, sehe ich auch so und sollte auch so sein, denn Unterschiede machen ja auch einen Reiz aus.
Aber im Gegensatz zu früher scheinen die Gräben zwischen den einzelnen Gruppen ja immer tiefer zu werden, die Konflikte zu wachsen und man kanzelt sich immer stärker ab - vielleicht sehe nur ich das so, aber so kommts mir vor. Und ich befinde mich, wenn ich ehrlich bin auch mittendrin, dass ich mit bestimmten Personen, wenn sie sich so oder so verhalten, einfach nichts zu tun haben möchte und versuche, diese weitestgehend zu ignorieren. Nicht dass das jetzt falsch rüberkommt in der Richtung, nur weil einer HipHopper ist, kann ich ihn nicht ab, sondern ich meine das Gesamtbild - wenn da verschiedene Aspekte zusammentreffen, die mich in einzelner oder weniger starker Ausprägung bei anderen nicht stören, baut sich bei mir eine Antipathie auf, die ich auch nicht überwinden will, weil ich denke: Irgendwann reichts auch!
@Sippschaft
Dass die soziale Unsicherheit, die es früher so einfach nicht gab, einen wichtigen Punkt darstellt sehe ich auch ähnlich und das hier das Verständnis von Menschen fehlt, die 30 Jahre lang in einem Betrieb abgesichert waren und nicht nachvollziehen können, wie es Menschen geht, die meisten von einem befristeten Job zum nächsten hetzen und kaum 5 Jahre in die Zukunft ohne Risiko planen können.
Ich sehe hier ein Aufkommen von amerikanischen Verhältnissen - die kraft des Volkes so sehr an die eigene Existenz binden, bis es total verblödet und nur noch jeder auf sich achtet und mal auf den Aufstieg hofft, der ihn von all dem befreit. Trotzdem ist es nicht allzuschwer sich trotzdem politisch zu engagieren. Ich meine, früher ging es der Bevölkerung 1860 - 1880 noch schlechter, sie waren von diesen Gefahren noch stärker bedroht und trotzdem schafften sie es sich politisch zu engagieren um sich aus ihrer Notlage durch Druck auf die Politik - Pauperismus & Co - zu befreien. Ich glaube, diese Notlage fehlt heute einfach, denn egal wie schlecht es einem geht, so mies dann auch wieder nicht (wie einem Arbeiter / Angestellten / Arbeitslosen im 19. Jahrhundert).
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