Todkrankes Baby bekommen oder abtreiben?

vom 28.03.2016, 19:10 Uhr

Ich habe vor kurzem eine Folge von Private Practice gesehen, die mich sehr zum Nachdenken angeregt hat. Dort ging es um Amelia, die während einer Vorsorgeuntersuchung in der Schwangerschaft erfahren hat, dass ihr Ungeborenes Anenzephalie hat. Bei dieser Krankheit ist es so, dass Teile des Gehirns entweder komplett fehlen oder mangelhaft ausgebildet sind. Kinder mit dieser Fehlbildung, die durch Drogenkonsum während der sehr frühen Schwangerschaft ausgelöst werden kann, leben in der Regel nicht sehr lange. Man weiß, dass die Lebenserwartungen von Neugeborenen mit dieser Fehlbildung bei etwa 2-4 Tagen maximal liegt.

Jetzt stand Amelia vor der Entscheidung, das Kind entweder abzutreiben oder tatsächlich auszutragen, wobei ja so oder so klar war, dass sie nicht lange etwas von dem Kind haben würde. Sie entschloss sich letztendlich dazu, das Kind auszutragen und dessen Organe nach der Geburt zu spenden, damit wenigstens andere Babys leben können. Die Organe wurden auch sehr gut gebraucht, also die Nieren, die Leber, das Herz und die Lungen konnten vermittelt werden, ich meine sogar die Haut, bin mir bei der Haut aber nicht mehr so sicher.

Ich weiß offen gesagt nicht, ob ich die Kraft hätte, ein todkrankes Baby wirklich bis zum Schluss auszutragen. Aber Abtreiben kommt für mich auch irgendwie nicht in Frage. Ich weiß gar nicht wie ich handeln würde. Wie sieht es bei euch aus? Würdet ihr ein todkrankes Baby bekommen oder lieber abtreiben lassen? Warum?

» Capri » Beiträge: 658 » Talkpoints: 8,00 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Als ich diese Folgen von Private Practice damals gesehen habe, fand ich das auch ziemlich erschütternd. Klar, es ist nur eine Serie, aber das Problem gibt es ja tatsächlich. Vor einigen Tagen habe ich einen Bericht über den neuen Film von Anette Frier gesehen. Darin geht es ebenfalls um diese Entscheidung, ein todgeweihtes Baby abzutreiben oder zu bekommen. Das Baby hat aber eine andere Krankheit und ich glaube, es hatte eine Lebenserwartung von wenigen Wochen.

Natürlich "hat" man nicht viel von dem Kind. Aber diese Formulierung finde ich ziemlich krass. Das klingt so, als ob man sich dieses Problems dann lieber entledigen sollte. Es geht doch dabei nicht nur um die Mutter und darum, dass sie gerne ein Kind hätte, von dem sie etwas hat.

Mir würde es in erster Linie um das Kind gehen. Das ist am Leben und solange es keine Schmerzen hat ist es genauso glücklich und sicher im Mutterleib wie jeder andere Embryo. Daher würde es für mich nur darum gehen, welche Art des Sterbens für das Kind angenehmer ist. Abgetrieben zu werden oder nach der Geburt an Organversagen zu sterben oder was dann auch immer zum Tod führt.

Als Mutter muss man dann eben durch diese emotionale Achterbahn, die eine solche Schwangerschaft mit sich bringt. Das ist doch die Aufgabe einer Mutter, auch schon vor der Geburt. Für das Baby da sein. Ich sehe keinen Grund, warum man das Leben vorzeitig beenden sollte.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich denke es kommt auch immer darauf an, wann man von dieser Diagnose als Mutter erfährt. Gerade am Anfang spürt man das Kind noch nicht, da ist die emotionale Bindung noch nicht so stark, als wenn das Kind bereits Tritt und man Bewegungen wahrnimmt.

Auch die Art der Diagnose macht einen Unterschied. Denn es ist etwas anderes wenn man gesagt bekommt, dass das Kind nur wenige Minuten oder Tage lebt oder eben "nur" eine Behinderung hat.

Ich für mich selbst hatte vor beidem Bedenken als ich Schwanger war. Zum einen gab es mehrere Vorerkrankungen in der Familie die zu Behinderungen führen konnten. Zum anderen kann man auch nicht sagen, ob sich alles passend Entwickelt in den ersten entscheidenden Wochen. Deswegen war ich auch beim 1. Trimester Screening, welches mich zwar mehrere hundert Euro gekostet hat und nur eine Wahrscheinlichkeitsrechnung ist, aber damit habe ich mich schon bedeutend sicherer gefühlt.

Ein behindertes Kind hätte ich Abgetrieben, denn damit würde ich selbst nicht klar kommen. Nicht das ich etwas gegen behinderte hätte, aber ich weiß wie viel Arbeit das ganze ist und wie man selbst dabei auf der Strecke bleibt und zugrunde geht. Das habe ich oft genug in meinem Job gesehen und so ein Leben der Selbstaufgabe entspricht mir nicht. Zum anderen war die Beziehung zum Kindsvater noch nicht sehr lange als die Schwangerschaft eingetreten ist, ein solches Kind hätte die Beziehung nicht ausgehalten.

Gleiches wäre auch der Fall gewesen, wenn ich erfahren hätte das mein Kind Todkrank gewesen wäre. Auch in diesem Fall hätte ich mich eher zu einer Abtreibung entschieden, als das Kind fertig auszutragen. Dabei spielt in erste Linie die emotionale Bindung eine Rolle, nachdem man das Kind mehrere Monate gespürt hat, nicht schlafen konnte wegen dem dicken Bauch oder andere Nebenwirkungen mitgemacht hat die mit der Schwangerschaft einhergehen.

Denn ich denke für mich wäre es einfacher, das ganze so schnell wie Möglich abzuschließen. Und nicht erst noch Monate zu warten um dann hinterher ein paar Stunden oder wenige Tage mit dem Kind zu verbringen. Zum anderen bei der oben genannten Diagnose, gibt es meistens auch eine Fehlbildung des Schädels. Da möchte ich das Kind dann doch so im Gedanken behalten wie ich es mir vorstelle und nicht wie es in Realität ausgesehen hätte.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Ich denke, dass es einem hoch angerechnet werden muss, wenn man das schafft um dann die Organe spenden zu können. Das ist wirklich sehr löblich und vom Charakter her sehr hoch anzurechnen. Ich bin ehrlich, ich könnte das nicht. Wenn das Kind wirklich so wenig Lebenserwartung hätte, dann könnte ich es nicht zur Welt bringen, weil ich daran zerbrechen würde es nicht aufwachsen sehen zu können.

Das würde mich wirklich mehr belasten und auch langfristiger belasten als eine Abtreibung in einem noch relativ frühem Stadium. Ein behindertes Kind oder ein Kind, was vielleicht noch ein paar Monate hätte, würde ich aber austragen und auch dem Baby ein schönes Leben machen. Als die Untersuchungen bei mir waren hatte ich auch keine Angst vor einer Behinderung, es wäre dann eben so gewesen, solche Menschen sind doch auch toll. Wobei ich niemanden quälen will und ich kann mir nicht vorstellen, dass das gut ist für ein Lebewesen ist, wenn es nur so kurz hat.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich glaube dass ich bei einem todkranken oder schwerstbehinderten Kind die Abtreibung vorziehen würde. Ich glaube das könnte ich nicht aushalten. Ich habe in der Familie einen Fall wo die Entscheidung über Abtreibung oder Leben im Raum stand und die Familie hat sich für das Kind entschieden. Es war nicht klar wie lange es überleben wird. Mittlerweile ist das Kind drei Jahre alt, aber schwerst behindert. Es kann nicht essen, sitzen, krabbeln, im Prinzip gar nichts.

Als Außenstehender sage ich das ich dieses Kind sicher abgetrieben hätte weil das Kind nichts vom Leben hat und auch die Geschwister nicht. Als Mama ist es sicher nicht so leicht aber man merkt es der Mama schon an das sie an ihre Grenzen kommt. Das Kind wird nie mehr können als jetzt. Und es wird ja schwerer und Größer. Aber es lebt. Wie lange weiß niemand.

Ich finde Frauen bewundernswert die sagen sie tragen ein Todkrankes Kind aus um die Organe zu spenden. Dadurch können viele Leben gerettet werden, aber ich persönlich wäre dazu vermutlich nicht in der Lage. Zu wissen das mein Kind nach wenigen Tagen stirbt muss furchtbar sein.

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» torka » Beiträge: 4376 » Talkpoints: 7,91 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ich habe die Serie zwar nicht gesehen, jedoch musste ich selbst im letzten Jahr diese Erfahrung machen, Gott sei Dank mit Happy End. Bei der Feindiagnostik wurden mir auch die schlimmsten Sachen gesagt die man als Mutter einfach nicht hören will. Ich bin dann noch zu weiteren Ärzten weil ich das Ganze einfach nicht glauben wollte. Leider wurde mir immer wieder die gleiche Geschichte erzählt, mein Kind ist krank und hat keine Überlebenschance. Somit stand ich vor der Wahl abtreiben oder kennen lernen auch wenn es nur Stunden sind.

Ich habe mich mit der Entscheidung echt schwer getan. Gemeinsam mit meinem Mann haben wir uns entschieden es auf uns zukommen zu lassen und nicht abzutreiben. Es war einfach nur schrecklich je näher der Tag rückte. Ich konnte keine Bindung zu dem Kind aufbauen weil ich Angst hatte, wenn ich es gehen lassen muss, dass es mir noch schwerer fällt. Im August kam der Tag x und die Wehen setzten ein. Und es geschah das womit keiner rechnete. Wir bekamen einen gesunden Jungen. Er hatte nichts! Gar nichts! Alls Diagnosen, warum auch immer, waren falsch. Seitdem sage ich allen Muttis die beunruhigt sind, dass sie auf ihr Herz hören sollen.

» timbo007 » Beiträge: 950 » Talkpoints: 1,27 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Diese Frage ist natürlich schwierig. Eine meiner Schwestern hat eine Erkrankung, bei der die linke Gehirnhälfte sich nicht voll entwickelt hat. Das bedeutet, dass sie halt eine Behinderung hat. Das Problem bei diesem Syndrom ist, dass es sich auch heute noch erst im zweiten Lebensjahr feststellen lässt, weil dann gewisse Entwicklungsprozesse erst beginnen. Sie ist jetzt 30 und hat halt Entwicklungsverzögerungen und kann nicht sprechen, hat Bewegungseinschränkungen und ist halt auch geistig behindert. Okay, mit zwei Jahre treibst du ein Kind nicht mehr ab, aber meine Mutter hat sich damals zum Glück entschieden, die Kleine zu behalten.

Ich bin mit einem Kind mit Behinderung aufgewachsen, daher ist diese Frage echt schwierig zu beantworten. Ich denke, dass es darauf ankommt, was das Baby im Mutterleib hat. Ist die Lebenserwartung wirklich sehr gering, dann würde ich das Kind abtreiben. Aber auch wirklich nur, wenn die Prognose im Mutterleib schon wirklich schlecht ist.

Mir wurde bei unserem ersten Kind auch gesagt, das es behindert zur Welt käme. Aber es ist kerngesund und das zweite Kind übrigens auch. Ich würde daher auch sagen, dass das Bauchgefühl hier eine große Rolle spielt. Es gibt Erkrankungen, bei denen ich abtreiben würde, einfach weil ich es dem Kind oder auch meiner Psyche nicht zumuten kann, dass das Kind vielleicht nur wenige Stunden nach der Geburt verstirbt. Aber wenn das Kind eine Behinderung mit sich trüge, dann würde ich nicht abtreiben, denn ggf. kann man Leben mit Behinderung auch lebenswert gestalten und das Kind noch weiter fördern.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12585 » Talkpoints: 9,82 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



So eine Entscheidung gehört zu den schwierigsten, die man im Leben treffen kann. Anekdoten und Horrorstorys gibt es zuhauf, aber letzten Endes hängt man als Mutter mit dem eigenen Leben drin. Es ist ja schön, wenn ein pränatal als schwer behindertes oder kaum lebensfähiges diagnostiziertes Kind doch "kerngesund" auf die Welt kommt, aber was, wenn nicht? Wenn die Ärzte ausnahmsweise mal recht haben und der Mensch zeitlebens 24 Stunden am Tag auf Pflege angewiesen ist?

Und man darf auch nicht vergessen, dass so ein Leben verdammt lang sein kann. Irgendwann schaffen es die Eltern für gewöhnlich gesundheitlich nicht mehr, und geeignete Pflegeeinrichtungen und Hilfsangebote gibt es auch nicht an jeder Ecke, mit fallender Tendenz. Und nicht jedes Defizit kann man mit "Fördern" ausgleichen und nicht jede/r kann sich damit abfinden, dass keine Zeit für die eigene Lebensgestaltung mehr bleibt, weil die nächsten 60 Jahre stündlich Sekret absaugen und Katheter Pflege angesagt ist.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich habe die Folge damals auch gesehen und ganz objektiv betrachtete war ihre Entscheidung richtig. Sie hat damit vielen Babys das Leben gerettet, auch wenn ihres nicht überleben konnte. Außerdem hatte sie noch "Zeit" mit ihrem Baby. Und ich gehe davon aus, dass es für das Baby so oder so kein Unterschied gewesen wäre. Man muss aber dazu sagen, dass man das als Mama eben erst einmal schaffen muss: das eigene Kind auszutragen, damit es dann als Ersatzteillager dient.

Solche Fälle gibt es ja wirklich und tatsächlich entscheiden sich einige Mütter wirklich für diesen Weg. Ich finde das sehr stark. Vor allem ist es ein Wunder für die Kinder und deren Familien, die ein Organ bekommen.

Ansonsten bin ich ehrlich: ich würde kein todkrankes Kind bekommen. Ich kann das nicht. Nicht emotional, nicht körperlich. Deswegen ziehe ich erst recht den Hut vor denen, die es können. Natürlich kann immer etwas im Leben passieren, was dazu führt, dass aus einem gesunden Kind ein krankes Kind wird und natürlich steht es für mich außer Frage, dass ich mich um dieses Kind kümmern werde. Aber ich könnte mich nicht bewusst für die Austragung eines zum Tode verurteilten Kindes entscheiden.

Ich habe einige Zeit auf der neuropädiatrischen Station gearbeitet und das hat mich zweifelsfrei geprägt. Da sieht man viele Schicksäle eben solcher Kinder. Ich möchte das weder für das Kind, noch für mich oder meine Familie.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


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