Teilnehmer einer Bildungsmaßnahme unter Wert ansehen?
Ich arbeite derzeit für einen Bildungsträger, welcher viele unterschiedliche Bildungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur anbietet. Diese sind vorrangig für junge Leute, die noch keinen Fuß in die Berufswelt gesetzt haben oder Langzeitarbeitslose, die aus verschiedensten Gründen wieder zurück in die Berufswelt eingegliedert werden sollen. Prinzipiell handelt es sich um eine gute Idee, welche, wenn sie richtig umgesetzt wird, den Menschen, die ein wenig Schwierigkeiten darin haben, eine hilfreiche Unterstützung ist.
Nun habe ich schon mehrfach festgestellt, dass viele Außenstehende Leute, die Teilnehmer solcher Maßnahmen gewissermaßen abwertend betrachten. Freilich haben manche dieser Teilnehmer so ihre Handicaps oder vielleicht eine leichte Behinderung, sodass es ihnen schwerer fällt, einen Beruf oder Betrieb zu finden. Trotz allem sind sie Menschen und diese Maßnahme soll ihnen eine Erleichterung bieten und vielleicht einen Weg aufweisen, den sie am leichtesten bewerkstelligen können. Aber auch Menschen, die vielleicht etwas bequemer veranlagt sind oder eben ohne ersichtlichen Gründe über einen längeren Zeitraum keine Anstellung erhalten, werden durch solche Bildungsmaßnahmen neu motiviert.
Natürlich gibt es die ein oder anderen Teilnehmer, die diese Maßnahmen nur ungern über sich ergehen lassen und denen ihre Zukunft gleichgültig ist. Solchen kann meist selbst mit der Maßnahme nicht geholfen werden, da sie sich nicht wirklich helfen lassen wollen. Und die Pädagogen müssen sich sicherlich nicht selten mit solchen schwierigeren Fällen befassen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass manche meiner Mitarbeiter alle diese Teilnehmer unter einen Kamm scheren und auf alle von oben herab schauen - nach dem Motto, diese Leute hätten ja noch gar nichts erreicht im Leben und gehören deswegen zur untersten Schicht. Ähnlich, wie Hartz IV Empfänger vorab verurteilt werden.
Meine eine Kollegin hatte sogar manche Teilnehmer als ehemalige Mitarbeiter ihres Ausbildungsbetriebes identifiziert und ließ die Aussage fallen "Wenn mein ehemaliger Chef das wüsste, dass sie jetzt hier sind und was sie hier machen". Nur weil diese bei uns eine Bildungsmaßnahme antreten, kann man ja noch gar keine Schlüsse ziehen, warum genau sie da gelandet sind und ob es wirklich niedere Gründe seien. Meine Kollegin hat auch stets die Befürchtung, dass sie mit einem Teilnehmer verwechselt werden könne, da sie noch recht jung ist. Sie möchte unbedingt als Mitarbeiterin und keinesfalls als Teilnehmer identifiziert und registriert werden, selbst, wenn es nur eine flüchtige Begegnung auf dem Flur oder Weg zur Arbeit sei.
Ich finde es gemein und nicht angebracht, so zu tun, als wenn man selbst etwas viel besseres sei und niemals zu dieser von einem selbst ernannten "unteren Schicht" gehören würde. Überhaupt sollte man nicht allzu hochmütig durchs Leben schreiten. Vielleicht wird man in seiner nächsten Tätigkeitslosigkeit ebenfalls vom Jobcenter einer ähnlichen Maßnahme zugeteilt, ohne deren Teilnahme man mit Leistungsabzügen rechnen muss? Will man dann vom Rest der Gesellschaft ebenso abwertend angesehen werden oder meint man zu wissen, dass man die absolute Ausnahme bildet und hat ein starkes Selbstbewusstsein, trotz dieser Situation?
Findet ihr das angebracht, andere Leute so zu verurteilen? Erwischt ihr euch auch ab und zu dabei, dass ihr abwertend über solche Menschen denkt? Oder habt ihr vielleicht Mitgefühl und Verständnis für diese Teilnehmer?
Natürlich ist es nicht angebracht, so zu denken. Es ist aber genauso menschlich wie der Neid auf der anderen Seite. Ich durfte auch schon so einiges anhören, wenn jemand aus der "unteren Schicht" mitbekommen hat, wie viel Geld ich für scheinbar wenig Arbeit bekomme. Wenn man dann noch versucht zu erklären, was dahinter steckt, kommt es teilweise zu richtig heftigen Beleidigungen.
Der anderen Seite ergeht es also auch nicht anders. Das sind eben ganz normale Spannungen zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen. In Deutschland äußern die sich ja wirklich noch recht harmlos.
Ich denke, da kann man wenig dagegen machen. Das steckt einfach irgendwie in der menschlichen Psyche. Bei manchen äußert es sich mehr, bei anderen weniger. Ich finde es nur wichtig, dass die Leute, die mit den Teilnehmern solcher Maßnahmen arbeiten, es nicht zeigen. Schließlich haben sie ja doch eine gewisse Vorbilds- und Fürsorgefunktion und wenn sich da jemand abwertend äußert, ist das viel schlimmer als bei Außenstehenden.
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