Taktlos, Menschen auf Handicap anzusprechen?

Ich gebe zu, dass ich schon sehr neugierig bin, aber ich zeige meine Neugier nicht immer. Ich frage mich manchmal zum Beispiel, warum ein Mitmensch ein gebrochenes Bein hat oder im Rollstuhl sitzt oder sonst irgendwie eingeschränkt und anders ist, sei es durch Krankheit oder Unfall.

So hatte ich in der Oberstufe eine Mitschülerin, die eine Unterarmprothese getragen hat, da hat mich dann auch interessiert, ob es da einen Unfall gegeben hat oder ob sie schon so geboren wurde. Ich habe sie aber nie gefragt, weil ich nicht "sensationsgeil" und aufdringlich wirken wollte und ich es taktlos fand.

Ich habe vor einigen Tagen den Partner einer Freundin von mir kennengelernt. Dieser hat ein Glasauge, was mich manchmal schon ziemlich irritiert hat, weil ich nicht immer wusste, ob ich jetzt angeschaut werde oder nicht. Da er Mitte 20 ist, finde ich das schon ziemlich jung für ein Glasauge und es hätte mich schon sehr interessiert, was da passiert ist, aber ich habe mich auch da nicht getraut ihn zu fragen.

Findet ihr es taktlos, wenn man einen Menschen auf sein Handicap anspricht? Wie würdet ihr das finden, wenn euch jemand auf euer Handicap ansprechen würde? Wärt ihr da verärgert? Würdet ihr genauer nachfragen, wenn ihr eine Person trefft, die eure Neugier fördert?

Ich denke, das kommt auf die Umstände an. Also wie lange man die Person schon kennt, in welchem Rahmen man sie kennen lernt und trifft und vor allem auch, wie die Person sich gibt.

Ich habe beispielsweise eine Freundin, die auf einem Ohr so gut wie nichts hört. Anfangs saß ich daher manchmal auf der falschen Seite und quasselte vor mich hin und sie hörte mich gar nicht. Irgendwann fragte ich sie, ob sie eigentlich taub sei. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass die Antwort Ja sein würde. Aber sie sagte ja und ich fragte, wie es dazu kam.

Das war eine ganz natürliche Situation. Es hat sich halt einfach ergeben. Gut, ein schlechtes Gehör ist keine Unterarmprothese. Aber meiner Meinung nach gibt es einfach Situationen, in denen man einfach mal nachfragen kann, ohne dass es sensationsgeil klingt.

Ich würde allerdings nicht gleich nachdem man einander vorgestellt wurde mit der Frage rausplatzen. Dann stellt man die Frage nach dem Handicap über alle anderen Höflichkeitsfragen nach dem Beruf und anderen Smalltalk. Und man kann die Person noch gar nicht einschätzen. Aber im Laufe des Kennenlernens ergeben sich dann schon Situationen, in denen man nachfragen kann. Oder derjenige erzählt es von sich aus, weil es gerade zum Gesprächsthema passt.

Ich selber habe seit früher Kindheit eine Behinderung, oder eher eine Einschränkung. Das ist Ansichtssache. Und zwar bin ich Hörgerät-Träger rechts und links ertaubt. Mir bleibt oft gar nix anderes übrig, als den Leuten zu erzählen was ich habe, denn ich muss öfters nachfragen, was erzählt wurde.

Es kommt auch immer drauf an, wie man fragt. Auf herablassende Art reagiere ich ziemlich allergisch. So nach dem Motto: "Hör mal besser zu" oder "Na wieder nicht aufgepasst". Aber generell erzähle ich dann gerne, das ich als Kind im Kindergarten eine Gehirnhautentzündung, also eine Meningitis hatte aufgrund eines Wespenstiches. Kein Problem. Echtes Interesse an einer Person ist immer gut.

Ich kenne auch mehrere Leute mit verschiedenen Einschränkungen. Wenn man mit echtem Interesse fragt, hat von denen keiner ein Problem damit zu antworten. Zumal sich dadurch ja auch deren Lebensqualität erhört, indem sie dann weniger Probleme mit dem Mitmensch haben, weil dann besser auf die Behinderung eingegangen werden kann.

Als Kind habe ich immer den Fehler gemacht, diesen Makel verstecken zu wollen, was natürlich nach hinten los ging. Hing natürlich auch damit zusammen, das Kinder grausam sein können. Aber die allgemeine Akzeptanz zur Behinderung wird ja immer größer. Nennt sich Inklusion. Also, einfach im ehrlichen Interesse fragen.