Täglich nach seinen Wertvorstellungen handeln?

vom 23.07.2018, 07:49 Uhr

Ich finde es immer wieder erstaunlich wie paradox der Mensch teilweise ist. Ich stelle immer wieder fest, dass viele Menschen zwar bestimmte Überzeugungen haben, aber gar nicht nach ihren Wertvorstellungen und Überzeugungen im Alltag leben. Beispielsweise gaben in einer Befragung 83 Prozent an, dass sie für strengere Gesetze im Fischfang sind, aber nur 37 Prozent der Befragten wären dazu bereit, weniger Fisch zu essen um persönlich die Überfischung zu vermeiden.

Ist es bei euch auch so, dass ihr zwar bestimmte Überzeugungen habt, aber im Alltag nicht unbedingt danach lebt und handelt? Findet ihr das nachvollziehbar oder befremdlich? Wie lässt sich dieses Phänomen logisch erklären?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich weiß genau was du meinst. Diese Beobachtung fällt mir seit eh und je auf und ist mitunter einer der treffendsten Gründen, warum ich die Menschheit auf der anderen Seite eben auch nicht mag.

Wie sich das erklären lassen kann? Als Grund sehe ich die Selbstbehauptung und das ständige, ewige Problem der Machtausübung ein. Vielleicht tendiert der Mann eher dazu. Ich kenne einige Kollegen/Bekannte, die vom Typ her der charismatische Leader sind. Habe überhaupt nichts gegen solche Menschen. Nur konnte ich beobachten, wie sie eine Diskussionsgruppe mit Argumenten anführen, nur um an einem anderen Tag oder in einer anderen Gruppe die genau gegenteilige Meinung zu präsentieren. Doch weil sie die Leader sind und Zeit sowie Leute sich ändern, fällt das niemandem richtig auf. Außer menschenbeobachtende Typen wie mir. 8)
Oder nimm als Beispiel die Mafia. Auch sie lebt gewisse Werte wie Familie oder Ehre vor. Da gibt es die Szene, wo der Oberhaupt höflich und respektvoll die Mutter begrüsst und manierenhaft am Tisch sitzt. Geht er im Alltag den Geschäften nach, verfolgt er diese Werte dann auch?

Ein anderer Grund für das unterschiedliche Verhalten trotz Wertvorstellung ist für mich aber auch schlicht und einfach der unvollkommene Mensch. Wir sind einfach nicht perfekt. Ein Mensch vertritt als seine Werthaltung Freundlichkeit und Höflichkeit, doch auch er hat Eskapaden. Ein Mensch steht für Respekt, doch Situationen mit anderen Menschen können ihm zum Gegenverhalten zwingen.

Einige Menschen behaupten gläubig zu sein, halten sich nicht exakt an jede einzelne Regel. In solchen Fällen stelle ich mir die Frage: Ist das teils fehlende Verhaltensmuster eines bestimmten Wertes falsch? Ich komme dabei zum Schluss, dass wir uns bemühen sollen. Dass die Dinge, die wir sagen, auch so meinen. Zu den Prinzipien stehen und auch handeln. Und dass wenn wir mal gegen unsere Prinzipien verstoßen daran denken, dass wir auch Menschen sind.

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» Aincrad » Beiträge: 27 » Talkpoints: 10,49 »


Wir leben doch tagtäglich in einer Doppelmoral. Einerseits können wir uns die Videos der Tierquälereien in den Schlachthöfen nicht anschauen, weil sie wirklich grausam sind, andererseits genießen wir trotzdem fast täglich unsere Wurst und unser Fleisch.

Auf der einen Seite jammern wir, wenn wir von Freunden enttäuscht worden sind, handeln aber vielleicht aus der Sicht der Freunde genau gleich, weil wir eben auch nur Menschen sind.

Wir bemühen uns, nach den Wertvorstellungen zu handeln, da bin ich mir sicher. Doch leider gelingt es uns nicht immer. Und die Menschen waren schon immer so eingestellt, dass es viel einfacher war, mit dem Finger auf andere zu zeigen, als den Fehler bei sich selber zu suchen.

Es gibt nur sehr wenige Menschen, die so standhaft sind, dass sie wirklich tagtäglich den Wertvorstellungen folgen und ich traue mich auch nicht zu behaupten, dass ich da dazu gehöre. Irren ist menschlich, verzeihen ist göttlich.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Die beiden Antworten aus dem ersten Beitrag schließen sich doch gar nicht aus. Man kann doch, gerade weil man für strengere Regeln ist, seinen Fisch weiterhin genießen. Denn wenn es strenge Regeln gibt, dann kann der Fisch auf dem Teller der Population nicht schaden, oder? Logik ist vielseitig.

Außerdem ist bekannt, dass Menschen die sozial anerkannten Antworten geben, wenn sie gefragt werden. Und natürlich ist es viel einfacher, moralisch zu entscheiden, wenn man selbst entweder gar nicht betroffen ist, oder man auf der benachteiligten Seite steht.

» cooper75 » Beiträge: 13374 » Talkpoints: 508,93 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Eine perfekte Welt, in der alles immer nur toll ist gibt es nun mal nicht und daher leben wir doch alle nicht wirklich nach unseren Wertvorstellungen oder wer will das Tiere gequält werden, Menschen sterben oder die Umwelt zerstört wird? Und dennoch genießen wir die Dinge, die wir tagtäglich nutzen wollen. Ich esse gerne Fleisch, versuche es bewusst zu essen, aber damit müssen die Tiere dennoch sterben. Es ist schwer allen Wertvorstellungen gerecht zu werden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich unterscheide da zwischen grundsätzlichen Werten, also z.B. anzuerkennen, dass alle anderen Menschen die gleichen Rechte zustehen wie mir selbst und "tendenziellen Werten", also z.B. auch gegen die Massentierhaltung zu sein, es aber nicht immer zu schaffen, deshalb komplett auf Fleisch zu verzichten. Ich versuche dann, einen Kompromiss zu finden, also z.B. Biofleisch zu kaufen, weniger Fleisch zu essen oder dort Fleisch zu kaufen, wo ich die Tierhaltung in Ordnung finde, bzw selbst Tiere zu halten, und die dann auch zu essen.

In vielen Dingen ist es für mein Empfinden schon ein echter Schritt nach vorn, wenn man sich bewusst macht, an welchen Stellen man eigentlich seine eigenen Standards nicht einhält. Irgendwie stimmt es ja doch, dass das Bewusstmachen ein erster Schritt zu verändertem Handeln sein kann.

» Kirchenbotschafter » Beiträge: 91 » Talkpoints: 21,81 »


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