Studieren in Deutschland nur für reiche?

vom 29.05.2015, 12:52 Uhr

Eine Bekannte von mir hat eine Weile Bafög bezogen, bekommt aber inzwischen leider nichts mehr. Das hat sie schon sehr enttäuscht, denn ihre Eltern verdienen wenig und sie hat im Monat nun sehr wenig Geld. Bei Freizeitaktivitäten erkläre ich mich häufiger bereit, ihren Anteil zu übernehmen, da sie ansonsten oft gar nichts machen möchte.

Nun hat sie auch noch einen Bescheid vom Bafög Amt bekommen, sie soll über 2000 Euro aus den ersten beiden Semestern nachzahlen. Der Betrag wäre ihr nur unter Vorbehalt ausgezahlt worden, da man nicht abschließend hätte feststellen können, wie das Gehalt ihrer Mutter ist. Meine Bekannte ist dadurch sehr frustriert und weiß nicht, wie sie das schaffen soll.

Inzwischen ist sie an einem Punkt angelangt wo sie überlegt das Studium vorzeitig zu beenden, weil es finanziell einfach kaum möglich ist Miete, Nebenkosten, GEZ, Studiengebühren und Nachzahlungen zu übernehmen. Sie meinte daher letztens, dass ihrer Meinung nach das Studium in Deutschland eher etwas für wohlhabendere Menschen ist und nichts für solche, die weniger Geld haben.

Wie seht ihr die Situation? Ist meine Bekannte ein Einzelfall oder geht es mehreren Studenten in Deutschland so? Seht ihr es auch so, dass studieren in Deutschland eher den wohlhabenderen vergönnt ist, wenn man nicht in Schulden versinken möchte?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Die Situation für Studenten in Deutschland ist wirklich traumhaft. In vielen anderen Ländern muss man sehr hohe Studiengebühren zahlen. Da geht es meist um hohe fünfstellige Beträge. In Deutschland muss man bis auf eine kleine Verwaltungspauschale gar nichts zahlen.

Allerdings ist es eben auch so, dass es zum Beispiel in den USA ganz normal ist, dass man nach dem Studium mit hohen Schulden zu kämpfen hat. In Deutschland ist das dagegen eher eine Ausnahme. Da bricht man lieber das Studium ab, als einen Studienkredit aufzunehmen.

Als Student kann man schon sehr günstig leben. Wenn man nicht gerade in den teuren Studentenhochburgen sitzt, kann man Wohnheim- oder WG-Zimmer für einen sehr günstigen Preis bekommen. Außerdem gibt es sehr viele vergünstigte oder kostenlose Freizeitangebote für Studenten.

Man muss sich zwar privat einschränken, aber dann kann man durchaus mit 500 Euro im Monat durch kommen. Ich kenne zumindest einige Studenten, die das geschafft haben. Ein Bachelorstudium kostet so etwa 20000 Euro. Das können also auch Eltern finanzieren, die nicht besonders reich sind. Viele Familien geben so einen Betrag für einen Neuwagen aus. Davon abgesehen kann man das Geld auch relativ leicht über Neben- und Ferienjobs verdienen.

Inzwischen gibt es ja außerdem noch viele Angebote für ein duales Studium. Man verdient dabei meist etwas mehr als ein Auszubildender, was mehr als ausreichend ist um ein Studium zu finanzieren. Dafür muss man in den vorlesungsfreien Zeiten im Betrieb arbeiten. Die Übernahmechancen stehen darüber hinaus auch sehr gut. Für Studenten aus ärmeren Verhältnissen ist das sicherlich eine gute Möglichkeit, um zu einem Studium zu kommen.

Insgesamt halte ich ein Studium in Deutschland also nicht nur für reiche Menschen realisierbar. Allerdings muss man schon etwas mehr Opferbereitschaft zeigen, entweder auf Seiten der Eltern oder als Student selbst. Dass es mit einem bequemen Finanzpolster einfacher ist, steht außer Frage. Aber das liegt an der Natur der Dinge, nicht an der Situation in Deutschland. Man könnte natürlich eine staatliche Studienvergütung oder das bedingungslose Grundeinkommen einführen, damit jeder Student seinen Lebensunterhalt bezahlt bekommt, aber es gibt nur sehr wenige Länder (wenn überhaupt), die flächendeckend ein solches System anbieten.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Hier muss man unterscheiden wie ich finde. Wenn man das Studium in der Regelstudienzeit schaffen muss bzw. möchte, dann wäre es von Vorteil, wenn man reicher ist. Wenn man allerdings keinen Wert darauf legt so wie ich, dann kann man auch studieren wenn man arm ist. Meine Eltern verdienen kaum Geld, haben Kredite abzubezahlen, sodass ich immer auf mich alleine gestellt war und meine Geschwister ebenso. Dennoch studieren die meisten meiner Geschwister und arbeiten nebenbei.

Dann arbeite ich eben nebenbei 20 Stunden pro Woche und kann meine Rechnungen bezahlen und bin nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Dafür dauert das Studium dann von mir aus 1-2 Jahre länger. Das ist mir alles wurscht, da die Regelstudienzeit eh absolut überbewertet ist wie ich finde. Ich finde Berufserfahrung parallel zum Studium viel viel wichtiger und wenn man wirklich will, dann schafft man das alles auch. Man kann sich in dem Fall deiner Bekannten das Geld auch leihen und auf Raten zurück zahlen.

Zusätzlich kann sie sich einen Job suchen, parallel zum Bafög zu arbeiten ist nämlich möglich, sofern man bestimmte Kriterien erfüllt. Ich glaube eher, deine Bekannte ist zu faul und macht es sich zu einfach und wenn es mal nicht so läuft wie sie es haben will, schmeißt sie alles hin. Ich finde das einfach nur traurig. Wenn man will gibt es immer einen Ausweg ohne dass man das Studium gleich abbrechen muss.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Das leidige Thema mit dem Bafög Amt kenne ich leider zu gut. Meine Eltern verdienen auch wenig und können mir nicht wirklich unter die Arme greifen. Trotzdem bekomme ich seit letztem Semester nur noch lachhafte 50 Euro Bafög. Und dabei wohne ich in einer der teuersten Städte Deutschlands. Mein WG-Zimmer kostet 340 Euro und ich bin damit noch sehr günstig weggekommen verglichen mit meinen Freunden.

Dennoch finde ich nicht, dass studieren nur etwas für reiche Leute ist. Ich kenne genug Leute, die den Bafög Höchstsatz, wenn nicht sogar mehr plus Kindergeld bekommen. Beispielsweise kann man anfangen, als Werkstudent zu arbeiten. Ich habe schon Jobangebote gesehen, wo der Stundenlohn so gut ist, dass man trotz verhältnismäßig weniger Stunden die Woche auf 650 Euro im Monat kommt. Mit Kindergeld reicht das dicke zum Leben.

Nur muss man sich dann leider von der Vorstellung verabschieden, sein Studium in sechs Semestern durchzuziehen. Notfalls kann man ja auch ein Halbzeitstudium beantragen, das kann man bereits ab 15 Stunden Nebenjob die Woche. Dann muss sie deutlich weniger Kurse pro Semester belegen und bleibt offiziell trotzdem in der Regelstudienzeit, da diese dann logischerweise verlängert wird.

Mein Freund zum Beispiel bekommt kein Geld mehr von seinen Eltern, kein Bafög und mittlerweile auch kein Kindergeld mehr. Er muss sich somit sein Leben komplett selbst finanzieren und schafft daher nur 2 Kurse pro Semester. So viel zu arbeiten neben der Uni ist natürlich immer kacke, aber bevor ich mein Studium abbreche, wäre mir das immer noch lieber.

» Cappuccino » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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