Sollten freiwillige Praktika verboten werden?

vom 08.08.2016, 08:40 Uhr

Im Rahmen von Schule, Studium oder Ausbildung sind manchmal Praktika vorgeschrieben, um eben Berufserfahrungen zu sammeln, so genannte Pflichtpraktika. Sogar die Dauer dieser Pflichtpraktika ist in der Regel festgelegt und wenn dieses Praktikum nicht absolviert wird, kann das schon Konsequenzen nach sich ziehen, zum Beispiel, dass man im Falle eines Studiums den Abschluss nicht bekommt, da eine wichtige Leistung nicht erbracht worden ist.

Ich habe kürzlich die Aussage mitbekommen, dass man freiwillige Praktika grundsätzlich verbieten lassen sollte, weil das im Prinzip nichts anderes wäre als ein Minijob, der nur anders deklariert wäre um die Menschen auszubeuten. Die Person hat sich aber gleichzeitig sehr positiv über Pflichtpraktika im Rahmen einer Ausbildung geäußert, weil, das da wohl dazu gehören würde. Wie seht ihr das? Sollte man freiwillige Praktika grundsätzlich verbieten? Oder wäre das nicht sinnvoll?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Das ist so eine zweischneidige Sache. Zuerst müsste man genau definieren, was freiwillig in dem Fall genau heißt. Ich denke der Begriff ist hier ein wenig irreführend. Wenn jemand das Praktikum wirklich freiwillig macht, beispielsweise um heraus zu finden, ob einem der angestrebte Beruf gefallen wird, dann sehe ich keinen Grund, warum man das verbieten sollte.

Wenn allerdings einige Firmen erwarten, dass ein Absolvent neben den Pflichtpraktika noch X Monate weitere Praktika abgeleistet haben sollte, um überhaupt in den erlesenen Kreis der Bewerber zu kommen, dann finde ich das nicht richtig. Da sollte man schon darüber nachdenken, ob man das nicht anders regeln könnte. Nicht jeder junge Mensch ist finanziell so gut gepolstert, dass er sich leisten kann, mehrere Monate gratis oder gegen freies Essen Praktika zu machen. Und das führt dann wieder zu verzerrten Chancen, auf dem Arbeitsmarkt, dass nicht die mit den meisten Talenten, sondern die mit dem leistungsfähigeren Elternhaus besser dastehen und das ist unfair.

Wenn Firmen wollen, dass Kandidaten für eine volle Anstellung schon in dem Bereich gearbeitet haben, dann wäre meiner Meinung nach das mindeste, wenn man für solche Einsteigerstellen wenigstens den Mindestlohn zahlen würde, so dass sich die Einsteiger zumindest eine Wohnung, Essen, Kleidung und ähnliche essentielle Dinge leisten können. Schließlich bringen sie den Unternehmen ja auch einen Vorteil, indem sie Zeit und Arbeitskraft investieren.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Gratis oder nur gegen Essen macht niemand mehr über Monate ein freiwilliges Praktikum, denn dank Mindestlohn muss alles, was länger als drei Monate ist, bezahlt werden. Geht das Praktikum zuerst nur drei Monate und wird verlängert, dann muss nachgezahlt werden. Das ist eine deutliche Verbesserung zu früher, wo Praktikanten wichtige Projekte für nichts oder ein Taschengeld eigenverantwortlich betreut haben.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ich denke, man muss hier ein wenig differenzieren. Ich finde freiwillige Praktika zum einen nicht schlecht für die ganzen Jugendlichen, die einfach wegen ihrer schulischen Leistung keine Ausbildungsstelle bekommen würden. Sie können in den Beruf hinein schnuppern und der zukünftige Arbeitgeber kann sehen, welche Persönlichkeit der Jugendliche hat und ob er ihn nehmen würde.

Dass es für diese Praktika kein Geld gibt, kann ich gut verstehen, denn die Praktikanten kosten mehr Zeit und Geld, als dass sie Geld einbringen. Ich habe während meiner beruflichen Zeit selbst solche Praktikanten gehabt und mir teilweise die Haare gerauft über so viel Unkenntnis und Unfähigkeit. Da gab es wirklich Schüler, die kurz vor der mittleren Reife standen und nicht in der Lage waren, Akten alphabetisch zu sortieren!

Manchmal waren diese Akten nur eins zu weit vorne oder hinten abgelegt, sodass ich sie schnell wieder fand, aber einmal habe ich einen ganzen Tag meine sämtlichen Aktenschränke durchsuchen müssen, weil in ihrem Schüler-Alphabet plötzlich das R vor dem I kam! So etwas kostet viel Zeit und Geld, da ist kein Geld mehr vorhanden, um den Praktikanten noch zu bezahlen. Und ich hätte mich da auch gefragt, wofür ich ihn hätte bezahlen sollen, denn selbst die einfachsten Anweisungen klappten nicht! Schon Müll draußen in die Tonne kippen wurde zum großen Problem!

Wenn der Praktikant allerdings wirklich Arbeit verrichtet und für den Betrieb hilfreich ist, dann sollte es meiner Meinung nach vergütet werden. Da stehe ich auf dem alten Standpunkt, dass gute Arbeit auch gutes Geld wert ist. Es muss endlich aufhören, dass einfache Arbeit kostenlos erledigt wird, indem immer nur Praktikanten dafür genommen werden.

Ich denke, so etwas könnte man erreichen, indem ein Arbeitgeber gut und schriftlich begründen muss ohne Textbausteine, wieso die Arbeit des Praktikanten nicht vergütet wird, und es einfacher für ihn wäre, den Praktikanten zu bezahlen.

» rasenderrolli » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 16,66 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



cooper75 hat geschrieben:Gratis oder nur gegen Essen macht niemand mehr über Monate ein freiwilliges Praktikum, denn dank Mindestlohn muss alles, was länger als drei Monate ist, bezahlt werden. Geht das Praktikum zuerst nur drei Monate und wird verlängert, dann muss nachgezahlt werden. Das ist eine deutliche Verbesserung zu früher, wo Praktikanten wichtige Projekte für nichts oder ein Taschengeld eigenverantwortlich betreut haben.

Wo genau ist nun das Problem? Es gibt genug Menschen die sich um ein Praktikum reißen. Geht der eine kommt der nächste nach, in manchen Firmen geben sich diese sogar noch die Klinke in die Hand oder der alte Praktikant darf den neuen einarbeiten. Das ganze natürlich unter der Dauer, dass man zahlen muss und somit hat man doch billige Arbeitskräfte an Land.

Ein weiteres Phänomen ist das Probearbeiten. Auch dort lassen Arbeitgeber Leute vom Arbeitsamt 1-2 Wochen kostenlos bei sich arbeiten. In dieser Zeit bekommt man die Fahrtkosten erstattet und einen Witz an Geld für den Aufwand. Hinterher sagt man dem Bewerber ab wenn er es selbst nicht macht und nimmt einfach den nächsten. Auf diese Weise sparen einige Firmen seit Jahren am Personal weil sie angeblich keine "geeigneten Bewerber" finden. Schlupflöcher gibt es genug für Arbeitgeber sich der Zahlung von Praktikanten zu entziehen.

Und die Leute machen das auch noch mit. Ganz einfach, weil niemand einen komplett ungelernten ohne Berufserfahrung oder ohne praktische Erfahrung einstellt. Lässt man sich also darauf nicht ein, dann hat man ohnehin noch schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt. Gerade in den sehr überlaufenen Brachen ist das nicht wirklich unüblich sich teilweise 1-2 Jahre nur mit solchen Praktikantenstellen Berufserfahrung anzueignen damit man hinterher überhaupt die Chance auf eine Anstellung hat.

Von daher finde ich schon, dass so etwas mit freiwillig und Co stärker kontrolliert und auch eingekürzt werden muss. Das würde dann auch die Praktikumsstellen betreffen die man sich sucht, um zu sehen ob ein Beruf zu einem passt oder nicht. Dort geht man auch 1-2 Wochen in den Betrieb und schaut sich das Berufsbild an. Dieses sollte meiner Meinung nach weiter möglich sein, aber alles andere sollte generell unter Aufsicht stehen und auch den gängigen Regeln unterliegen, sprich mit Bezahlung, anständigen Arbeitszeiten und keine billigen Arbeitskräfte in Form von Praktikanten.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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