Sollte man Freunde wegen Wohnungszustand ansprechen dürfen?
Eine Freundin bzw. eher Bekannte von mir nimmt es momentan nicht so genau mit der Sauberkeit in ihrer Wohnung. Grundsätzlich bin ich ja der Meinung, dass jeder Mensch seine eigene Ansicht und Einstellung zu Sauberkeit und Hygiene haben darf und in seinen eigenen vier Wänden tun und lassen was er möchte. Wichtig dabei ist im Endeffekt ja ob er/sie sich dabei Wohl fühlt.
Andererseits beobachte ich bei meiner Freundin einen Trend der immer mehr in Richtung "gehen lassen" tendiert. Ich befürchte, dass diese "Gleichgültigkeit" aus einer generellen schlechten Lebensphase entstanden ist. Ich rede dabei jetzt auch nicht von einem Krümel unter dem Esstisch oder Streifen in den Fensterscheiben sondern z.B. von Müll am Boden, von dreckigem Geschirr dass offensichtlich 2-3 Tage rumsteht, dreckigem Waschbecken, einem großen Haufen ungewaschener Wäsche usw.
Ich würde ihr gerne meine Hilfe fürs Wochenende anbieten und mal gemeinsam einen "Putztag" einlegen. Irgendwo hab ich aber trotzdem noch die Befürchtung, dass sie meine Anmerkung bzw. mein Hilfsangebot als Eingriff in ihre Privatsphäre sieht. Was meint ihr, würdet ihr Freunde/Bekannte auf den Wohnungszustand ansprechen? Ab welchem Grad der Verschmutzung würdet ihr was sagen?
Frag doch einfach mal, ob du ihr helfen kannst. Dir wäre aufgefallen, dass viel Zeug bei ihr herumliegt und frag einfach unverbindlich nach, ob du ihr irgendwie zur Hand gehen kannst. Ich würde nichts von einer schlechten Phase oder so sagen, das käme wahrscheinlich falsch an.
Ich hatte vor Kurzem auch eine ganz schlimme Phase, es lag viel herum, es war schmutzig und teilweise sieht es immer noch so aus. Ich habe die Handgriffe aber nur minimal geschafft und daher ging es kaum voran. Die Spülmaschine einzuräumen war schon ein Kraftakt. Daher wäre ich froh, wenn jemand mal nachfragen würde, ob er mir helfen könnte, aber nach außen hin merkt niemand bei mir etwas davon.
Geht es jetzt um die vergammelte Wohnung oder um den Seelenzustand deiner Freundin? Ich würde hier schon differenzieren. Es macht einen Riesenunterschied, ob man an der Haushaltsführung anderer Leute herummäkeln möchte oder sich Sorgen macht, ob jemand überfordert/gestresst/krank sein könnte und hier seine Hilfe anbieten.
Im ersteren Fall, also wenn es nur um die Wohnung geht, würde ich sauber die Klappe halten. Manche Leute nehmen es mit der Sauberkeit nicht so genau bzw. setzen ihre Prioritäten anders. Bei mir gibt es auch ein paar Winkel, über die ich lieber nicht sprechen möchte und vom Fußboden essen kann man auch nicht. Das geht im Augenblick leider nicht anders, weil ich genügend andere Baustellen habe,die wichtiger sind als meine Badfliesen. Deswegen würde ich mich schon erkundigen, ob meine "Freundin" nichts besseres zu tun hätte als meinen Hygienelevel zu bemängeln, ohne danach zu fragen, dass mein Vater allmählich pflegebedürftig wird und im Job ständig Überstunden anfallen.
Andererseits gibt es aber natürlich auch die Fälle, wo ein an sich ordentlicher und pedantischer Mensch sich anscheinend auf einmal "gehen lässt". Da sieht es in meinen Augen schon anders aus. Aber auch hier würde ich keinen "Putztag" anbieten, weil das wiederum nur ein Herumdoktern an Symptomen darstellt. Wenn mir an der betreffenden Person etwas liegt und sie mir nahe genug steht, würde ich das ungespülte Geschirr ignorieren und sie fragen, ob ihr etwas auf dem Herzen liegt, ob sie Kummer hat und ob ich ihr auf menschlicher Ebene irgendwie helfen kann. Also beim zugrundeliegenden Problem, nicht beim Fensterputzen.
Bei den Wäschebergen musste ich etwas schmunzeln, denn bei uns läuft momentan irgendwie gefühlt immer die Waschmaschine. So ein Wäscheberg entsteht leider schnell, aber um den Wäscheberg alleine geht es dir ja auch gar nicht. Wenn du der Meinung bist ihr geht es seelisch nicht gut, dann würde ja vielleicht schon etwas Reden helfen oder auch mal einen schönen Mädelstag zu machen.
Ansonsten finde ich schon, dass man das ansprechen darf und auch ansprechen sollte. Natürlich macht aber der Ton die Musik. Wenn man nur in Vorwürfen und Ekel spricht wird man weniger gut ankommen, als würde man einfach seine Hilfe anbieten und starten. Generell finde ich aber vieles okay, wenn man spontan vorbei kommt. Immerhin schafft man es nicht immer alles perfekt zu haben und meine Güte, bei mir darf man auch nicht immer vorbeikommen, wenn die Kinder mal so beim Spielen sind und alles umherliegt, dann würde man das auch als unordentlich empfinden, obwohl der Rest ja auch sauber ist und täglich gemacht wird.
Hier kommt es auf Takt- und Fingerspitzengefühl an. Erst einmal zeigt die Freundin Vertrauen zu dir, wenn sie dich noch in ihre unordentliche Wohnung einlässt. Ich selbst würde in dieser Phase niemanden mehr in meine Wohnung lassen wollen. Einfach aus dem Grund, weil mir die Unsauberkeit und Unordnung vor anderen sehr peinlich wäre. Der besagten Freundin allerdings tut aber wahrscheinlich deine Nähe gut und sie ist froh, dass du sie so nimmst, wie sie eben ist und sie sich nicht verstellen und dir etwas vorspielen muss. Ich habe einen Bekannten, der es einfach nicht mehr schafft, seine kleine Wohnung ordentlich und sauber zu halten.
Hilfestellung habe ich ihm schon ab und zu angeboten, indem ich ihn ermunterte, Stück für Stück die Arbeit anzugehen. Kleine Etappen schaffte er dann mit meiner moralischen Unterstützung und den Loben schon, fällt aber stets in alte Muster zurück. Einmal habe ich sogar seine Fenster im Wohnzimmer geputzt um ihm zu zeigen, dass das keine unüberwindbare Hürde ist. Er war mir dafür auch dankbar und erfreute sich an den sauberen Fensterscheiben. Wir schauten dann lachend nach draußen und erfreuten uns an der neuen Aussicht. Aber die anderen Fenster seiner Wohnung selbst zu putzen, dazu kann er sich einfach nicht aufraffen, da er unter permanenten Schmerzen leidet.
Möchte man aber selbständig leben, muss man das eben auch stemmen und sich die Arbeit eben in kleine Etappen einteilen. Wäre es trotz seiner Krankheit in der Wohnung ordentlicher, würde ich ihm sogar öfter bei größeren Aktionen helfen. Aber da er selbst so gar keinen Ehrgeiz zeigt und sich gehen lässt, bleibt eben alles wie es ist. So gehört die Unordentlichkeit und Unsauberkeit eben auch zu seiner Persönlichkeit mit der er und nicht ich leben muss. Bei meinen kurzen Besuchen kann ich also gut darüber hinwegsehen, dass die Wohnung ziemlich verdreckt ist. Es steht mir einfach nicht zu an seiner Lebensweise herumzumäkeln.
Ich vermeide es, andere Leute auf die Sauberkeit ihrer Wohnung anzusprechen. Zum einen geht es mich selber einfach nichts an, ob, wie und in welcher Frequenz ein anderer Mensch seine Wohnung putzt. Ich bin höchstens mal dort zu Gast und muss mich in dieser Zeit nun mal mit dem Zustand arrangieren, aber niemand verlangt von mir, dass ich mich dort heimisch und wohl fühle. Das sollte auch nicht der Standard sein, nach dem sich der Eigentümer richtet. Dieser muss selbst wissen, was er tut und wie er mit Hygienemängeln umgehen will. Zum anderen scheue ich mich davor, Ratschläge zu erteilen, die ich selber nicht vorleben kann. Aufgrund der stressigen Arbeitssituation von meinem Freund und mir bleibt nämlich bei uns im Haushalt aktuell auch mehr liegen, als mir lieb ist, und daher kehre ich - im wahrsten Sinne des Wortes - erstmal vor meiner eigenen Tür, bevor ich andere kritisiere.
Anders verhält es sich, wenn man das „Gehenlassen“ wirklich als Symptom einer depressiven Episode auffasst. Tatsächlich wäre ich in dem Fall aber erstmal dafür, die Hypothese zu prüfen, bevor man die gute Frau mit einer Fehlannahme vielleicht gewaltig vor den Kopf stößt. Man könnte sich ja einmal privat auswärts treffen, um etwas Distanz zu schaffen, und dann diskret Nachfragen stellen, wie es denn insgesamt so läuft und dass man den Eindruck hat, es werde ihr gerade alles etwas zu viel. Wenn sie es schafft, sich zu öffnen, und die Vertrauensbasis da ist, spricht nichts dagegen, seine Hilfe zumindest anzubieten, in welchem Lebensbereich auch immer. Wenn sie aber in die Blockade geht, würde ich mich nicht aufdrängen, sondern ihr zusichern, dass sie sich bei Bedarf melden kann. Ansonsten macht es wenig Sinn, zu intervenieren.
Ich finde schon, dass man gute Freunde direkt drauf ansprechen kann und sollte. Es sind ja immerhin gute Freunde und in der Regel hat Freundschaft nicht nur gute Zeiten. Eine Freundschaft besteht ja in der Regel aus auch schwierigen Phasen und schlechten Zeiten und es ist ja normal, dass man sich auch mal streitet, unterschiedlicher Meinung ist, voreinander weint oder schwierige Themen ansprechen kann. Das unterscheidet eine Freundschaft ja von einer Bekanntschaft.
Es wird sicher passieren, dass die Freunde dann auch sauer, enttäuscht oder traurig reagieren und versuchen, das zu verharmlosen. Niemand gibt gerne zu, dass er Probleme hat oder etwas alleine etwas einfach nicht bewältigen kann. Das ist nun einmal immer ein schwieriges Thema, das beiden Seiten unangenehm ist. Trotzdem sollte man seine Freunde meiner Meinung nach auf so etwas ansprechen. Man meint es ja nicht böse, sondern macht sich Sorgen und will seine Hilfe anbieten.
Ich würde also keine abfälligen Kommentare machen, sondern versuchen, Verständnis zu zeigen und Hilfe anzubieten, egal ob es darum geht, mal richtig aufzuräumen und Ordnung zu schaffen oder darum, in irgendeiner anderen Art und Weise für den anderen da zu sein. Letztendlich kann man jemanden aber natürlich nicht dazu zwingen, aufzuräumen und wenn die Hilfe nicht angenommen wird, dann sollte man das auch so akzeptieren.
Mich wundert eher, dass die Freundin aus dem ersten Beitrag es nie selbst thematisiert hat. Ich habe einige sehr ordentliche Freundinnen, bei denen es immer aussieht, als könnte man vom Boden essen, aber selbst die waren schon in Phasen ihres Lebens, wo sie nicht mehr viel oder fast gar nichts im Haushalt geschafft haben. In der Regel war es aber so, dass sie mir das von sich aus immer erzählten, teils sogar Fotos schickten, um den Zustand ihres Haushalts gerade zu dokumentieren.
Möglicherweise ist die Freundin hier aus dem Beispiel aber auch an einem Punkt, wo ihr alles nur noch egal ist und sie gar nicht mehr die Kraft hat, sich noch über so etwas Profanes wie den Haushalt aufzuregen. Vielleicht bin ich zu direkt, vielleicht zu plump, aber ich hätte einfach direkt gefragt bzw. angesprochen, ob ihre schlechte Phase gerade noch schlimmer wird und ob bzw. was wir tun können. Aber nicht unbedingt nur oder primär auf den Haushalt bezogen, denn der ist doch in so einem Fall nur ein Symptom. Man kann so ein Hilfsangebot ja auch indirekter einfließen lassen und in einem Nebensatz sagen, dass man Spalier bei Fuß steht, wenn es um irgendwelche Hilfen wie Briefe, Anrufe, Einkaufen, Fahrten oder Haushalt geht.
Wahrscheinlich wird es aber sowieso so sein, dass andere Dinge in ihrem Leben gerade Priorität haben. Und solange es kein Fall für eine neue Ausgabe von den Hoarders wird, ist das doch auch absolut in Ordnung. Dann bleibt eben der Haushalt für einige Monate mehr oder weniger liegen, wenn keine Kapazitäten mehr da sind. In den meisten Fällen, wo Leute vorher eigentlich immer ordentlich waren, renkt sich das auch wieder ein, wenn es der Person besser geht.
Und bei Leuten, die von Haus aus chaotisch, nachlässig und dreckig sind, würde ich nichts sagen. Die sind dann einfach so oder haben in der Frage generell ein tiefersitzendes Problem, was mit irgendwelchen kosmetischen Hilfsdiensten nicht zu bewerkstelligen ist. Man kann sowieso nicht den eigenen Maßstab für anderer Leute Leben anlegen, vielleicht stört sich der ein- oder andere überhaupt nicht an dem tagelangen Siff in der Spüle und den klebrigen Fußboden.
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