Sollte Feuerwehrdienst für Bürger zur Pflicht werden?
Kodi hat geschrieben:Zusätzlich kommt dann noch der körperliche Aspekt. Als Feuerwehrmann sollte man schon über einer gewisse Fitness verfügen, Ich glaube nicht, dass es viel Sinn macht von jemanden gerettet zu werden, der mit seiner Montur selber kaum die Treppe hochkommt. Und wie gesagt, die psychische Belastung darf man auch nicht unterschätzen. Es gibt genug Leute, die beim Anblick von Blut schon aus den Schuhen kippen, wie soll das dann sein, wenn die dann zu einem Verkehrsunfall mit Toten kommen. Grade wenn man dann dazu verpflichtet wird, sollte es dafür dann auch ein Entschädigung geben.
Diese Personen sind nach meiner Auffassung von der Zwangsverpflichtung ausgeschlossen. Wie ich in meinem Ausgangsbeitrag geschrieben habe, werden nur Bürger zwischen 18 und 50 Jahren verpflichtet die die gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllen. Ich verstehe darunter, dass man sowohl psychisch als auch physisch in der Lage sein muss. Jemand der kein Blut sehen kann oder nicht fit genug ist eine Treppe hoch zu laufen erfüllt in meinen Augen nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen.
Die Frage ist doch ob das überhaupt so richtig umsetzbar ist. Natürlich gibt es gesetzliche Regelungen zur Zwangsverpflichtung oder auch zur Freistellung von Arbeitnehmern für den Chef. Aber ob das sich das dann auch ohne Nachteile praktisch umsetzen lässt, steht doch auf einem ganz anderen Blatt.
Zum einen gibt es ja Berufe, wo man nicht einfach mal den Hammer fallen lassen kann, wenn der Pieper geht. Sei es weil die Arbeit selber schon zu wichtig ist oder weil man noch Schutzausrüstungen erst einmal umständlich ausziehen müsste oder sowieso einfach viel zu weit weg von der Feuerwehr arbeitet. Also schon ganz praktisch gibt es da für viele Arbeitnehmer zu viele Hindernisse.
Dann stellt sich zum anderen eben die Frage, wie lange ein Chef so etwas gerade in kleineren Betrieben mitmacht, wo sich ein fehlender Mitarbeiter nicht mal problemlos kompensieren lässt mitmacht. Klar kann man jemanden nicht kündigen, weil er in der Feuerwehr ist. Aber wenn da jemand einen befristeten Vertrag hat und ich sehe, dass der da jede Woche einen Tag drin hat, wo er mehrere Stunden bei einem Einsatz egal welcher Art ist, dann überlege ich mir doch dreimal ob ich den Vertrag verlängere, weil ich nicht vernünftig planen kann.
Wir leben ja nun einmal nicht mehr vor 50 Jahren, wo kaum jemand weit zur Arbeit fahren musste und die Feuerwehrleute mit Fahrrad von der Arbeit zu Feuerwache gefahren sind. Und auch Arbeitgeber ticken heute doch ganz anders. Trotz Fachkräftemangel entlässt man heute doch schon schneller als früher. Ich kenne zwar jetzt auch keinen Königsweg wie man zum Beispiel die Feuerwehren wieder auffüllt. Aber eine Zwangsverpflichtung sehe ich da mehr als problematisch, weil es wohl nur schwer umsetzbar ist.
Und dann stellt sich ja auch die Frage, wann der erste anfängt zu klagen, warum ausgerechnet er verpflichtet wurde und eine andere gleichwertige Person nicht verpflichtet wurde. Oder ich stelle mir vor, dass da eine Krankenschwester oder ein Arzt zwangsverpflichtet wird und die dann eine Person aus dem Auto raus schneiden, die aber nicht ärztlich versorgt werden können, weil wegen fehlendem Personal im Krankenhaus ein OP-Saal nicht betrieben werden kann. Ist ja durchaus nicht völlig abwegig und scheinbar gibt es ja rechtlich kaum Handhaben gegen die Pflicht, sofern man nicht gesundheitlich beeinträchtigt ist.
Niemand ist verpflichtet, sofort alles stehen und liegen zu lassen, wenn er z.B. dienstlich verhindert ist und zum Einsatz zu eilen. Wer gerade Zeit hat und in der Nähe ist, rennt los, jeder andere nicht. Gerade deshalb ist es ja für eine Feuerwehr wichtig, möglichst viele Leute zu haben. Je mehr Leute ausgebildet sind, desto größer ist die Chance, dass im Alarmfall auch genügend Leute verfügbar sind.
Ich bin in einer freiwilligen Feuerwehr. Wenn jetzt tagsüber der Melder piept und ich vom Job nicht weg kann, bzw. ich weiß, dass ich sowieso nicht schnell genug am Gerätehaus bin, dann lasse ich es bleiben. Ich kann dann eine Rückmeldung geben, dass ich z.B. nur auf Nachforderung kommen würde, dann kann die Einsatzleitung vor Ort entscheiden, ob sie mich in 30 Minuten an der Einsatzstelle haben möchte oder nicht. Oder ich melde, dass ich nicht einsatzbereit bin, dann weiß meine Führungskraft, dass ich nicht angefordert werden kann. Das alles ist mit meinem Chef abgesprochen, wenn wichtige Dinge anliegen, melde ich mich bei der Feuerwehr ab, wenn ich es verantworten kann, meinen Arbeitsplatz zu verlassen, gebe ich meinen Status entsprechend ab und düse los.
Wir sind knapp über 40 Aktive bei uns, alle haben einen Job, da sind unterschiedlichste Arbeitszeiten dabei. Schichtarbeiter, 24-Stunden-Dienste, Außendienstler mit entsprechend großem Radius usw. Manche sind im Urlaub, zu Besuch bei Oma oder sind mit den Kindern alleine zu Hause und können nicht weg. Es ist also nahezu niemals so, dass alle Aktiven verfügbar sind.
Unser Fahrzeug ist für eine Staffelbesatzung ausgelegt, es hat also maximal Platz für 6 Personen. Ab 3 Leuten sind wir einsatzbereit und fahren los (darunter nur auf Anforderung der Leitstelle), es kommt gar nicht so selten vor, dass wir mangels Personal dann im Stall bleiben. Dann wird eine andere Wehr alarmiert oder die Berufsfeuerwehr (ja, wir haben eine, ohne die Freiwilligen funktioniert es aber nicht) fährt alleine los und muss zusehen, wie sie Personal nachfordert. Das ist dann halt so. Gerade in den Vormittagsstunden ist die Verfügbarkeit schlecht, ab spätem Nachmittag sieht es besser aus. Da würden wir auch zwei Fahrzeuge besetzen können oder mehr. Haben wir aber nicht und man kommt auch schon mal vergeblich zum Gerätehaus. Je nach Ausbildung und Spezifikation ist manch Kamerad öfter gefragt, als andere.
Die Angst, etwas nicht zu können, ist nahezu unbegründet. Man bekommt eine Ausbildung, macht eine Prüfung und dann wird regelmäßig geübt, bis alle Handgriffe sitzen. Die Führungskräfte vor Ort sehen das.
Die wissen auch, wen man mitnehmen kann und wer noch ein wenig Routine braucht. Die Führungskräfte wissen auch, dass man nicht bei jedem Einsatzstichwort alle Kameraden gleich gut einsetzen kann. Wenn wir wissen, dass es eine sehr blutige Angelegenheit wird, nehmen wir nicht unbedingt jeden mit. Es hilft ja nicht, wenn ein Kamerad an der Einsatzstelle selber medizinisch versorgt werden muss. Wenn man das vorher weiß, kann man entsprechend die Leute aussortieren. Nach ein paar unschönen Einsätzen kann man das aber ganz gut ausblenden und das helfen steht im Vordergrund. Adrenalin hilft dabei ganz gut.
Und wenn man jemanden oder etwas gerettet hat, entschädigt das Gefühl für vieles.
Squeeky hat geschrieben:Niemand ist verpflichtet, sofort alles stehen und liegen zu lassen, wenn er z.B. dienstlich verhindert ist und zum Einsatz zu eilen. Wer gerade Zeit hat und in der Nähe ist, rennt los, jeder andere nicht. Gerade deshalb ist es ja für eine Feuerwehr wichtig, möglichst viele Leute zu haben. Je mehr Leute ausgebildet sind, desto größer ist die Chance, dass im Alarmfall auch genügend Leute verfügbar sind.
Aber genau das geht doch dann an der Realität einer "freiwilligen Pflichtfeuerwehr" vorbei. Die Gemeinden ziehen da ja so wie ich das bisher gelesen habe scheinbar nur eine Minimalbesatzung ein. Da war bei einer Gemeinde, wenn ich mich nicht verlesen habe der Einzug von gerade mal 8 Leuten dabei. Wenn davon jetzt die Hälfte nicht kann, dann bist du kaum Einsatzbereit. Und bei der Hälfte reden wir dann ja nicht wie bei euch davon, dass 20 Leute nicht können, sondern lediglich 4 Leute. Das dürfte schon durchaus oft vorkommen. Und eine Feuerwehr, die bei Anforderung dann meistens doch nicht ausrücken kann, macht ja auch wenig Sinn.
Die Frage ist doch eher, wie kann man so ein Ehrenamt so attraktiv gestalten, dass wieder mehr Leute es eben doch freiwillig machen. Und das kann eben oft schon schwierig werden. Die Zeiten haben sich eben geändert. Viele Leute arbeiten eben in Schichten, arbeiten auch an Wochenende oder auch mal gerne mehr als 40 Stunden pro Woche oder gleich in zwei Jobs. Arbeitswege von mehr als 1 Stunde für einen Weg obendrauf sind auch keine Seltenheit. Da ist es doch oft schon schwierig ein halbwegs normales Familienleben nebenbei zu führen. Da dürfte eben für viele kein Platz für so ein Ehrenamt sein. Das war halt früher anders.
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