Sollte es Strafzahlungen für unnötige Arztbesuche geben?
Während manche Menschen wohl händeringend einen Termin für einen Facharzttermin suchen müssen, gibt es anscheinend auch Personen die Ärzte unnötig oft aufsuchen und somit anderen die Termine "wegschnappen".
Deutschlands oberster Kassenarzt fordert deswegen Einschränkungen für Versicherte und verlangt Strafzahlungen für Kassenpatienten, die zu oft zum Arzt gehen. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV, Herr Gassen bringt deshalb die Forderung von Strafzahlungen ins Spiel. Er sagt es könne nicht sanktionsfrei erlaubt sein, dass manche Menschen Ärzte beliebig oft aufsuchen ohne wichtigen Grund. Teilweise würden sogar zwei oder drei Fachärzte der selben Fachrichtung aufgesucht. Manche sehen die Gesundheitskarte wie eine Flatrate.
Kritiker werfen ein dass auch die Praxisgebühr schon nicht funktioniert hat. Auch ich sehe das Ganze sehr kritisch. Es gibt ja auch Menschen die mit ihrem Krankheitsbild einfach verunsichert sind und sich einfach zur Beruhigung mehrfach absichern möchten. Ich bin deshalb gegen eine Strafzahlung.
Sollte es eurer Meinung nach Strafzahlungen für Patienten geben, die Ärzte unnötig aufsuchen? Habt ihr eine andere Idee wie man solchen Mitbürgern eine "Grenze" setzt oder könnt ihr die unnötigen Mehrfachbesuche sogar verstehen?
Das Problem sehe ich hierbei darin, dass das für Menschen die gut verdienen keine wirkliche Bestrafung ist und für Menschen mit wenig Geld ein Grund sein könnte nicht zum Arzt zu gehen. Man sollte nicht die Leute dazu bringen weniger zum Arzt zu gehen, wobei es natürlich wichtig ist wegen wichtigen Sachen zu gehen und man durchaus bedenken sollte warum man geht, aber dennoch sollte man eher dafür sorgen, dass es mehr Ärzte und mehr Fachpersonal gibt. Das Studium der Medizin ist kein leichtes Studium, es gibt viele Abbrecher und Menschen, die es einfach nicht schaffen. Vielleicht sollte man hier mal schauen, ob man etwas anders machen kann.
Eine Strafe würde sicherlich einige Leute abhalten zum Arzt zu gehen, womit sicherlich viele Probleme, die man da so hat, schlimmer werden und dann hat man ganz andere Kosten, die man auch zahlen muss. Es ist also Quatsch und letztendlich eine Rechnung, die nicht aufgehen wird. Schlimm ist einfach nur, dass der Arzt auch nicht mehr Geld zur Verfügung hat und seine finanziellen Probleme nicht bedacht werden.
Wie viele Menschen betrifft das eigentlich? Ich kenne jedenfalls keinen einzigen, der Arztbesuche als Hobby angeben würde. Und wenn jemand ohne Grund ständig zum Arzt rennt müsste man sich doch mal fragen, was das eigentliche Problem ist. Was erwartet der sich von einem Arztbesuch? Ist der Arztbesuch vielleicht der Ersatz für soziale Interaktionen und Kommunikation? Sprich, muss man vereinsamte alte Leutchen wirklich direkt bestrafen wenn man ihnen auch Angebote machen könnte, bei denen sie wieder mehr unter Leute kommen?
Und wenn wir endlich eine elektronische Krankenakte oder irgendwas in der Art hätten würden sich manche doppelten Facharztbesuche wahrscheinlich erledigen. Also wenn der neue Facharzt direkt sehen kann, dass der Patient schon Untersuchung X, Y und Z hinter sich hat kann er den Patienten direkt ablehnen wenn er auch keine anderen Untersuchungen machen würde. Oder er kann sich diese Untersuchungen zumindest sparen.
Mir stellt sich halt auch die Frage, ob es sinnvoll ist, Menschen mit wenig bis gar keiner sozialen Interaktion mit Strafzahlungen noch mehr zu bestrafen. Ich habe nämlich festgestellt, dass der Wartebereich des Hausarztes oftmals als Treffpunkt für ältere Menschen mit Wehwehchen fungiert und verstehe ihn als durchaus wichtig. Ich finde, dass man hier anders intervenieren sollte und das Angebot an Treffpunkten und Möglichkeiten der sozialen Aktivität erweitern, es gut zugänglich machen sollte.
Dann fehlt mir irgendwie die Definition, wann ein Arztbesuch unnötig ist. Ist ein Arztbesuch bei einem Infekt wirklich unnötig? Besonders wenn die Person wirklich von starken Schmerzen geplagt ist? Das kann man als Außenstehender doch gar nicht beurteilen, wie leidensfähig eine Person ist. Ich bin momentan auf Medikamentenentzug und falle manchmal einfach um, habe komische Schmerzen, zittere halt mal ziemlich. Es ist unangenehm, aber sollte ich deshalb auf den Arzt verzichten, wenn ich mal nicht arbeitsfähig aufgrund des Entzuges bin?
Ich persönlich denke, dass es mehr psycho-soziale Angebote geben sollte. Nicht mal nur für ältere Menschen, sondern auch für junge Erwachsene. Die Angebote für Jugendliche sind hier recht gut abgedeckt, aber als Erwachsene muss ich hier in der Stadt schon gewisse Strecken fahren, um meine Interessen abzudecken. Mir wäre es lieb, wenn solche Angebote auch wirklich mal in meiner Nähe wären, das würde es einigen Menschen, die vielleicht nicht so mobil sind, erleichtern.
Ich denke, dass es Opa Fridolin und Oma Erna bestimmt auch gut täte, wenn sie mehr als einmal die Woche in Aktivitäten eingebunden würden und damit meine ich nicht die wöchentliche Singgruppe im Gruppenraum im Altenheim. Zum Beispiel gibt es Seniorensport, Kunstgruppen für Senioren und jüngere Menschen oder Ähnliches. Die psychische Gesundheit des Menschen wird halt immer noch unterschätzt und wenn diese gefördert würde, dann würden die Wartezimmer zum Beispiel vielleicht auch nicht unnötig besetzt werden. Das gilt übrigens auch für die jüngeren Generationen, aber man hat meistens zunächst die älteren Herrschaften im Sinn.
Ich sehe die Forderung nach solchen Strafgebühren auch kritisch und als schwierig umsetzbar sowie nicht ganz ungefährlich an. Zum einen teile ich die Meinung meiner Vorredner, dass eine Geldstrafe aufgrund der Ungleichverteilung von Vermögen in der Gesellschaft und einem nicht ganz irrelevanten Zusammenhang zum Gesundheitszustand vermutlich eher die falschen Menschen trifft. Wer sozial benachteiligt ist oder von einer mageren Rente leben muss, leidet oft tatsächlich auch häufiger unter Erkrankungen. Baut man dann noch Hemmungen auf, die ohnehin schon belastende medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, fördert man gesundheitliche Risiken ja noch.
Zudem stellt sich auch mir die Frage, wie man „unnötige“ Arztbesuche definiert. Setzt man ein Maximalkontingent von vier Arztgängen pro Monat, die man sich dann gefälligst für Notfälle aufzusparen hat? Sind Routinelaborkontrollen unter medikamentöser Therapie weniger sinnvoll als Behandlungen akuter Leiden? Und was ist, wenn die Untersuchungen unauffällig bleiben, dadurch aber eine potentiell bedrohliche Differentialdiagnose wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall ausgeschlossen wird? Man kann meines Erachtens nach niemanden, der kein fundiertes medizinisches Wissen hat, vor die Aufgabe stellen, sich selbst zu diagnostizieren und zu behandeln, und man kann sich auch nicht anmaßen, darüber zu entscheiden, welches Leid schwerer wiegt und wie stark ein Mensch beeinträchtigt ist. Das ist schließlich von zu vielen individuellen Faktoren abhängig.
Bei subjektiven Beschwerden und Verdacht auf eine Erkrankung sollte jeder Person die Konsultation medizinischen Fachrats offen stehen. Das ist ein wichtiges und wertvolles Privileg unseres Gesundheitssystems. Wie jede Vergünstigung gehen damit natürlich auch Fälle von Grenzüberschreitung und Missbrauch einher, aber diese gilt es anders zu bewältigen als durch die Bestrafung der Gesamtheit, von der vielleicht 80% in völlig adäquatem Maße davon profitiert.
Im Grunde gibt es doch solche Strafzahlungen oder nicht? Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen doch nur die Kosten für notwendige Behandlungen und Untersuchungen. Wer also unnötigerweise zum Arzt geht, müsste dies folglich selber bezahlen müssen.
Soweit mir bekannt ist, gibt es bereits die Budgetierung. Das heißt, der Arzt nimmt pro Quartal keine weiteren Patienten an, weil die Kasse die Leistungen nicht übernimmt, die über das vorgeschriebene Budget hinaus reichen. Insofern erschließt sich mir die Logik des Vorstandsvorsitzenden der KV überhaupt nicht. Der Arzt ist doch derjenige, der Patienten annimmt oder ablehnt. Wenn es schon Strafzahlungen geben soll, dann sollten sie an den Arzt adressiert sein, der immer wieder dieselben Patienten bevorzugt und nicht an den Patienten.
Sternenbande hat geschrieben:Im Grunde gibt es doch solche Strafzahlungen oder nicht? Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen doch nur die Kosten für notwendige Behandlungen und Untersuchungen. Wer also unnötigerweise zum Arzt geht, müsste dies folglich selber bezahlen müssen.
Du meinst wahrscheinlich diese IGEL Zusatzleistungen, die man selber bezahlen muss. Zahnreinigungen, spezielle Impfungen für die Reise und solche Geschichten. Das hat hiermit aber überhaupt nichts zu tun, zumal diese Behandlungen oft auch mit einem regulären Arztbesuch kombiniert werden. Sprich, die Kasse zahlt die Vorsorge beim Zahnarzt und ich bezahle die Zahnreinigung, die ich direkt danach bekomme.
Was sind denn unnötige Arztbesuche? Ich finde es beispielsweise total unnötig, dass ich alle drei Monate die Schilddrüsenwerte bestimmt bekomme, obwohl seit rund einem Vierteljahrhundert die Werte und die Dosis gleich bleiben, wenn man nicht das Präparat wechselt. Alle sechs oder zwölf Monate würde auch genügen, wenn keine Beschwerden auftreten und keine Schwangerschaft geplant ist oder besteht.
Nachdem ich an der Hand operiert worden bin, hatte ich schlimmere Beschwerden als vorher. Da bin ich von Pontius zu Pilatus gerannt. Mir wurden psychische Probleme unterstellt, ein Arzt sagte nur, da kann nichts sein, aber wenn sie drauf bestehen, machen wir es nochmal auf. Das waren dann wohl unnötige Arztbesuche.
Erst nach mehreren Jahren kam ein Handchirurg auf ein MRT mit Kontrastmittel. Super, ein Teil des Tumors ist nicht entfernt worden und drückte auf den Hauptnerv. Das waren meine psychisch bedingten Schmerzen. Außerdem war das Ding munter wie ein Pilzgeflecht gewachsen. Das waren dann fünf Stunden im OP. Ich habe einen großen Teil der Muskulatur gelassen und Sehnen müssten verlegt werden. Die Krankengymnastik mache ich noch heute. Hätte man das erste mal ordentlich gearbeitet oder danach die Beschwerden ernst genommen, wäre der Eingriff ein folgenloser Klacks gewesen, ambulant mit drei Stichen. Bekäme man die Strafgebühren dann erstattet? Und wer sich das nicht leisten kann, muss mit den Beschwerden leben?
Gorgen_ hat geschrieben:Soweit mir bekannt ist, gibt es bereits die Budgetierung. Das heißt, der Arzt nimmt pro Quartal keine weiteren Patienten an, weil die Kasse die Leistungen nicht übernimmt, die über das vorgeschriebene Budget hinaus reichen.
Das bestraft aber am Ende des Tages den Arzt und nicht den Patienten. Um zu sehen, ob ein Besuch wirklich nötig ist oder nicht (wir reden ja hier von medizinischer Indikation), muss man einen Patienten ja sehen und zumindest grob untersuchen. Und wenn das Budget erschöpft ist, dann wird dieses Angucken eben kostenlos vom Arzt gemacht.
Die Budgetierung ist zum einen eh ein absoluter Murks (wie soll man wirtschaftlich arbeiten, wenn man gar nicht genau weiß, wieviel Geld man dieses Quartal für die Untersuchung bekommt?) und zum anderen dient sie ja nicht dazu, dass Patienten weniger zum Arzt gehen sollen, wenn es nicht nötig ist.
Hier geht es ja eh darum, dass der Patient von sich aus bei banalen Erkrankungen, die von alleine wieder verschwinden würden, nicht mehr zum Arzt gehen sollen. Ich weiß aber nicht ob man das wirklich reguliert bekommt. Insbesondere nicht über Strafzahlungen. Das Problem dabei ist ja schon, wer das überhaupt festlegen soll, ob der Besuch jetzt unnötig war oder nicht. Sicherlich gibt es einen gewissen Prozentsatz, wo das relativ einfach ist. Aber es gibt eben auch einen großen Graubereich, wo Patienten sich subjektiv einfach wahnsinnig krank fühlen und nicht einschätzen können, ob sie ernsthaft krank sind oder nicht und zum anderen braucht man eben oft auch einfach ein paar Untersuchungen um eben dann festzustellen, dass es doch nichts schlimmes ist. Wer will das denn festlegen, wo da genau die Grenze gezogen wird?
Möglich wären aber vielleicht Tarife mit Selbstbeteiligung ähnlich der PKV. Bis zu einer gewissen Summe sind zum Beispiel 5 oder 10 Prozent Selbstbeteiligung fällig, egal ob notwendige Besuche oder nicht. Und wer keine Selbstbeteiligung will, muss von Haus aus jeden Monat einen Zuschlag auf seinen Tarif zahlen. Das könnte zumindest für etwas mehr Gesundheitswahrnehmung führen.
Aber so richtig ist das irgendwo alles nur Flickschusterei. Am Ende des Tages muss man sich als Gesellschaft eben einfach fragen, wie viel wir bereit sind für unser Gesundheitssystem auszugeben oder ob wir nicht doch um Kosten zu begrenzen nicht mehr immer zu jeder Zeit und für jeden wirklich alle Leistungen einer Hochleistungsmedizin anbieten. Wahrscheinlich ließe sich rein ökonomisch betrachtet mehr Geld einsparen, wenn man zum Beispiel keine künstlichen Gelenke mehr bei Menschen einbaut, die älter als 90 Jahre sind oder dort auch Katheteruntersuchungen zurückfährt. Das ist aber eine gesamtgesellschaftliche Frage, die sich alle stellen müssen. Da macht dann rein monetär der Hypochonder, der 6 mal im Quartal zum Arzt für Nichts rennt, wahrscheinlich weniger Kosten aus.
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