Sollte die Finanzierung der Azubis geändert werden?
Ein Bekannter von mir hat neulich eine ziemlich provokante These aufgestellt. Er regte sich darüber auf, dass die Betriebe ja für die Ausbildungskosten und für die Bezahlung der Azubis aufkommen müssten. Das wäre eine viel zu große Belastung für die Betriebe, sodass er es einfach nur als unfair empfunden hat.
Seiner Meinung nach bekommen ja Studenten und Schüler auch Bafög und diese befänden sich ja auch in einer (akademischen) Ausbildung. Daher plädiert er dafür, dass man die Betriebe entlasten sollte und auch eine Art "Azubi-Bafög" einführen sollte, damit die Betriebe Kosten sparen können. Was haltet ihr von dieser These bzw. diese Vorschlag? Würdet ihr das viel gerechter finden, wenn alle jungen Menschen vom Staat finanziert werden, egal welcher Art die Ausbildung ist?
Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten auch Auszubildende Bafög, wenn sie beispielsweise in eine andere Stadt ziehen müssen. Des Weiteren sehe ich das nicht so. Auszubildende leisten ja auch ihren Teil an Arbeit und in vielen Firmen wird ihnen auch abverlangt, dass sie da durch aus mal eine Abteilung allein übernehmen. Dementsprechend finde ich auch eine Bezahlung in Ordnung.
Warum soll der Staat die Arbeitskraft eines Auszubildenden bezahlen? In sehr vielen Berufen bekommen Auszubildende nur eine sehr geringe Vergütung und arbeiten schnell voll mit. Ich habe vor meinem ersten Studium beispielsweise eine Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten gemacht. Das gab damals 750 DM im Monat, mittlerweile ist es etwas mehr.
Dafür habe ich aber genau wie die anderen in der Berufsschulklasse nach zwei Wochen komplette Schichten allein gearbeitet. Das macht abzüglich der Schulzeit eine Arbeitszeit 27 Stunden pro Woche, die großteils für Routineaufgaben verwendet wird. Dazu fallen die Zuschläge für Wochenenden, Feiertage und Nacht weg. Eine nicht ausgebildete Hilfskraft zum Mindestlohn ist teurer.
Das sieht bei Ärzten, Floristen, im Einzelhandel und in vielen technischen Bereichen nicht anders aus. Wer aus dem Bekanntenkreis seine Ausbildung bei großen Industriekonzernen wie AEG, ThyssenKrupp oder Siemens gemacht hat, hatte zwar im ersten Lehrjahr Blockunterricht und war in der Ausbildungswerkstatt. Aber danach wurde normal in den Abteilungen mitgearbeitet.
Eine befreundete Schäferin hat in der Ausbildung 200 Euro plus Kost und Logis erhalten und dafür bereits von Anfang an 2.000 der 10.000 Schafe im Betrieb betreut. Warum soll es der Staat bezahlen, wenn Betriebe am Ende gut ausgebildete Facharbeiter haben, die sie gut kennen und die die Abläufe im Unternehmen kennen?
Ausbildung ist eine Investition in die Zukunft des Betriebs. Mittlerweile schreien alle nach Fachkräften, aber ausbilden will die niemand. Immer weniger Unternehmen tun es. Dabei ist das gar nicht so teuer. Aber investieren ist eben out, der Gewinn muss maximiert werden. Dazu wird lieber kurzfristig gedacht und die Verantwortung an andere abgegeben.
Täubchen hat geschrieben:Ein Bekannter von mir hat neulich eine ziemlich provokante These aufgestellt. Er regte sich darüber auf, dass die Betriebe ja für die Ausbildungskosten und für die Bezahlung der Azubis aufkommen müssten. Das wäre eine viel zu große Belastung für die Betriebe, sodass er es einfach nur als unfair empfunden hat.
Ich lache mich schlapp, aber die Arbeitskraft die der Auszubildende leistet, die will er schon haben oder? Und das was in den meisten Berufen ein Auszubildender nach dem ersten Lehrjahr leistet liegt weit über dem was er verdient. Viele Betriebe bilden aus, weil sie damit über 2-3,5 Jahre günstige Arbeitskräfte haben, die ab einem gewissen Punkt gut mitarbeiten und auch entlasten in der Zeit, wo sie im Betrieb sind. Berufsschule mal ausgenommen. Natürlich müssen Auszubildende auch angelernt werden und man muss ihnen viel zeigen, aber in der Regel ist es schon so, das sie nach den ersten paar Wochen oder Monaten die ersten Routine arbeiten übernehmen und das steigert sich dann immer weiter, um so näher die Abschlußprüfung rückt.
Seiner Meinung nach bekommen ja Studenten und Schüler auch Bafög und diese befänden sich ja auch in einer (akademischen) Ausbildung.
Die Ausbildung in Betrieben ist nicht akademisch, sondern dual und hat einen vollkommen anderen Hintergrund. In der dualen Ausbildung geht es um die Vermittlung von praktischem Wissen in Kombination mit der Theorie und ist damit mit einem Studium überhaupt nicht zu vergleichen, auch für den Betrieb nicht und deshalb sind auch die Arten der Entlohnung oder Unterstützung eine andere. Außerdem sollte sich dein Bekannter mal ganz schnell sehr klar darüber werden, das viele Studenten überhaupt kein Bafög bekommen und somit nicht alle Studenten vom Staat finanziert werden.
Daher plädiert er dafür, dass man die Betriebe entlasten sollte und auch eine Art "Azubi-Bafög" einführen sollte, damit die Betriebe Kosten sparen können.
Wie viel Kosten will er denn noch sparen? Hat er drei Auszubildende jeder in einem anderen Lehrjahr, dann leistet jeder von Ihnen ungefähr 25 - 28 Wochenstunden an Arbeit, also sagen wir ein Drittel weniger wie ein Angestellter leistet. Aber das Gehalt ist nicht nur ein Drittel weniger, sondern beträgt vielleicht ein Drittel oder sogar noch weniger als das von einem Angestellten (und damit meine ich einen, der auch gerade erst am Anfang seines Berufslebens steht). Also rechnen wir einmal 3 Auszubildende leisten an Arbeitszeit soviel wie 2 Angestellte, verdienen aber maximal so viel wie einer zusammen.
Wie gesagt, Berufsschulzeit schon rausgerechnet. Wenn man jetzt argumentiert, das ja auch Zeit für das Anlernen etc. verloren geht, dann kann man das ja weiter runterrechnen, sollte dabei aber auch wieder nicht vergessen, das häufig die Auszubildenden in den höheren Lehrjahren den unteren schon wieder Tätigkeiten beibringen. Wo kommt man dann ungefähr mit der Rechnung hin? Genau das der Auszubildende günstiger ist, als der Angestellte.
Was haltet ihr von dieser These bzw. diese Vorschlag? Würdet ihr das viel gerechter finden, wenn alle jungen Menschen vom Staat finanziert werden, egal welcher Art die Ausbildung ist?
Erstens müsste dann jeder Student Bafög erhalten und auch alle anderen Ausbildungsformen genauso gefördert werden, wenn man eine Weiterbildung macht und dafür in seinem Job pausiert und dann müssten auch die Rahmenbedingungen vereinheitlicht werden. Dann sollte auch nicht mehr der Betrieb von der Arbeitskraft des Auszubildenden profitieren, sondern einheitliche Ausbildungszentren geschaffen werden, wo die Auszubildenden alles entsprechen lernen und erst nach Abschluss dort das erste mal einen Betrieb betreten.
Das würde deinem Bekannten dann sicherlich aber auch wieder nicht gefallen. Denn oh Moment, dann muss man ja auch noch eine Einarbeitungsphase einplanen, da ja der Betrieb mit seinen Besonderheiten auch noch nicht bekannt ist und man muss sich dann ja auch erst noch von den Fähigkeiten des Neuen überzeugen und kann ihn nicht sofort zu 100% mit einplanen.
Die Ausbildung für einen Betrieb ist schon teurer, als nur das alleinige Gehalt von dem Azubi. Denn damit diese ausgebildet werden können, müssen auch Personen abgestellt und eingestellt werden, die dafür verantwortlich sind. Je nach Bereich und Branche muss dann noch ein Raum geschaffen werden zum üben und spielen, bevor man diese dann im weiteren Plan der Ausbildung auch als Arbeitskraft einsetzen und aus denen profitieren kann.
Aber ich muss auch herzhaft lachen. Meine erste Ausbildung habe ich selbst bezahlen müssen, da brachte ich jeden Monat 600 Euro auf die Schule und im zweiten Jahr musste man auch nichts bekommen, dass haben die Arbeitgeber machen können wie sie lustig waren. Ich hatte Glück und habe dafür 850 Euro bekommen, dafür das ich eine 60 Stunden Woche hatte, direkt als Verantwortlicher auf dem Fahrzeug saß und war immer noch billiger als ein Rettungssanitäter. Sozusagen wurde ich auf dem Krankentransportwagen verschleudert als billigere Arbeitskraft und sollte hinterher alles drauf haben was im Rettungswagen gemacht wird, was ich in dem ganzen Jahr 4 Wochen machen durfte.
Zum Glück ist das heute nicht mehr so und auch in diesem Bereich hat sich einiges getan und es ist eine normale Ausbildung mit Ausbildungsgehalt nach Tarif und auch einem vorgeschriebenen Lehrplan, dass es nicht mehr geht das Rettungsassistenten auf den Markt geworfen werden die noch nie einen Rettungswagen von innen gesehen hatten, außer in ihren Pflichtpraktika im ersten Jahr.
Dennoch war ich Spott billig, ich habe mehr eingebracht als ich gekostet habe, dafür wurde die Ausbildung halt mangelhaft abgeschlossen vom Arbeitgeber her und der Praktikant im Anerkennungsjahr musste sich selbst darum kümmern wie er an das Wissen gelangt, damit er hinterher auch in seinem erlernten Beruf arbeiten gehen kann, ohne direkt eine Leichenspur hinter sich liegen zu haben.
Wenn ein Betrieb nicht Ausbildet, dann zahlt er Strafe in einen Topf. Diese ist immer noch billiger, als wenn man selbst die Ausbildung in die Hand nimmt. Denn im ersten Jahr verdient man an solch einem Azubi nichts, da legt man munter drauf. Ab dem zweiten Jahr kann man in vielen Bereichen anfangen das es sich rentiert wenn man diesen als normalen Arbeiter auch einsetzt und fängt dann an seine Kosten vom ersten Jahr zu decken. Erst nach dem dritten Jahr ist man soweit, dass man seine Ausgaben für den Azubi gedeckt hat und ggf. auch einen kleinen finanziellen Gewinn gemacht hat.
Das was aber Wertvoller ist, man hat sich jemanden gezüchtet der im Ablauf bereits integriert ist, direkt loslegen kann und nicht erst eingearbeitet werden muss wie wenn jemand externes eingestellt wird. Daher wird inzwischen häufig nur noch auf Eigenbedarf ausgebildet, denn finanziell ist das nicht so sehr lohnend wie manche sich das vorstellen.
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