Sind die Forderungen an die Regierung in GR gerechtfertigt?

vom 14.07.2015, 07:37 Uhr

Jetzt rumort es eigentlich richtig innerhalb der EU. Denn jetzt ist eben jenes auch Friedensstiftendes Projekt wirklich an den Rand des politischen Zusammenbruchs gefahren worden. Schon lange geht es wohl in der Griechenlandkrise nicht mehr allein um finanzielle Interessen! Und diese Einsicht kommt jetzt (etwas spät) bei den anderen Partnern Deutschland zum Tragen.

Jedenfalls sind die "neuen" Forderungen der "Institutionen" - insbesondere das, was Schäuble (aber sicher nicht ohne Absprache mit Merkel) schreibt - nur noch als Absurd zu beschreiben. Es sind Forderungen, die weit über das hinausgehen, was vor dem Referendum in Griechenland gefordert wurde und von der Griechischen Bevölkerung als Untragbar abgelehnt worden ist. Dennoch hatte sich Tsipras zu Verhandlungen bereit erklärt und war zu weitreichenden Zugeständnissen bereit. Aber die Hardliner aus Deutschland und den noch - in alter Tradition - zu Deutschland stehenden Staaten haben hier die Chance gesehen, Griechenland und dessen "linke Regierung" endgültig in die Knie zu zwingen.

Frankreich aber sogar der IWF hat das deutsche Vorgehen verschreckt. Spanien aber auch Irland, Portugal oder Italien wissen genau, wer hier u.U. als nächstes auf der Liste steht und wie die "deutsche Problemlösung" aussieht.

Fakt ist doch auch, dass gerade Deutschland z.B. Erfahrungen mit einer Treuhand Gesellschaft gesammelt hat und die Experten hier wissen müssen, dass so was immer nur zur Abwicklung dient - es aber definitiv keinen Vorteil für die Betroffenen Betriebe ist, über eben eine Treuhand veräußert zu werden. Das wird - nach deutschem Vorbild - jetzt in Griechenland geschehen. Ganz neben den Forderungen, die Renten zu kürzen (man muss sich vorstellen, dass in den Jahren zuvor die Renten schon um bis zu 40% gekürzt wurden) oder die Mehrwertsteuer zu erhöhen, was wieder in erster Linie die trifft, die sowieso schon wenig haben aber konsumieren müssen.

Man muss letztlich kein Volkswirt sein, um zu wissen, dass das Strecken der untragbaren Schuldenlast niemals dazu führen kann, dass diese doch abgetragen werden. Vielmehr - das lässt sich ja leicht errechnen oder am Beispiel Portugals sehen - wachsten die Schulden unabhängig vom jedem Spardiktat weiter und unaufhaltsam an. Die gefeierte Rettung Portugals ist letztlich eine Lüge, weil dort die Schulden trotz allem weiter steigen und dort nur Zeit gewonnen wurde. Weil in Portugal die Regierung aber gefügig ist, ist dort kein Problem auszumachen. Spanien hingegen wackelt, sofern die Regierung abgewählt werden sollte (nächstes "Griechenland"?).

Sogar Ökonomen wie Paul Krugman (immerhin mit dem "Wirtschaftsnobelpreis" ausgezeichnet) kritisieren offen und schonungslos den von Schäuble erzwungenen Weg. Krugman sieht im "Sparpaket" sogar einen Racheakt Deutschlands (sowohl für die Regierung als auch für das Referendum), denn aus ökonomischer Sicht macht es keinen Sinn. Ohne Schuldenschnitt lässt sich jedenfalls der Abwärtstrend nicht mehr stoppen und eigentlich sollten das auch deutsche Politiker anerkennen.

Es bleibt eigentlich nur die Hoffnung, dass Tsipris hier einen Plan verfolgt, der Bevölkerung doch einen Austritt aus der Eurozone begreiflich zu machen. Immerhin ist die Bevölkerung bislang ja für einen Verbleib gewesen und Tsipras hätte ein entsprechendes Referendum für einen Austritt verloren. So aber manövriert Deutschland (gegen den Widerstand Frankreichs) die Griechen ins Aus. Selbst dem italienischen Ministerpräsidenten Renzi geht das deutsche Verhalten zu weit und wird als reine Demütigung Griechenlands gesehen.

Sehe ich das Geschehen als zu Pessimistisch bzw. glaubt jemand hier wirklich, dass ein Schäuble wirklich überzeugt ist, ökonomisch das Richtige getan zu haben?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich finde es unglaublich, dass wir schon wieder für Griechenland zahlen sollen! 82-86 Milliarden € brauchen die jetzt schon wieder und wer darf das alles tragen? - Richtig, wir!

Da ist es nur gerecht, dass die sich auch mal zusammenreißen und sparen müssen, wenn sie andauernd Geld von uns reingeschoben bekommen. Ist doch in Ordnung, hebt ruhig den Mehrwertsteuersatz dort an und kürzt die Renten. Langsam reicht es nämlich echt, schlimm genug dass wir jetzt auch schon wieder zahlen sollen!

» elli.fant06 » Beiträge: 1009 » Talkpoints: 0,96 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich finde es richtig, dass Forderungen gestellt und auch umgesetzt werden. Denn wenn eine Privatperson einen Kredit möchte, muss diese sich auch an eine Vielzahl von Regeln halten. Also ist es in meinen Augen nur gerecht, dass ein strenges Reglement geschaffen wird, welches natürlich auch überwacht werden muss.

Fraglich bleibt aber, ob die Regierung diese Kredite jemals zurückzahlen wird. Hier sieht man ja langfristig das Problem, denn Reformen umzusetzen ist das eine, den Kredit zurück zu zahlen etwas ganz anderes.

» Bassaufdreher » Beiträge: 393 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge



@mieze.1403 Der Ärger an sich ist verständlich. Aber an der Situation sind nicht die Griechen allein die Schuldigen, das hat die EU deutlich zu beigetragen. Dass die Situation im Land nur mit drastischen Reformen zu retten ist, und dass dazu auch die Teile der Bevölkerung weiter belastet werden müssen, die jetzt schon wirklich leiden, das ist klar.

Aber die Forderungen müssen Hand und Fuß haben. Es nützt nichts, wenn man jetzt planlos und haltlos Maßnahmen fordert, die die Wirtschaft im Land noch mehr zum Erliegen bringen. Dann wird das Land bei allen Reformen nur noch ärmer und die Lage hoffnungsloser und es muss das nächste Hilfspaket her.

Nehmen wir die "tolle" Idee, die Besteuerung von Hotels zu erhöhen. Die aktuelle Saison ist gebucht, die Preise sind nach den bisher geltenden Sätzen kalkuliert. Gerade wer mit großen Reiseveranstaltern zusammen arbeitet, bekommt einen sehr knappen Satz. Die Steuern kann man nicht von den Reiseveranstaltern oder den Gästen, die eigenständig gebucht haben, nachfordern. Die Hoteliers können es auch nicht leisten, die sind danach Pleite.

Sinnvoller wäre also, das ganze etwas langfristiger anzugehen. Für die nächste Saison könnten Steuern und Preise angepasst werden. Der Tourismus gehört zu den wenigen Dingen, die in diesem Staat noch funktionieren. Das auch noch zu zerstören, ist wirtschaftlich ziemlich dämlich gedacht.

Kürzungen der Renten? Ok, aber dann muss auch eine soziale Absicherung und vor allem eine Krankenversicherung her. Man die einfachen Leute nicht vor die Hunde gehen lassen, die haben das Land nicht zu dem gemacht, was es heute ist.

Das ist genauso kurz gedacht, wie das Verkaufen von Staatsbesitz. Das betrifft übrigens nicht nur Griechenland, es hat Auswirkungen auf alle. Billiger und besser wird es nicht, wenn Privatisiert wird. Dass große Konzerne, die so etwas dann übernehmen, keine Steuern im Land zahlen, das ist bekannt. Schließlich läuft das auch in den anderen Ländern nicht anders.

Ist es im Sinne von Griechenland und der EU den größten Hafen des Landes an chinesische Investoren zu verkaufen? Deutschland würde sich extrem querstellen, wenn der Hamburger Hafen an China oder Russland gehen sollten. Die Niederländer würden Rotterdam auch nicht verkaufen. Und das ist richtig so und zwar im Sinne aller EU-Länder.

Das Verwaltungssystem in Griechenland benötigt ganz sicher Reformen. Auch viele andere Dinge müssen angepackt werden. Aber das bringt nur etwas, wenn diese Reformen das Land langfristig wieder auf die Füße bringen. Tatsächlich bewirken aber viele Forderungen genau das Gegenteil. Ansonsten war alles, was bisher geleistet wurde, umsonst und die Aussicht, irgendwann vielleicht einen Schuldenabbau zu erreichen, geht völlig verloren. Dann tritt der Fall ein, dass die anderen Länder tatsächlich eintreten müssen und Griechenland braucht trotzdem noch Hilfe. Das kann nicht Sinn der Sache sein.

» cooper75 » Beiträge: 13412 » Talkpoints: 516,00 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Irgendwie tun mir die Griechen leid. Endlich haben sie mal diejenigen abgewählt, die mit ihrer Vetternwirtschaft Griechenland in die Misere gestürzt haben und werden nun dafür faktisch noch mehr bestraft. Selbst nach Ansicht vieler amerikanischer Ökonomen kommen wir doch an einem Schuldenschnitt nicht wirklich vorbei und hier wurden die Probleme nur verschoben.

Tsipras ist auch nicht unwilliger als seine Vorgängerregierungen, die viele der Fehler gemacht haben, die ihm nun angelastet werden, haben die gemacht. Die Schulden wurden von Konservativen und Sozialisten gemeinsam gemacht und vertuscht. Dies kann man Syriza auch nicht vorwerfen.

Meiner Ansicht nach bluten hier eben die falschen Griechen und wer deren hohen Renten kritisiert, soll aber auch sagen, dass es dort keine anderen Sozialleistungen gibt und jeder nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit vor dem totalen Nichts steht. Die Arbeitslosenquote dort liegt bei 25 Prozent. Hier muss es meiner Ansicht nach zumindest eine Art Grundsicherung mit Krankenversicherung geben, damit auch die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft geschützt sind.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 19.07.2015, 18:47, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Frankreich aber sogar der IWF hat das deutsche Vorgehen verschreckt. Spanien aber auch Irland, Portugal oder Italien wissen genau, wer hier u.U. als nächstes auf der Liste steht und wie die "deutsche Problemlösung" aussieht.

Du hast vergessen zu erwähnen, dass eine Menge Staaten die gleiche Meinung wie Deutschland haben. Darunter ist die Niederlande, Finnland und das Baltikum. Insgesamt haben sich die Befürworter und die Gegner der Forderungen die Waage gehalten. Letztendlich mussten aber auch die Gegner einsehen, dass die einzige Alternative der "Grexit" gewesen wäre. Und das wollten alle Länder, auch Griechenland, unbedingt vermeiden.

Endlich haben sie mal diejenigen abgewählt, die mit ihrer Vetternwirtschaft Griechenland in die Misere gestürzt haben und werden nun dafür faktisch noch mehr bestraft.

Stimmt, so hat es erst einmal ausgesehen. Die Blockadehaltung, die offensichtlich hauptsächlich von Varoufakis getrieben wurde, hätte Griechenland fast in den Ruin getrieben. Zum Glück ist Tsipras vernünftig und hat sich auf die Forderung eingelassen. Und er ist offensichtlich entschlossen, endlich die Reformen durchzuführen, die von seinen Vorgängern immer wieder verschleppt wurden. Damit hat Griechenland endlich die Chance, aus der Krise heraus zu kommen.

Meiner Ansicht nach bluten hier eben die falschen Griechen und wer deren hohen Renten kritisiert, soll aber auch sagen, dass es dort keine anderen Sozialleistungen gibt und jeder nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit vor dem totalen Nichts steht.

Deswegen ist es umso wichtiger, dass man jetzt die Wirtschaft in Griechenland wieder in Gang setzt. Die Reformen und das zugehörige Konjunkturprogramm bieten dafür die besten Chancen seit Jahren.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ohne Schuldenschnitt kommt Griechenland nicht wieder auf die Beine. Diese unangenehme Wahrheit sollte man so langsam akzeptieren. Ohne eine effektive Reform der Finanzbehörden und anderer staatlichen Organe verpufft allerdings jeder Schuldenschnitt sofort. Deshalb sind solche Forderungen sicher gerechtfertigt.

Ich würde übrigens zu gerne sehen, dass die griechischen Milliardäre und Millionäre nicht immer reicher werden während offenkundig nur die Armen für dieses Desaster zahlen. Hierbei hat Herr Tsipras meine ausdrückliche Zustimmung. Auch die Senkung von Militärausgaben sehe ich als wichtigen Schritt in die richtige Richtung.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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