Sich wünschen verzeihen zu können, es aber nicht schaffen?
Ich kann nicht alles verzeihen, was mir andere angetan haben. Auch wenn die entsprechenden Situationen teilweise schon viele Jahre oder Jahrzehnte her sind, stehe ich dazu, manche Sachen einfach nicht verzeihen zu können. Einige Sachen habe ich verziehen, andere nicht und dazwischen gibt es bei mir aktuell nichts.
Gibt es etwas, das ihr gerne verzeihen würdet, wobei ihr es aber nicht schafft? Ich habe gehört, dass manche ihren Eltern quasi noch in letzter Minute verzeihen, wenn diese im Sterben liegen, wobei sie sich die ganze Zeit gewünscht haben, es zu können, es aber nicht konnten.
Das kenne ich leider sehr gut, ich bin auch nicht besonders gut darin, Taten von Menschen, die mich wirklich verletzt haben, zu verzeihen. Und die leidtragende Person dabei ist man ja hauptsächlich selbst - das ist das Fiese daran. Etwas zu verzeihen bedeutet ja auch, dass man sich selbst davon gedanklich frei machen, aber stattdessen trägt man diese "Last" immer mit sich herum. Ich glaube, das hat auch viel mit Selbstschutz zu tun.
Setzt du dich denn sehr damit unter Druck, verzeihen zu können? Ich denke es ist wichtig, sich dabei Zeit zu lassen, das ganze ist ja ein Prozess, bei dem es keine "Abkürzung" gibt. Und man sollte es natürlich in erster Linie für sich selbst tun, für seinen eignen inneren Frieden, und nicht für andere. Auch, wenn das manchmal nicht so einfach zu differenzieren ist.
So komplex bin ich anscheinend nicht. Man leidet ja auf mehreren Ebenen quasi parallel und macht sich so das Leben noch schwerer. Du haderst darüber, was dir eine andere Person angetan hat und noch zusätzlich machst du dir selber Vorwürfe, dass du nicht souverän und lässig darüberstehen kannst, wenn dir etwas Schlimmes widerfahren ist. Wem soll das etwas bringen? Verzeihung kann man nun mal nicht erzwingen, weder bei sich selbst noch bei anderen.
Ich kann auch ganz schön nachtragend sein, aber vielleicht hatte ich einfach nur Glück, dass mir noch nie jemand etwas angetan hat, das mich noch Jahre später beschäftigt. Beispielsweise kann ich nicht behaupten, der Person, die mich jahrelang gemobbt hat, "verziehen" zu haben. Wenn ich diesen Menschen nie wieder auch nur aus der Entfernung sehe, ist es immer noch zu früh.
Aber ich gräme mich nicht darüber, dass ich ihr nicht verzeihen kann und ich zerbreche mir auch nicht den Kopf darüber, wie ich das schaffen soll. Manche Leute sind bei mir eben untendurch, und es ist niemandem gedient, wenn ich mir noch nach Jahren den Kopf darüber zerbreche, was sie mir angetan haben. Die können in ihre Löcher zurückkriechen und eingehen, soweit es mich interessiert.
Ich habe mir noch nicht gewünscht, etwas oder jemandem verzeihen können. Entweder die Sache war nicht so gravierend, dass man sie eben verzeihen kann oder es hat einen so sehr getroffen, dass man dies nicht verzeiht. Ich habe einen Fall mit einer guten Freundin, die sich etwas für mich wirklich schlimmes erlaubt hat. Befreundet sind wir seitdem auch nicht mehr. Ich grüße und spreche schon mal ein paar Worte mit ihr, wenn wir aufeinander treffen, aber mehr auch nicht.
Ich kann nicht verzeihen was da passiert und sie hat sich auch nie entschuldigt, also ist das der Fall für mich gegessen. Ich denke schon noch öfter daran, aber es ist auch nicht so, dass ich den Eindruck habe, dass es ihr aufrichtig leid tut und sie sich wünscht, dass dies vergessen und vergeben wird.
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wie man sich gedanklich mit Dingen beschäftigen kann, die gar nicht relevant sind für die Gegenwart oder Zukunft. Ich bin vor Jahren im Job auch mal von der damaligen Kollegin total fertig gemacht worden und das über Monate. Ich habe aber keinen Kontakt zu ihr, da ich umgezogen bin seitdem und auch den Arbeitsplatz gewechselt habe.
Welchen Sinn hat es also, dass ich die ganze Zeit an sie denke und über Vergebung grüble? Das tangiert mich doch nicht im geringsten. Die Frau ist Geschichte und ich werde sie nie wieder sehen. Ich konzentriere mich lieber auf Dinge, von denen ich langfristig was habe und sehe nicht ein, warum ich meine Energie und Zeit für Dinge verschwenden sollte, die es gar nicht wert sind.
Ich finde es hilft auch, sich klarzumachen, dass man selbst unter dem, was man anderen nachträgt, auch leidet. Wie in dem Wort vom nachtragen bildlich enthalten, weil man selbst trägt die Last dessen, was man "nach trägt", schultern muss. Dem anderen Vergeben heißt auch, selbst frei zu werden. Und das heißt ja nicht, dem geschehenen zuzustimmen oder es zu akzeptieren. Nein, aufhören, nachzutragen.
Ich muss sagen, dass ich in meinem Leben auch schon mit Situationen konfrontiert wurde, die ich nur schwer verzeihen konnte. Ich denke, es kommt immer darauf an, um was es genau geht und wie sehr man von der jeweiligen Tat betroffen war. Ich persönlich finde es wichtig, dass man sich selber nicht unter Druck setzt, Dinge zu verzeihen, die man nicht verzeihen kann oder will. Denn wenn man etwas nur vorgibt zu verzeihen, wird man innerlich damit nicht abschließen können.
Natürlich gibt es auch Dinge, die ich gerne verzeihen würde, aber es fällt mir schwer. Manchmal ist es schwer zu wissen, wie man mit bestimmten Situationen umgehen soll und wie man damit abschließen kann. In manchen Fällen hilft es, mit der betreffenden Person zu sprechen und die Dinge auszusprechen, die einem auf dem Herzen liegen. Manchmal hilft aber auch der Abstand und die Zeit, um Dinge in einem anderen Licht zu sehen und sie besser zu verarbeiten.
Ich denke, es ist wichtig zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, die man nicht verzeihen kann oder will, und dass das auch okay ist. Es ist kein Zeichen von Schwäche oder Unreife, sondern von Selbstschutz und Selbstachtung. Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, was er verzeihen kann und was nicht.
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