Sich vor Wehrdienst drücken normal?
Als es noch die allgemeine Wehrpflicht gab, habe ich in der Oberstufe immer mitbekommen, wie die Jungs nacheinander zur Musterung mussten und sich dann erfolgreich davor gedrückt haben. So wurde teilweise behauptet, man würde schlecht hören oder man hätte andere Gebrechen oder so. Man sei auf jeden Fall ungeeignet und in den meisten Fällen wurden diese jungen Männer dann ausgemustert, eben weil sie so übertrieben dramatisiert haben.
Ich persönlich kenne nur wenige, die tatsächlich freiwillig den Wehrdienst antreten wollten. Welche Erfahrungen habt ihr in diesem Punkt gemacht? Haben die jungen Männer in eurem Umfeld sich auch so vor dem Wehrdienst drücken wollen oder sind das eher Ausnahmefälle? Wie denkt ihr über Männer, die darauf keine Lust haben und das nicht machen wollen? Habt ihr von ihnen eine schlechte Meinung ("Feigling") oder findet ihr das sogar gut?
Als ich den allgemeinen Wehrdienst geleistet habe, war er in Deutschland noch Pflicht. Ich habe allerdings nochmal freiwillig um eineinhalb Jahre verlängert, nachdem der Grundwehrdienst abgeleistet war. Ich hatte auch kaum Freunde in meinem Jahrgang, die sich vor dem Wehrdienst gedrückt habe. Wenn ich heute daran zurückblicke würde ich sagen, dass mehr als 75% den Wehrdienst angetreten haben und nicht versuchten, sich davor zu drücken.
Damals waren noch die KWEAs zuständig, also die Kreiswehrersatzämter. Natürlich waren manche davon personaltechnisch nicht ganz auf der Höhe und es gab wohl auch vereinzelt welche, deren ärztliches Fachpersonal den einen oder anderen Verweigerer mit schwachsinnigen Ausreden vom Haken ließ. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Ärzte Ausreden wie ein schlechtes Gehör auch mit den entsprechenden Untersuchungen überprüften.
Zu meiner Zeit war es jedenfalls nicht so einfach, sich davor zu drücken und irgendwelche erfundenen körperlichen Gebrechen als Ausrede herzunehmen. Das wurde von ärztlicher Seite aus relativ schnell durchschaut und brachte einem eigentlich gar nichts. Deshalb fällt es mir sehr, sehr schwer zu glauben, dass viele Ärzte so dumm waren, und auf die schlechte Schauspielerei von solchen Wehrdienstverweigerern reingefallen sind.
Als Feiglinge habe und würde ich Personen, die den Wehrdienst nicht antreten wollten und wollen, übrigens nicht bezeichnen. Es ist nicht Jedermanns Sache, das ist ganz klar. Allerdings macht es für mich sehr wohl einen Unterschied, warum man nicht möchte. Hat es beispielsweise rein ethische Gründe, kann man es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren und dergleichen, dann sehe ich das ein und respektiere das.
Haben wir damals aber Männer im Bekanntenkreis gehabt, die aus purer Faulheit verweigert haben, haben wir die unseren Unmut darüber durchaus spüren lassen. Immerhin war es dann nicht das Gewissen, dass sie daran hinderte, sondern pure Faulheit oder andere dämliche Gründe. Die wurden dann nicht als "Feiglinge" sondern "Faulsäcke" beschimpft.
Wieso assoziierst du bei jemandem, der sich erfolgreich dem Wehrdienst verweigert, ein "Feigling" zu sein? Ich habe das selbst oft miterlebt und im "schlimmsten" Fall wollten die betreffenden Personen die 15 Monate (ja, einst war es mal eine lange Zeit) bzw. später das Jahr sinnvoller nutzen und in die eigene Karriere stecken (also mit dem Studium oder der Ausbildung beginnen) - und auf der anderen Seite waren es echte Verweigerer, welche die Mühen des Zivildienstes auf sich genommen hatten (zum Teil dann fast zwei Jahre!).
Ist es wirklich feige, fast ein halbes Jahr mehr zu "dienen"? Zumal man ja noch mal bedenken muss, dass damals ein Auslandseinsatz (also ein Kriegseinsatz!) eher unwahrscheinlich war. Wieso also wäre der Dienst an der Waffe etwas, was als "mutig" zu beschreiben wäre.
Dass das Drücken dann "einfach" war, hat sich erst sehr spät ergeben. Einfach zu behaupten, z.B. schwer zu hören, hätte einst mal nichts gebracht. Insbesondere in den 80er Jahren musste einem schon wirklich was fehlen - oder aber man zog nach West-Berlin. Ansonsten wurde praktisch jeder genommen.
Ich musste damals auch noch zur Musterung und habe mich auch echt angestellt. Eher, weil ich gar keinen Dienst machen wollte, als weil ich keinen Wehrdienst leisten wollte. Der Hintergrund war einfach, dass einem dadurch ein Jahr verloren geht. Und wenn du in deinem letzten Arbeitsjahr bist, denkst du dir wahrscheinlich auch, hätte ich früher mal drum herum kommen können, dann könnte ich jetzt schon zu Hause rumliegen J. Aber die haben da fast jeden genommen. So wie ich mich angestellt habe, hätten die denken müssen, dass ich blind und taub gewesen bin.
Naja, es kam dann doch anders und ich bin nur T2 gemustert worden. Ich habe dann allerdings auch den Wehrdienst verweigert. Das lag dann damals an dem Umstand, dass ich eine Freundin hatte und es war ja bequem und gemütlich zu Hause. Also habe ich keinen Grund gesehen meine Komfort-Zone zu verlassen und habe Zivildienst gemacht. Schön die 7.5 Stunden am Tag, keine Überstunden, gut war es.
Im Nachhinein habe ich mich von anderen Freunden informieren lassen, wie es denn so war und das mit der Freundin wurde übrigens auch nichts. Rückblickend hätte ich gerne dann doch den Wehrdienst gemacht, aber dafür ist es ja jetzt zu spät. Soll insgesamt heißen, ich kann die Gründe, warum man sich „drücken“ möchte durchaus nachvollziehen. Ob die nach zehn oder zwanzig Jahren immer noch so bestehen, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Ich habe meinen Wehrdienst abgeleistet. Für mich war es damals normal. Damals war gerade die Mauer gefallen und der Sinn war nicht mehr für jeden zu erkennen. Ich würde schon so weit gehen und die Verweigerer als Feiglinge zu bezeichnen. Schließlich haben wir einen demokratischen Staat, den es zu verteidigen gilt. Deshalb kann ich gerade die sunnitischen Flüchtlinge aus Syrien nicht verstehen. Meiner Ansicht nach sollte die allgemeine Wehrpflicht auch wieder eingeführt werden.
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