Sich schuldig fühlen, wenn es einem gut geht?
Ich habe mitbekommen, dass manche Menschen oft ein schlechtes Gewissen haben, wenn es ihnen gut geht, anderen aber nicht. Wenn sie beispielsweise selbst finanziell gut dastehen oder bei bester Gesundheit sind, können sie das gar nicht richtig wertschätzen und fühlen sich schlecht oder schämen sich gar oder fühlen sich schuldig, wenn es anderen ihnen nachstehenden Personen nicht gut in dieser Hinsicht geht.
Eine Freundin hatte beispielsweise auch ein schlechtes Gewissen, den schon Monate vorher gebuchten Urlaub mit ihrem Partner genossen zu haben, da ihre Schwester arbeitslos ist und sich keinen Urlaub leisten kann. Fühlt ihr euch auch manchmal schuldig, wenn es euch selbst gut geht? Wie kommt so etwas und was kann man dagegen tun, um das zu verhindern? Immerhin ist damit ja auch keinem geholfen.
Ich finde es schlimm, wenn man sich schlecht fühlt nur weil es einem anderen Menschen nicht gut geht im Umfeld. Man kann doch nicht immer alles machen oder etwas ändern, damit es anderen Menschen im Urlaub besser geht. Wenn man auf den Urlaub verzichtet weil die Schwester arbeitslos ist, hat die Schwester auch nichts davon nur man selber hat den Schaden. Man hat sich den Urlaub ja auch verdient, wenn man jeden Tag schuftet und arbeitet.
Man kann sicherlich kleine Dinge tun, damit es dann den anderen Menschen um Umfeld besser geht. Vielleicht schenkt man der Schwester einen Kurzurlaub oder so etwas oder man schenkt Gutscheine für Erlebnisse, ein bisschen etwas kann man ja für jeden Menschen tun, damit es etwas besser geht. Ein schlechtes Gewissen braucht man aber sicherlich nicht haben, jeder hat ein Recht auf Glück und ein schönes Leben.
Dann sollte man lernen, sich nicht mehr schuldig zu fühlen. Wenn die Schwester arbeitslos ist und sich keinen Urlaub leisten kann, dann muss die Schwester etwas gegen den Umstand tun. Man kann natürlich so nett sein und ihr ebenfalls einen Kurzurlaub schenken, aber beim nächsten Mal hat man wieder ein schlechtes Gewissen und fühlt sich schlecht und so trägt sich die Kette immer weiter.
Wenn es einem gut geht, dann darf man sich meiner Meinung nach auch gut fühlen. Ich wache mit Schmerzen auf und stehe dann meistens auf und denke mir, dass es schlimmer sein könnte und bin dann tagsüber trotzdem gut drauf, auch wenn es zwiebelt. Man sollte selbst lernen, das Gute was einem widerfährt anzunehmen und das ist manchmal echt schwer, besonders wenn einem immer eingeredet wurde, dass es einem nicht gut gehen darf oder dass man eh nicht gut genug ist.
Mit der Einstellung kannst du dir ja gleich einen Strick nehmen. Es gibt immer Leute, denen es besser geht, aber eben auch Leute, die gerade nicht so vom Glück begünstigt sind. Und wenn nicht im direkten Umfeld, dann eben irgendwelche Fremde. Man muss nur mit offenen Augen vor die Tür gehen und sieht alles Mögliche, vom absoluten Elend bis hin zu Leuten, die sich "nur" einen Gebrauchtwagen oder einen Urlaub auf Balkonien leisten können. Sprich, man kann entweder die Leute beneiden, die mehr haben oder sich von denen die Laune versauen lassen, die weniger haben. Was bleibt einem dann noch außer Depressionen?
Ich bin zwar auch nicht so herzlos, dass es mir komplett sonstwo vorbeigeht, wenn ich mich etwa in der Sonne aale und meine Schwester oder sonst jemand Nahestehendes liegt mit Nierenbeckenentzündung im Krankenhaus. Und wenn meine Hilfe gebraucht wird, werde ich auch nicht gerade sagen: Vergesst es, ich fliege lieber nach Mallorca! Aber das sind schließlich Extremfälle. Wenn ich mir nur dann etwas Gutes tun "dürfte", wenn es allen anderen auch mindestens so gut geht wie mir, müsste ich lange darauf warten.
Ich würde mich vielleicht schlecht fühlen, wenn es mir auf Kosten von jemand anderem gut gehen würde. Wenn ich mir den tollen Urlaub nur leisten kann weil ich die Gehaltserhöhung bekommen habe, die eigentlich dem Kollegen zugestanden hätte, wäre ich mit der Situation wahrscheinlich nicht ganz so glücklich.
Andererseits würde mich ein Schuldgefühl sehr wahrscheinlich nicht weiter bringen. Mein Verzicht auf die Gehaltserhöhung würde wahrscheinlich nicht zu mehr Geld für den Kollegen führen und die arbeitslose Schwester würde natürlich keinen neuen Job finden wenn ich meinen Urlaub nicht genieße. Zumindest meine Schwester würde es auch nicht toll finden wenn ich wegen ihr keinen Spaß in meinem Urlaub hätte.
Cloudy24 hat geschrieben:Ich würde mich vielleicht schlecht fühlen, wenn es mir auf Kosten von jemand anderem gut gehen würde. Wenn ich mir den tollen Urlaub nur leisten kann weil ich die Gehaltserhöhung bekommen habe, die eigentlich dem Kollegen zugestanden hätte, wäre ich mit der Situation wahrscheinlich nicht ganz so glücklich.
Das sehe ich genauso. Aber wie oft kommt das schon vor, dass man selbst es gut hat und andere Menschen kommen dabei zu Schaden, sodass man es direkt mitbekommt? Es werden zwar Klamotten und auch Technik unter teils unwürdigen Bedingungen hergestellt, aber das kriegt der Ottonormalverbraucher ja kaum mit, sodass man sich kaum darüber Gedanken macht, ob das neue Smartphone oder der Urlaub jetzt "verdient" sind oder man sich deswegen schuldig fühlen muss.
Ich frage mich eher, wie langweilig einem Menschen sein muss, dass man sich wegen jedem Mist ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle einreden lässt und man sich da praktisch hineinsteigert. Davon geht es anderen Menschen doch auch nicht besser. Oder was bringt es der arbeitslosen Cousine XY, wenn ich in den Urlaub fahre mit Schuldgefühlen? Davon kriegt sie doch auch nicht schneller einen Job.
Wenn ich mich immer dann schuldig fühlen würde, wenn es mir gut geht und anderen nicht, dann brauche ich nicht mehr zu leben. Denn es gibt immer und immer wieder Menschen, denen es schlecht oder wahrlich richtig dreckig geht, während es mir gut geht. Das dürfte doch auch keine wirkliche Neuigkeit im Leben eines Menschen sein. Doch sich deswegen schlecht fühlen? Dann wäre man wie bereits erwähnt gut beschäftigt.
Ich finde auch nicht, dass es mit Ignoranz zu tun hat, wenn ich mich gut fühle und dabei vergesse, dass es anderen schlecht geht. Ich bin mir durchaus bewusst, das während ich mal mehr oder weniger gutes Glück habe, dass es anderen schlecht geht. Gleichzeitig bin ich nicht in der Position ständig jemanden zu bemitleiden. Ich bin mit beruflichen Schicksalen täglich konfrontiert von Kids über Jugendliche bis Erwachsene. Da sehe ich, wem es schlecht geht und wem nicht.
Wenn man jedoch anfängt, sich selbst dann schlecht zu fühlen, wie soll ich dann eigentlich in der Lage sein, anderen zu helfen? Ich halte das fast schon für unmöglich und beruflich darf ich mich eben auch nicht direkt hängen lassen, sondern muss da tatkräftig unterstützen können, helfen können, Wege suchen und das bitte mit einem klaren Kopf und nicht aus Mitleid einem anderen Menschen gegenüber.
Ich fühle mich gut, dann ist das auch Okay so. Niemand hat zum Beispiel das Recht, mir zu sagen, aber anderen geht es schlechter. Das ist so wie das Thema zur Kindheit. Iss dein Teller auf, die Kinder in Afrika haben nichts. Das war der Satz des Jahrhunderts. Ich kann ihn nicht mehr hören. Oder wenn es jemanden schlecht geht, jammer nicht, woanders sterben Menschen. Alter ich meine geht es noch? Lasst die Leute doch auch mal jammern, das ist nicht verwerflich und lasst den Leuten doch das Glück auch mal.
Irgendwie kann man doch heute gar nichts mehr so richtig richtig machen. Die einen sagen, oh schön, dass es dir gut geht, schau mal über den Tellerrand. Andere sagen, sei mal sparsamer mit dem Essen, anderswo haben sie nichts. Ich sage ja, ich schäme mich nicht dafür, wenn es mir gut geht. Ich bin sehr wohl im Wissen dessen, dass es anderswo nicht so glimpflich aussieht und nicht jedem gut geht, aber es gibt meiner persönlichen Meinung nach keinen Grund dazu, mir das ständig auf das Butterbrot zu schmieren.
Schuldig kann ich mich fühlen, wenn mein Verhalten die Ursache davon ist, dass andere Menschen leiden. Dann sollte ich darüber nachdenken, ob ich mein Verhalten nicht ändern kann und es möglichst auch tun. Unser Umweltverhalten ist so ein Bereich, wo wir Schuld tragen und unser Verhalten dringend ändern müssen. Und auch wenn mein Verhalten nicht die Ursache des Leidens ist, macht es Sinn darüber nachzudenken, ob ich nicht etwas abgeben kann und somit weniger glücklichen Menschen helfen kann.
Wenn es mir z.B. sehr gut geht und ich fröhlich und seelisch stabil bin, kann ich vielleicht andere trösten, die gerade trauern oder Kummer haben. Oder ich kann materiell helfen, oder mit Zeiteinsatz, mit Beratung, oder, oder, oder Beides tut mir auch selbst gut, weil anderen helfen auch mich selbst glücklich macht.
Bei mir äußert sich so etwas auch manchmal. Ich habe kein Schuldgefühl, aber ich fühle mich irgendwie schlecht. Im Frühjahr sind meine Frau und ich (Wir kommen aus Bayern.) in einer Woche Urlaub, nachdem wir uns ein neues Auto gekauft haben, erst mit diesem nach Südtirol gefahren und dann nach Hamburg.
Wir sind beide in Vollzeit berufstätig und sind noch nie weggeflogen, weswegen wir uns den Urlaub wirklich verdient haben. Trotzdem habe ich mir immer wieder gedacht: "Hey, deine Eltern mussten ihr Leben lang auch nach der normalen Arbeit rackern, um sich ein Eigenheim leisten zu können und du schmeißt es für ein neues Auto und zig Urlaube hintereinander zum Fenster raus."
Da es zu Hause eigentlich immer etwas zu tun gibt, fahren meine Eltern auch jetzt noch im Urlaub nie weg und können dies auch nicht mehr seit meine Großmutter pflegebedürftig ist. Wir (meine Schwester und ich) wurden sehr sparsam erzogen und deswegen kann ich wirklich verstehen, wenn es Menschen gibt, die ähnlich wie ich ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn es "ihnen zu gut geht".
Ein Freund von mir sagt immer: "Ein Mensch ohne Arbeit geht ein." Diesen Satz kann ich nur unterstützen. Irgendwie geht es mir mit einem geregelten Tagesablauf mit Arbeit (am Besten eine, bei der ich Abends mein Tagwerk auch sehe) am Besten. Mit zu viel Überfluss und Freizeit kann ich irgendwie nicht umgehen...
Das ist so eine Sache, die ich gar nicht verstehen kann. Sicher ist es nicht schön, wenn es anderen Menschen nicht gut geht. Aber wenn es einem selber gut geht und man dann Schuldgefühle hat, dann ist doch demjenigen auch nicht geholfen, dem es nicht gut geht. Deswegen finde ich es wichtig, dass man es auch genießt, wenn es einem selber gut geht, damit man eben auch für sich Kraft daraus zieht.
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