Sich nicht über eigene Stärken und Schwächen bewusst sein?

vom 27.09.2016, 23:12 Uhr

Als ich mich mal auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet und mich diesbezüglich auch im Internet darüber informiert hatte, bin ich auf die These gestoßen, dass viele Leute sich gar nicht so recht über ihre Stärken und Schwächen bewusst sind. Das würde sich dann in Gestammel äußern, wenn diese Fragen im Vorstellungsgespräch auftauchen würden.

Ganz abgesehen davon, dass das ja eine Basic-Frage ist, mit der man immer bei einem Vorstellungsgespräch rechnen muss, kann ich es mir nicht vorstellen, wie man sich so wenig selbst kennen kann, dass man nicht über die eigenen Stärken und Schwächen Bescheid weiß. Kennt ihr das auch von euch oder wisst ihr genau, wo eure Stärken und Schwächen liegen?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Ich denke schon, dass man sich über seine Stärken und Schwächen bewusst ist, nur sieht man diese Frage in einem Vorstellungsgespräch nicht immer kommen. Ich jedenfalls hatte schon viele Vorstellungsgespräche und diese Frage wurde mir noch nie gestellt, auch wenn ich mir bewusst bin, dass das kommen könnte. Da erwischt es einen dann eiskalt von hinten, wenn diese Frage dann wider Erwarten doch kommt.

Außerdem denke ich, dass diese Frage auch immer ein bisschen trickreich ist. Denn nicht jede (wahre) Stärke und Schwäche wird auch beim Chef positiv ankommen. Wie ehrlich bleibt man da also oder wie viel wird beschönigt oder relativiert, damit es nicht so extrem klingt?

Wenn jemand zum Beispiel als Schwäche hat, dass er faul ist und sich nur schwer aufraffen kann und motivieren kann, dann sollte der das auf keinen Fall einem potentiellen Arbeitgeber beim ersten Gespräch sagen. Das macht einen verdammt schlechten Eindruck. Also denke ich, dass das Zögern an dieser Stelle eben nicht von mangelnder Selbstkenntnis kommen würde, sondern eher davon, dass man nicht weiß, was man richtig antworten soll ohne sich selbst ins Aus zu schießen. Bei Stärken ist es ja ähnlich, weil man die ja so formulieren muss, dass man nicht total arrogant und eingebildet klingt.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Gerade in Vorstellungsgesprächen geht es bekanntlich mitnichten um die Verwirklichung des philosophischen Prinzips "Erkenne dich selbst", sondern darum, sich möglichst gut zu verkaufen und den eigenen Charakter in ein möglichst positives Licht zu rücken. Wenn also jemand bei dieser Frage ins Schleudern kommt, würde ich eher daraus schließen, dass diese Person ganz schlecht lügen kann, und weniger, dass sie ihre Stärken und Schwächen nicht kennt.

Ich weiß beispielsweise nur zu gut, dass ich eigentlich nicht teamfähig bin und viel lieber mein eigenes Ding durchziehe, als jeden Furz im Kollektiv durchzuhecheln, bis auch der Letzte vergessen hat, was eigentlich das Problem war. Außerdem bin ich besserwisserisch und lasse pünktlich zum Feierabend, wann immer möglich, den Hammer fallen und haue ab. Kann ich so etwas bei einem Vorstellungsgespräch als "Schwächen" anführen? Wohl eher nicht. Deswegen habe ich wie jeder denkende Mensch die entsprechenden Ratgeber gelesen und fasele lieber etwas von "Ungeduld" oder "Perfektionismus", wenn es beispielsweise um Schwächen geht.

Aber auch auf philosophischer Ebene glaube ich eigentlich gar nicht, dass wirklich alle oder die meisten Menschen in der Lage sind, ihren Charakter und ihre Persönlichkeit so gut einzuschätzen, dass sie sich ihrer Stärken und Schwächen tatsächlich bewusst sind. Ich halte Leute, die wissen, was sie wollen und können, aber auch, wo es bei ihnen hakt und wo sie charakterliche Defizite haben, sogar eher für eine Ausnahme.

Meiner Erfahrung nach neigen die meisten Menschen eher dazu, sich selbst gnadenlos zu überschätzen und sich für wunder wie toll zu halten, während alle anderen als armselige Trottel gelten. Dass jemand eine ernstzunehmende, unattraktive Schwäche (also nicht gerade "Schokolade", sondern eher Feigheit oder Selbstmitleid) offen zugibt und daran arbeitet, kommt in meinen Augen wahrhaftig nicht allzu häufig vor.

» Gerbera » Beiträge: 11315 » Talkpoints: 48,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Täubchen hat geschrieben:Wenn jemand zum Beispiel als Schwäche hat, dass er faul ist und sich nur schwer aufraffen kann und motivieren kann, dann sollte der das auf keinen Fall einem potentiellen Arbeitgeber beim ersten Gespräch sagen. Das macht einen verdammt schlechten Eindruck.

Du hast dieses Beispiel hier angeführt aber es ist nichts schlechtes dabei wenn man faul ist und sich schwer aufraffen kann. Denn man hat das Problem an sich erkannt und kann daran arbeiten. Auch kann man so etwas verpacken, wenn man früher faul war und sich schwer aufraffen konnte aber das erkannt hat und nun daran arbeitet und wenn das noch mit einem Beispiel belegt werden kann, dann hat man den Jackpot bereits gezogen für das Vorstellungsgespräch. Denn es geht nicht darum, dass man sich selbst an den Pranger stellt mit seinen Schwächen die man hat, sondern was man daraus gelernt hat und wie man diese angegangen ist, damit man sie hinterher in den Griff bekommen hat oder auch in eine Stärke verwandelt hat.

Täubchen hat geschrieben:Bei Stärken ist es ja ähnlich, weil man die ja so formulieren muss, dass man nicht total arrogant und eingebildet klingt.

Auch hier geht es um die Selbstdarstellung und man darf dabei auch seine Stärken hervorheben, aber damit es Glaubhaft wird und nicht arrogant und eingebildet klingt, belegt man es mit handfesten Beispielen und schon hat es eine ganz andere Wirkung als wenn man einfach nur leere Behauptungen in den Raum stellt mit "ich bin der beste und größte auf Erden".

Im Prinzip geht es nur um die Verpackung was man daraus macht. Aus jeder noch so üblen Schwäche kann man ein schönes Geschenk machen im Vorstellungsgespräch und dieses auch benutzen. Das mache ich nicht anders und es ist menschlich, dass jeder seine Schwächen hat. Es geht dem potentiellen Arbeitgeber aber nicht darum ob man schlecht in Fremdsprachen ist, sondern ob man sich selbst Reflektieren kann und sich der Schwächen bewusst ist. Denn nur wenn man sich dieser auch bewusst ist, dann kann man daran arbeiten und diese auch verändern, wenn es nicht vorher schon eingetreten ist.

Ich habe jedes meiner Vorstellungsgespräche sehr genau vorbereitet und dazu gehörte auch das selbst Erkennen von Stärken und Schwächen. Dabei kann man auch andere zu Rate ziehen, wenn man selbst nicht weiter kommt wie man als Person gesehen wird und das dann verwenden. Gerade die Stärken fallen meistens noch leicht, bei den Schwächen hapert es dann aber. Und wenn jemand nicht vorbereitet ist und anfängt zu stammeln, dann zeigt es mir nur, dass die Vorbereitung nicht gründlich genug war und in dieser Hinsicht bereits eine Schwäche besteht. Darauf spreche ich auch Bewerber an, die dann doch sehr verlegen sind wenn sie dabei "ertappt" worden sind von jemanden, der gerade einmal 10 Minuten vor ihnen sitzt und bereits eine der persönlichen Schwächen aufzeigen kann.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Vielleicht ist es auch so, dass man in einem Vorstellungsgespräch sehr aufgeregt ist und einem dann nicht so schnell eine passende Antwort einfällt.Oder aber man ist nicht aufgeregt, hat aber trotzdem genau in diesem Moment keine passende Antwort parat, weil man ja auch noch ein wenig darüber nachdenkt, was man sagen könnte, um sein Gegenüber zu beeindrucken oder eben gerade der Kopf leer ist.

Bei mir ist es auch so, dass ich eigentlich ziemlich genau weiss, was ich gut oder schlecht kann, mir aber manchmal nichts einfällt, wenn ich gefragt werde (selbst, wenn ich nicht aufgeregt bin). Wir saßen neulich auf einem Elternabend und sollten sagen, was unser Kind am liebsten macht. Mir ist nichts eingefallen, obwohl ich im Nachhinein gedacht habe, dass ich komplett blöd bin, weil meine Tochter doch zu Hause den ganzen Tag malt und auch sehr gut darin ist. In dem Moment war es einfach nicht in meinem Kopf abrufbar - warum auch immer.

Genau so ist es doch, wenn jemand fragt, was man sich zum Geburtstag wünscht. Eigentlich kann man jede Menge Dinge gut gebrauchen aber wenn dann die konkrete Frage nach einem Wunsch auftaucht, fällt einem nichts ein.

Ich finde es schon etwas gemein, wenn man sagt, dass es sich im Gestammel äußert, wenn man sich seiner Stärken und Schwächen nicht bewusst ist. Es kann 1000 Gründe haben, warum einem gerade keine Antwort einfällt.

» Sandra980 » Beiträge: 1011 » Talkpoints: 12,41 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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