Sich mit dem Chef ebenbürtig fühlen angebracht?
Als ich noch studiert habe, habe ich in einem Institut als Werkstudentin gearbeitet. Dieses Institut gehörte zur Universität und so kam es eben, dass der Institutsleiter ein Professor gewesen ist. Dieser hatte dann auch Wissenschaftliche Mitarbeiter eingestellt für seine Projekte und für die Lehre.
Eine Frau war damals offiziell als Wissenschaftliche Mitarbeiterin eingestellt worden, war aber eigentlich eine Professorin. Im Gegensatz zum Chef hatte sie ihre Professur "verdient", während der Chef nur eine Honorarprofessur erhalten hatte. Dementsprechend fühlte sich diese Frau auch immer dem Chef absolut ebenbürtig und bezeichnete ihn eher als Kollegen, eben weil beide eben Professoren waren. Beide haben auch immer alles abgesprochen und gemeinsame Entscheidungen getroffen, wenn es ums Institut ging.
Findet ihr es angemessen, wenn ein Mitarbeiter sich dem Chef quasi ebenbürtig fühlt, obwohl er von der Position im Unternehmen eigentlich niedriger gestellt ist? Oder findet ihr das von der Frau aus dem oben genannten Beispiel sogar angemessen und legitim? Den Chef hat das damals übrigens nie gestört und er hat sie immer als gleichberechtigte Partnerin betrachtet, auch wenn sie nie seine Stellvertreterin oder so gewesen ist, was die Institutsleitung anging.
Natürlich sollte man seinen Chef immer als Respektsperson betrachten. Aber nur weil er der Chef ist, ist er ja kein besserer oder schlechterer Mensch als man selbst. In dem Fall ist es ja so, dass beide mehr oder weniger die gleichen beruflichen Titel haben, da ist es sicherlich etwas anders. Allerdings würde ich mich da trotzdem nicht als Chef aufspielen, aber das hat die Professorin ja anscheinend auch nicht gemacht. Wenn dem so wäre, fände ich das doch unangebracht. Sie ist zwar Professorin, aber untersteht in dem Fall eben einem anderen Professor. Ich denke, dass man das dann so akzeptieren muss, ansonsten darf man so eine Stelle nicht annehmen.
Ich denke, es kommt auf den Einzelfall an. Manche Unternehmen haben niedrige Hierarchien oder tun zumindest so, sodass sich alle Mitarbeiter duzen und der Chef auch mal das Altpapier entsorgt, aber letzten Endes finde ich, dass man sich schon darüber bewusst sein sollte, wer hier wen eingestellt hat und im Zweifelsfall auch wieder feuern kann. Hier gelten natürlich an Hochschulen wieder andere Spielregeln als in gewinnorientierten Unternehmen oder bei Jobs, in denen es wichtig ist, wer wem was anzuschaffen hat. Spontan fällt mir hier das Militär mit seinen Rängen ein.
Menschlich gesehen habe ich mich meinen diversen Chefs auch immer ebenbürtig gefühlt und genauso offen mit ihnen gesprochen wie mit meinen Kolleginnen aus den niederen Rängen oder dem Hausmeister. Das hat auch nicht jedem Chef gefallen - ein paar haben die Arschkriecherei wohl schon vermisst. Aber letzten Endes war schon immer klar, wer hier die Entscheidungen trifft und auch die Konsequenzen tragen muss, aber dafür auch das große Eck-Büro mit Besprechungsplätzchen bekommt und monatlich mehr auf dem Konto vorfindet als ich. Aber das finde ich eigentlich auch ganz in Ordnung.
Mit akademischen Titeln zu protzen und zu vergleichen, wer jetzt seine Bezeichnung mehr "verdient" hat, und daraus Schlüsse auf Ebenbürtigkeit zu ziehen, finde ich übrigens eher albern. Bei mir in der Arbeit kommt es auf nichts weniger an als darauf, ob man ein Dr., ein Prof. Dr. Dr. oder nur ein M.A. ist. Irgendeinen Titel schleppt hier jeder mit sich herum, und im Endeffekt kommt es darauf an, dass man seine Arbeit gut macht. Das gilt für die Leitungsebene genauso wie für die Putzkolonne, aber dafür wird eben auch niemand verachtet, weil er oder sie keine 10 Jahre an der Uni vertrödelt hat.
Wie bei so vielem denke ich auch hier, dass es einfach auf die Situation ankommt. In der beschriebenen Situation kann ich es schon nachvollziehen, dass diese Professorin sich nicht als Untergebene betrachtet hat, sondern vielmehr als Kollegin. Es kommt natürlich auch immer darauf an, wie der Chef dann reagiert. Dem Chef scheint es nichts ausgemacht zu haben.
Wenn ein Chef das aber anders sieht, dann ist man schon gut beraten, es nicht so hervorzukehren, dass man sich als ebenbürtig betrachtet. Auch sonst ist es einfach sinnvoll, dem Chef gegenüber respektvoll aufzutreten, aber das sollte man natürlich nicht nur dem Chef gegenüber. Wenn man auch eine gewisse Verantwortung übernimmt, dann verstehe ich es auch, dass man sich unter Umständen dem Chef vielleicht ebenbürtig fühlt.
Ich finde man sollte seinen Chef immer mit Respekt behandeln und sich nicht mit ihm auf eine Stufe stellen. Es ist immer noch der Chef, da muss man sich nicht versuchen mit ihm auf eine Stufe zu stellen oder auch noch besser wirken zu wollen, Abschluss hin oder her, das finde ich dann schon egal. Ich würde mir es nie herausnehmen mich einem Chef gegenüber so zu verhalten. Ich meine, wenn dieser auf mich zukommt, mir das Du anbietet und freundschaftlich mit mir umspringt, würde mich auch dementsprechend verhalten, aber sonst sollte man den Chef als solchen anerkennen.
Warum nicht? Wir sind alle nur Menschen, egal ob wir nun das letzte Glied in der Kette sind oder auch ganz am Anfang sind. Deswegen ist man noch lange nicht besser oder schlechter und auch jemand aus den unteren Reihen kann gute Vorschläge haben an die oben noch nicht gedacht worden ist und damit auch eine Hilfe sein.
Entsprechend kotzt es mich an, wenn jemand aus falscher Scham nicht zum mir kommt und mich als etwas besseres sieht als sich. Ich bin nichts besseres als meine Reinigungsfachkraft und wenn diese ein Anliegen an mich hat, dann kann sie damit auch an mich treten ohne gefressen zu werden. Sie kann sich dabei als Mensch und Kommunikationspartner mir auch ebenbürtig fühlen, daran ist nichts falsches wie auch ihre Ansichten einbringen. Aber nur weil ich mehr Geld verdiene, für die Entscheidungen zuständig bin und das nette Eckbüro habe, muss ich es noch lange nicht in die Tat umsetzen was mir gesagt wird oder mich befehligen lassen. Gleiches ist aber auch umkehrt, natürlich gibt es Anweisungen von mir, aber die beziehen sich auf die Arbeit und nicht auf den Menschen der dahinter steckt und sie verrichtet, da sind alle gleich und können sich auch so fühlen.
Warum ist es also schlimm, wenn man sich auf die gleiche Stufe stellt wie der Chef? Kann man doch gerne tun, solange man damit niemanden auf den Schlips tritt. Solange man mir nicht von der Seite Anweisungen gibt die ich zu machen habe weil Person X das so möchte aber andere Faktoren nicht berücksichtigt, dann ist das etwas anderes als wenn jemand mit einem Vorschlag kommt oder einer Bitte wie man den Arbeitsablauf verbessern könnte oder gar optimieren. Respekt kann man auch haben wenn man auf der selben Stufe steht oder sich so sieht.
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