Sich gut verkaufen für Job, den man gar nicht haben will?
Eine Freundin von mir hat den Abschluss in der Tasche und ist aktuell auf Jobsuche. Da sie auch bei der Arbeitsagentur gemeldet ist, bekommt sie ständig Angebote, wo sie sich eben bewerben soll. Sie hat dann auch eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bekommen bei einer Firma, wo sie gar nicht arbeiten wollte. Die Konditionen waren einfach unattraktiv, der Lohn miserabel, die Aufgaben anspruchslos. Ihr hat der Job so gar nicht zugesagt, wurde aber dennoch zum Vorstellungsgespräch eingeladen.
Jedenfalls meinte sie, dass sie dann bewusst alles falsch gemacht hätte, was man bei einem Vorstellungsgespräch falsch machen könnte, weil sie keine Lust hatte, so einen miserablen Job ausüben zu müssen. Sie hat dann sogar die schweren Geschütze aufgefahren und von einer tickenden biologischen Uhr gesprochen und dass es ja für sie als Frau Zeit wäre, Nachwuchs zu bekommen. Im Endeffekt hat sie dann eine Absage vom Unternehmen bekommen und traurig war sie nicht darüber. Sie hat sogar eher befürchtet, dass sie von der Arbeitsagentur dazu gezwungen werden könnte, diesen Job anzunehmen, gerade wenn die Firma sie haben möchte.
Präsentiert ihr euch immer von eurer besten Seite bei einem Vorstellungsgespräch, auch wenn ihr den Job gar nicht haben wollt? Oder tendiert ihr auch dazu, den potentiellen Arbeitgeber bewusst zu vergraulen, wenn der Job so gar nichts für euch wäre, ihr aber praktisch gezwungen seid, euch zu bewerben und zum Vorstellungsgespräch zu gehen?
Ich finde das so unverschämt und verlogen, wenn man dann noch die Zeit vom Personalsachbearbeiter so dermaßen in Anspruch nimmt. Was ist so schwer daran zu sagen, dass man kein Interesse an diesem Job hat und sich nur bewerben musste, weil die Arbeitsagentur das so gewollt hat? Damit kann man das direkt abkürzen, man war da, hat den Nachweis und musste kein Schauspiel abliefern. Und jemand der so ehrlich zu mir ist, den verpfeiffe ich auch nicht beim Arbeitsamt aber die eine Show hier abziehen und mir die Arbeitsagentur das als geeigneten Kandidaten vorschlägt, da spreche ich durchaus ein paar ernste Takte mit dem Vermittler, ob dieser noch alle Tassen im Schrank hat.
Damit wirft man aber auch direkt ein negatives Licht auf alle anderen die danach kommen, die auch von der Arbeitsagentur geschickt worden sind und vielleicht ernsthaftes Interesse an dem Job haben, aber sich weniger gut verkaufen können und ein Fettnäpfchen nach dem anderen mitnehmen. Meine Zeit habe ich auch nicht gestohlen, aber wenn mir jemand solche Geschichten auftischt dann beende ich das Gespräch auch, bedanke mich dafür nicht sondern sage auch direkt, dass man sich das hätte sparen können und einfach sagen was Tatsache ist.
Solche Bewerber hatte ich auch schon vor mir sitzen und wenn man diese darauf hinweist, dass ihr Verhalten grundsätzlich unehrlich und verlogen ist, dann werden sie sehr klein und diese Namen behalte ich auch in meinem Kopf, wenn diese in einigen Jahren wieder ankommen auf eine Stelle und die dann ernsthaft haben wollten, würden sie nicht beachtet werden aufgrund ihres Schauspiels und meiner verschwendeten Zeit im ersten Kennenlernen.
Aber zu mir selbst, mir fällt es schwer mich zum Affen zu machen und in solch einem Licht zu präsentieren, als wenn ich der letzte Depp mit zwei linken Händen bin, nur eine Gebärmaschine und außer Kinder werfen nichts zustande gebracht habe in meinem Leben. Das ist wesentlich anstrengender und würde mehr Vorbereitung brauchen, als wenn ich mich einfach so präsentiere wie ich bin und auch wenn ich den Job nicht haben will, muss ich mich dennoch nicht wie eine offene Hose verhalten.
Mir hat das immer gereicht, dass ich mich darstelle wie ich bin und ich offen angesprochen habe, dass der angebotene Job nicht das ist was ich mir vorgestellt habe aufgrund Gehalt, Arbeitszeiten usw. einfach nüchtern und sachlich die Fakten herangezogen, da war keiner beleidigt, keiner eingeschnappt und oftmals hat das auch schon gereicht, das am Telefon zu erklären nachdem die Einladung gekommen ist zum Vorstellungsgespräch und das direkt zu canceln.
Denn die Arbeitsagentur selbst kann dich auch nicht zwingen, dass du jeden Job annimmst wenn er dir nicht zusagt und wenn du Absagst, dann solltest du zwar begründen können warum aber die Fakten niedriges Gehalt, Rahmenbedingungen nicht optimal oder auch nicht vereinbar z.B. mit Kinderbetreuung, reichen schon aus damit sie als plausibel anerkannt werden. War das im Vorfeld auch schon bekannt, dann habe ich auch gar keine Bewerbung dazu abgeschickt sondern das Rückmeldeformular mit "habe mich nicht beworben weil" abgeschickt und da hat auch nie jemand geweint. Nur weil man das automatisch geschickt bekommt, ist man noch lange nicht verpflichtet sich auf diese zu Bewerben.
Man muss Bewerbungen abgeben, soweit richtig aber diese Stellen kann man sich auch selbst suchen und das Angebot mit dem zusenden ist nur ein kleines Extra. Wie man so blöd sein kann und glaubt, dass das eine Pflicht ist und man muss sich dort bewerben nur weil der Zettel mal wieder kam, ist mir echt schleierhaft. Das heißt für mich, dass nicht mal das ausgehändigte Merkheft gelesen worden ist, geschweige denn, dass man jemals seine Eingliederungsvereinbarung gelesen hat die nicht mal 2 Seiten lang ist. Und das kann ich von jemand mit Abschluss in der Tasche schon erwarten, dass er zum lesen in der Lage ist und das in einfachem Deutsch geschriebene, dann auch begreift was da steht.
Ich finde das Verhalten der Freundin dem Personaler gegenüber tatsächlich auch nicht die allerbeste Art. Ich habe allerdings keine weitere Erfahrung, wie es denn auf dem Arbeitsamt abläuft, wo man sich bewerben muss, wenn man etwas vorgeschlagen/vorgegeben bekommen und was für Infobroschüren da wie aufklären. Daher würde ich von dem Teil der Diskussion Abstand nehmen und eher hinterfragen, warum man den Job denn nicht annehmen würde.
Wenn ich Student bin und gerade meinen Abschluss mache oder habe und nichts finde, ist das eine blöde Situation. Umso blöder ist sie, je länger man nichts findet und de facto arbeitslos ist. Wenn die Lücke auf dem Lebenslauf dann immer größer und größer wird, kann ich mir vorstellen wird es auch im selben Maße schwieriger was zu finden. Die Zeit geht weiter. Bei einem technischen Hintergrund hat sich dann eventuell schon viel getan, das man nicht mitbekommen hat, sofern man sich nicht aktiv informiert.
Ich würde alles annehmen, was ich angeboten bekäme. Im schlimmsten Fall kündigt man nach einem Jahr, wenn man eine neue Stelle in Aussicht hat, die einem dann gefällt. So hat man dann aber schon was Geld, was man verdient und die Lücke auf dem Lebenslauf ist nicht so groß. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die gesamte Situation dann nicht so frustrierend wäre.
Und gerade wenn man weiß, dass man den Job nicht unbedingt will, kann man ohne Druck in so ein Gespräch gehen. Vielleicht entwickeln sich ja dann Gespräche, die man vorher nicht für möglich gehalten hat und evtl. hat das auch Einfluss auf die Konditionen, die einem angeboten werden. Ich würde mich auf jeden Fall nicht auf Teufel komm raus daneben benehmen.
Dann entweder mit der Wahrheit raus kommen oder es bleiben lassen. Noch so ein Punkt bei der Wahrheit ist, dass wenn die unattraktiven Angebote beim Personaler angesprochen werden, kann dieser eventuell da etwas gegensteuern. Je nach Größe des Unternehmens geht das vielleicht sogar recht schnell, sodass man dann plötzlich doch besser weg kommt, als man gedacht hat. Auf jeden Fall besser, als sich eine Chance für immer zu verbauen.
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