Sich gern auch mal etwas unbescheiden geben?

Es gibt ja Menschen, die zeigen sich gern auch mal etwas unbescheiden und der Möglichkeiten dazu gibt es ja einige. Sei es am reichlich gedeckten Buffet, bei der Planung des eigenen Häuschens oder der Anschaffung eines Neuwagens oder auch um mit Prahlerei auf sich aufmerksam zu machen. Kennt ihr solch eine Unbescheidenheit von euch oder anderen Menschen? Wie und wodurch hat sich diese ausgedrückt?

Also wenn ich unbescheiden bin, dann äußere ich das nur in einem hochironischen Ton. Also wenn ich beispielsweise etwas leckeres gekocht habe und mein Freund mich dafür lobt und auch sagt, wie gut es ihm geschmeckt hat und wie gut ich doch gekocht hätte, sage ich gerne hochironisch "Ich weiß."

Ich verknüpfe Unbescheidenheit viel lieber mit Ironie, weil ich das einfach besser finde und weniger arrogant, sofern der Adressat die Ironie auch versteht. Unbescheidenheit passt nicht wirklich zu meiner Art und echte Unbescheidenheit schreckt mich eher ab. Ich habe das bei meiner Mutter zu oft gesehen, die auf mich dadurch extrem arrogant und eingebildet gewirkt hat.

Ich muss sagen, dass ich eigentlich ein sehr bescheidener Mensch bin und mich auch selten nur mal unbescheiden gebe. Aber dein Beispiel mit dem Buffet ist schon gut. Wenn jemand zur Arbeit etwas mitbringt und ich sehe, wie ein Kollege sich dann reichlich davon nimmt, dann bin ich auch nicht mehr so bescheiden, weil ich dann nämlich davon auch nichts mehr abbekommen und mich später darüber ärgern würde.

Ich persönlich habe gelernt, stets bescheiden zu sein und halte das auch für absolut sinnvoll. Ich lasse deutlich lieber Taten als Worte sprechen. Große Töne spucken kann ja schließlich jeder Mensch, der gelernt hat zu sprechen. Von Angeberei kann man sich nur wenig kaufen und unsympathisch finde ein solches Verhalten zudem auch.

Das soll aber natürlich nicht heißen, dass man nicht auch mal von seinen Erfolgen berichten kann. Solange man bei der Wahrheit bleibt und nichts erfindet, ist das vollkommen legitim.

Wieso sollte es "unbescheiden" sein, wenn ich mir eine Wohnung oder ein Auto nach meinem Geschmack kaufe? Nur weil die Nachbarn der Meinung sind, es sei zu protzig für das Gehalt einer Sachbearbeiterin, oder weil ich sie nicht um Erlaubnis gefragt habe, bevor ich zur Bank marschiert bin? Es steht doch letzten Endes niemandem ein Urteil darüber zu, ob ich "bescheiden" genug bin, wenn ich mein eigenes Geld ausgebe.

Und am Buffet beispielsweise würde ich auch nicht von Unbescheidenheit sprechen, wenn ich mir von den Speisen, die ich mag, soviel nehme, wie ich essen kann, solange mein Teller nicht eklig aussieht und ich davon ausgehen kann, dass regelmäßig nachgelegt wird. Und falls dann doch die letzten fünf Frühlingsröllchen zufällig in mich hinein fallen, macht mich das nicht zu einem moralisch fragwürdigen Menschen.

Man merkt, ich finde den Begriff "Bescheidenheit" ebenso wie sein Gegenteil ziemlich vieldeutig und schwammig, weil er so sehr vom sozialen Kontext abhängt. Kann man also "unbescheiden" sein, wenn niemand in der Nähe ist, der das Verhalten mitbekommt? Und ist man wirklich ein besserer Mensch, wenn man sich beim Buffet zurückhält und dafür beispielsweise dem Kellner kein Trinkgeld gibt?

Ich selber halte mich insofern für bescheiden, als dass ich nicht der Meinung bin, die Welt habe sich nur um mich zu drehen. Auch in meinem Lebensstil bin ich relativ pflegeleicht oder auch anspruchslos, was man auch als bescheiden ansehen kann. Aber wenn es beispielsweise um meine Leistungen im Job oder auch bei privaten Hobbys geht, lasse ich mir schon lange nicht mehr die Butter vom Brot nehmen und zeige gerne, was ich kann. Wenn man mir dies als Unbescheidenheit auslegt, kann ich auch nicht helfen. Oft genug spricht hier sowieso nur der Neid.