Sich dafür schämen, etwas zu mögen?

Wenn ich etwas mag oder gerne mache, dann stehe ich dazu. Es kann schon sein, dass mir manches etwas unangenehm ist und ich es als kleines Laster ansehe, aber ich sehe keinen Grund darin, etwas heimlich zu machen oder nicht dazu zu stehen. Jeder hat ja das eine oder andere Laster.

Meine Freundin steht unheimlich auf Chicken Nuggets, was sie aber ungern zugibt. Deshalb ist sie diese meistens heimlich. Nuggets sind ja nicht nur ungesund, sondern was da für Fleisch verarbeitet wird, ist ja auch fraglich - zumindest dann, wenn man sie sich nicht selbst macht, sondern bei irgendwelchen Fastfoodketten oder im Supermarkt abgepackt kauft.

Schämt ihr euch, irgendetwas gerne zu mögen oder etwas gerne zu machen, weil ihr Angst habt, wie die Reaktionen der anderen darauf sein könnten? Neigt ihr aus dem Grund dazu, manche Sachen nur heimlich zu machen oder zu essen oder ist euch das völlig egal?

Ich würde nicht sagen, dass ich mich wirklich für Dinge schäme, die ich gerne mag. Allerdings habe ich bei einigen Hobbies und Interessen schon die Erfahrung gemacht, dass diese bei anderen Leuten meines Alters auf Unverständnis und sogar auf Belächelung stoßen, sodass ich schlichtweg nicht jeder Person gegenüber gleichermaßen offen preisgebe, was ich in meiner Freizeit gerne mache und was meine "guilty pleasures" sind.

Beispielsweise habe ich mich vor allem früher sehr für Animes und Mangas interessiert, selber mit viel Engagement in dem Stil gezeichnet und sogar ein paar Mal gecosplayt. Ich kann auch heute noch die meisten Pokémon der ersten Generationen auswendig benennen. Die japanische Jugend- und Popkultur hat insbesondere in der älteren Generation ja leider einen ähnlichen Ruf weg wie die Gamerbranche, und man bekommt oft vor den Latz geknallt, dass man "wohl zu viel Zeit" und ein Problem der Unterscheidung zwischen "Fantasiewelt und Realität" hätte, weil man sich in diesen Kreisen bewegt. Auch kursieren Gerüchte, dass es in sämtlichen japanischen Trickserien sowieso nur um rohe Gewalt oder um sexualisierende Inhalte geht. Daher muss in meinen Augen einfach nicht jeder, der noch dazu eventuell ein verzerrtes Bild dieser Sparte hat, davon wissen, dass ich auch heute noch an dem ein oder anderen Bereich interessiert bin.

Ein anderer ganz banaler Aspekt sind Kuscheltiere. Ich liebe meine Plüschis über alles und sammele auch immer noch neue. Meine Seite des Bettes zuhause quillt über vor putzigen Tierchen, und manch einer würde wohl behaupten, dass ich längst aus dem Alter herausgewachsen bin, in dem das noch adäquat ist. Ich spiele nicht mehr aktiv mit ihnen und spreche auch nicht zu ihnen, aber ab und an blödele ich einfach etwas damit herum oder betrachte glücklich meine Sammlung. Nur, weil ich so etwas gerne mag, bin ich ja nicht irgendwo im geistigen Alter von 12 stehengeblieben und unfähig, meinen Erwachsenenalltag zu bestreiten, auch wenn das von extern gerne mal so beurteilt wird.

Ich "schäme" mich schon seit der Pubertät nicht mehr für meine Vorlieben und Interessen. Mir sind genug miesepetrige und langweilige Zeitgenossen begegnet, die zu wirklich jedem Hobby, Zeitvertreib, Lieblingsessen oder vielleicht etwas kindischem Spieltrieb nur dumme, abwertende Kommentare abgeben können. Wenn es nach denen geht, müsste ich mich sogar dafür schämen, als Hobby "Lesen" anzugeben, weil in ihren Augen alles Zeitverschwendung darstellt, was auch nur ansatzweise Spaß macht. Dann kann ich gleich bei Cosplay einsteigen.

Das heißt aber umgekehrt natürlich nicht, dass ich allen und jedem gleich meine Marotten und Launen unter die Nase reibe. Viele Leute glauben anscheinend, dass man sich nur dann nicht für etwas "schämt", wenn man seine Begeisterung bei jeder Gelegenheit aggressiv zur Schau stellt, Poster am Arbeitsplatz aufhängt und auf der Betriebsweihnachtsfeier dem Seniorchef zum Thema K-Pop oder Buddha Bowls stundenlang das Ohr abkaut.

Ich bin generell ein privater Mensch und erfreue mich daran, zu tun, was ich will, ohne die anderen Leute damit zu belästigen. Wenn jemand allzu sehr damit hausieren geht, dass er oder sie sich ja überhaupt nicht dafür schämt, dieses oder jenes zu tun, ist das nämlich auch nur ein Zeichen dafür, die Anerkennung der Umwelt zu brauchen.

Ich muss gestehen, dass mir die Scham bei einigen Dingen abhanden gekommen ist. Ich schlafe mit einem Plüschtier, da stehe ich dazu. Ich brauche mein Lieblingskissen zum Einschlafen? Das ist auch okay. Ich mag Chicken Nuggets? Ja, das tue ich, sehr sogar. Genauso mag ich Ziegenkäse, veganen Brotaufstrich und fettige Raclette-Kartoffeln. Nur Nudeln sind nicht so mein Ding. Aber für Vorlieben bei Nahrungsmitteln schäme ich mich wirklich nicht mehr.

Genauso bei den Hobbies. Ich kann es zwar nicht offen kommunizieren, aber wirklich schämen tue ich mich für meine Hobbies nicht. Ich mag 10-Kilometer-Gewaltmärsche, ich mag es mir alle drei Monate neue und sogar bunte Turnschuhe zu kaufen. Ich stehe auf Sailor Moon. Ich mache gerne selbst Schmuck, ich stricke, ich liebe es Bilder mit Glitzerpulver zu verschönern (die Katze manchmal auch).

Ich habe teilweise festgestellt, dass man gar nicht mehr so schief angeschaut wird, wenn man zu außergewöhnlicheren Hobbies steht. Es wird immer Leute geben, die blöde Kommentare vom Stapel lassen oder einem das Gefühl geben, irgendwo "hängengeblieben" zu sein. Aber diese Leute sollte man meiner Meinung nach einfach stehenlassen.

Es war bei mir damals ein Drama, als ich kritisiert wurde, weil ich auf Sailor Moon stehe. Ich habe teilweise geheult. Mein Partner kam dann an und meinte, ich solle gepflegt auf diese Leute "scheißen" und brachte mir zwei Sailor Moon Poster an. Von daher sollte man sich nicht schämen. Ich gucke bestimmt auch jemanden mal komisch an, wenn er mit einem außergewöhnlichen Hobby ankommt, aber andererseits akzeptiere ich ihn schon irgendwo und vielleicht ist das Hobby gar nicht mehr so schlimm, wenn man es sich dann mal selbst angeschaut hat.

Die Scham läuft doch im Prinzip immer auf das Gleiche hinaus: "was werden denn die Leute sagen?". Vielleicht kommt heute manchmal noch ein schlechtes Gewissen dazu, weil man eigentlich genau weiß, das gewissen Produkte für Umweltzerstörung, Massentierhaltung, moderne Sklaverei und so weiter verantwortlich sind, aber in der Regel geht es um die Bewertung durch andere.

Diese Art von Denken habe ich noch nie verstanden. Wenn ich etwas tue, das niemandem schadet bzw. höchstens mir selber, dann ist die Meinung "der Leute" doch total irrelevant. Warum sollte ich mir dafür schämen, dass ich gerne Schrottfilme mit Freunden anschaue wenn sich meine Mitmenschen nicht mal dafür schämen, dass sie Menschen, Tiere und Umwelt ausbeuten?

Und was das schlechte Gewissen angeht, in dem Fall überdenke ich mein Verhalten tatsächlich und versuche Alternativen zu finden.

Lange Zeit war ich wenig selbstbewusst. Da hatte ich das Problem, dass ich mich wegen jeder Kleinigkeit schnell geschämt habe. Ich habe mir selber auch nichts zugetraut. Heute kann ich darüber lachen, denn mir ist die Meinung anderer Menschen total egal. Sollen sie sich doch über mich lustig machen, es interessiert mich nicht. Ich finde es vollkommen falsch sich zu verleugnen und sich wegen Sachen zu schämen, die man gerne hat. Das sollte so nicht sein.

Ich habe ja schon als Jugendlicher begonnen, mich für klassische Musik zu begeistern, aber das war damals unter den Gleichartigen absolut uncool. Ich weiß noch gut, dass ich mich für meinen Musikgeschmack immer geschämt habe und bin deswegen der Frage nach meinen Lieblingsliedern immer ausgewichen. Zum Teil habe ich sogar behauptet, dass ich gar keine Musik hören würde. Heutzutage ist das zum Glück entspannter geworden. Zum einen, weil sich die meisten Leute nicht für meinen Musikgeschmack interessieren, und zum anderen hat klassische Musik für mich als Erwachsenen nicht mehr den Peinlichkeitsfaktor von damals.

Ich schäme mich für keines meiner Vorlieben oder Hobbies. Ich bin Mitte 40 und sitze sowohl gerne mit der Playstation als auch mit dem PC und dabei ist es egal um welches Spiel es geht. Ich kann mir ebenso gut mir Ego-Shootern wie auch mit dem Landwirtschaftssimulator die Zeit vertreiben. Auch die Sportarten denen ich nachgegangen bin, könnte man für manche vielleicht sehr leicht abtun. Ich habe jahrelang Dart in einer Liga gespielt, auch wenn das als Kneipensport eher als Saufgelage verschrien wird, habe ich mich da schon richtig rein gehangen. Tägliches Training um dann auch immer besser zu werden, war da für mich sehr wichtig.

Zum anderen Spiele ich seit fast 30 Jahren Basketball, auch wenn dabei meine Größe immer belächelt wird, bin ich deswegen nicht weniger erfolgreich in dem was ich tue. Die Altersgruppen klaffen dabei sehr weit auseinander, was mir dann schon hier und da mal einen Spruch einbringt.

Würde man mir heute eine Tüte mit Lego auf den Tisch legen, würde ich auch nicht lange brauchen, bis ich anfange was zu bauen. Auch Zeichnen tue ich verdammt gerne. Manchmal kommt dabei sogar was richtig gutes raus, ist aber dann immer sehr stark abhängig von meiner Motivation. Auch wenn man meine Lebensgefährtin und mich sieht, würde man nicht unbedingt davon ausgehen, dass wir schon in dem Alter sind, da wir eigentlich für jeden Mist zu haben sind und untereinander ziemlich viel rum blödeln.

Wir sind halt beide der Auffassung, dass das Leben ernst genug ist, also sollte man soviel Spaß wie möglich haben. Wir finden es sogar eher sehr schlimm, wenn man sich versucht altersgerecht zu verhalten, oder darf man keinen Spaß mehr an den Dingen haben, nur weil man ein bestimmtes Alter überschritten hat? Wir finden sowas sehr schlimm. Von daher schäme ich mich nicht für das was ich tue. Das bin ich und das macht mich eben auch aus.