Sich als Chef gegen Verkürzung von Ausbildung wehren?
A hat das Abitur in der Tasche und möchte eine Ausbildung machen. Nun hat A sich informiert und dabei erfahren, dass er unter diesen Umständen die Ausbildung verkürzen könnte. Bei seiner angestrebten dreijährigen Ausbildung wäre durch das Abitur eine Verkürzung um 12 Monate auf insgesamt 2 Jahre möglich. Wenn er dann noch einen Notenschnitt erreichen sollte, der 2,49 oder besser ist, könnte er die Abschlussprüfung sogar nach 18 Monaten Ausbildungszeit absolvieren.
Nun hat er aber etwas gehört, was ihn verunsichert hat. So soll es Arbeitgeber geben, die nicht einverstanden sind mit der Verkürzung der Ausbildungsdauer und sich dann dagegen sperren und darauf bestehen, dass die drei Jahre Ausbildungszeit vollständig "abgesessen" werden. Stimmt das? Wenn ja, kann sich ein angehender Azubi dagegen wehren oder muss man sich danach richten, was der Chef möchte?
Also erst einmal abwarten und Tee trinken, danach weiter sehen. Soll heißen, er hat ja noch gar keinen zukünftigen Ausbildungsbetrieb gefunden. Schade, dass es ein Lehrbetrieb sein muss. Ein duales Studium ist doch um einiges lukrativer, auch für seine Zukunft. Wenn es denn eine normale Ausbildung sein muss, würde ich sie auch im normalen Tempo absolvieren.
Denn für ihn müssten ja irgendwelche Ausnahmen gemacht werden. Außerdem finde ich, dass es einen großen Unterschied macht, ob er praktische Kompetenzen in anderthalb oder in drei Jahren erwirbt. So ein junger Mensch ist ja im Arbeitsleben weitestgehend unerfahren. Und es ist doch eine große Chance in diesen regulären drei Jahren so viele Kompetenzen wie möglich zu erreichen.
Wie ich schon in einem anderen Thema schrieb, werden bei meinem Arbeitgeber fast nur Abiturienten ausgebildet. Und diese absolvieren alle eine Lehrzeit von drei Jahren. Und ich denke, das tut allen auch gut und sie reifen in dieser Zeit zu kompetenten Mitarbeitern heran. Eine Ausbildung ist immer eine große Chance und sollte keineswegs als lästige Pflicht angesehen werden, die abzusitzen ist.
Die erste Frage, die mir das durch den Kopf schießt, warum möchte A unbedingt auf 2 Jahre verkürzen oder sogar nach Möglichkeit auf 1,5 Jahre? Nur damit A danach schneller das große Geld verdient? Hat A mal daran gedacht, das es nicht nur auf die Leistungen in der Berufsschule ankommt, sondern die praktische innerbetriebliche Ausbildung ebenso dazu gehört, wo die Kenntnisse und Fertigkeiten, die man in der Schule lernt auch in die Praxis umgesetzt werden müssen?
Diese sind je nach Ausbildung manchmal deutlich wichtiger als ein paar Noten aus der Berufsschule. Betriebliche Abläufe müssen ebenfalls sitzen, es wird A wenig helfen, wenn er zwar theoretisch gute Noten hat, aber dafür die Praxis nicht beherrscht und gerade bei einer Verkürzung auf 1,5 Jahre stellen das dann potentielle zukünftige Arbeitgeber deutlich in Frage, ob die Praxis in ausreichendem Umfang vermittelt werden konnte. Denn kein Ausbildungsbetrieb (mit Ausnahme entsprechender Tarifverträge) ist verpflichtet einen Auszubildenden nach der Ausbildung zu übernehmen und dann steht A da, sucht eine neue Stelle und jeder zukünftige Arbeitgeber weiß, das in der Praxis viele Punkte noch nicht vermittelt wurden oder nur unzureichend und holt sich damit jemanden ins Haus, der zumindest teilweise angeleitet werden muss, wie ein Auszubildender, aber der ein volles Gehalt verlangt.
Ich halte ebenfalls nichts davon, das A von vornherein auf eine so massive Verkürzung pocht, wo er noch nicht einmal weiß, wie er mit dem Stoff klar kommt. Ich habe das schon mehr als einmal erlebt, das sehr gute Schüler plötzlich in der Ausbildung und auch in der Berufsschule anfangs Probleme hatten sich einzufinden, die Noten schlechter wurden und sie erstmal eine gewisse Umstellungszeit benötigten, die Umstellungszeit war da oft zwischen 6-10 Monate, meist haben sie sich danach wieder sehr gut gefangen und die Noten in der Berufsschule und auch die Leistungen im Betrieb wurden deutlich besser. A müsste in der Zeit dann aber schon seine Zwischenprüfung schreiben, die in vielen Ausbildungsberufen mit in die Endnote eingeht. Die Basis dafür ist denkbar ungünstig.
Ehrlich gesagt empfehle ich A ganz dringend, erstmal die Ausbildung anzufangen, zu schauen, wie er dann zurecht kommt und dann eine Verkürzung anzustreben (falls er das dann überhaupt noch möchte), dieser Weg ist absolut üblich und ich kann diesen auch sehr empfehlen. Wir handhaben das bei unseren Auszubildenden ebenfalls so, das diese eben erstmal mit einem 3-jährigen Ausbildungsvertrag anfangen und dann gemeinsam geschaut wird, ob eine Verkürzung Sinn macht und auch ob der Auszubildende das überhaupt noch wünscht. 75% unserer Auszubildenden möchten dann aber die Verkürzung plötzlich nicht mehr, weil sie merken, das sie so wie es aufgestellt ist viel lernen, ausreichend Zeit haben sich mit Themen zu beschäftigen und auch die Theorie und Praxis entsprechend vermittelt wird.
Wenn er dann immer noch meint er müsse unbedingt verkürzen und sein Chef will das dann trotz guter Leistungen immer noch nicht, dann hat er die Möglichkeit sich mit Unterstützung der Berufsschullehrer an die IHK zu wenden und die Verkürzung anzustreben.
Das Arbeitgeber oder in diesem Fall Ausbilder nicht immer begeistert davon sind, wenn ihre Auszubildenden ihre Zeit verkürzen wollen ist nachvollziehbar. Immerhin rechnet der ausbildende Betrieb ja eine bestimmte Zeit mit einer billigen Arbeitskraft, welche dann ein halbes Jahr früher wegfällt. Wenn der Auszubildende mit dem Gedanken spielt die Ausbildung eventuell zu verkürzen, sollte er sich von vorneherein auch einen ausbildenden Betrieb suchen, welche damit einverstanden wäre, sofern seine Leistungen dies erlauben.
Die Argumente einiger Vorredner, ihm würde die praktische Erfahrung fehlen, lässt darauf schließen, dass diese noch nie eine Ausbildung gemacht haben oder schlechte Leistungen gebracht haben. Meist ist nicht der praktische Teil das Problem. Wenn es danach ginge könnte man die meisten Ausbildungen nach einem Jahr beenden. Das Hauptproblem besteht für die meisten Auszubildenden den theoretischen Teil der Ausbildung ein halbes Jahr früher soweit drauf zu haben, dass eine Prüfung abgelegt werden kann. Es fehlt ja ein halbes Jahr der schulische Teil. Dieses Wissen muss sich also in Eigenregie angeeignet werden. Also nach einem anstrengen Arbeitstag, welcher für die Auszubildenden genau so anstrengend ist wie für normale Angestellte und neben dem normalen Lernen für die Berufsschule noch mehr Freizeit darauf zu verwenden, sich zusätzliches Wissen anzueignen.
Den Antrag auf Ausbildungsverkürzung reicht der Auszubildende selbst bei der zuständigen Stelle (zum Beispiel Industrie- und Handelskammer bzw. Handwerkskammer) ein. Beizulegen sind Bescheinigungen von der Berufsschule und seines Ausbildungsbetriebes, in welchem die überdurchschnittliche Leistung bestätigt wird. Sollte der Ausbildungsbetrieb sich querstellen, kann sich der Auszubildende bei einem Ausbildungsberater der zuständigen Stelle Hilfe holen.
Grundsätzlich würde ich dem Auszubildenden raten, sich vorher zu informieren, ob der ausbildende Betrieb eine grundsätzliche Abneigung gegen eine eventuelle Verkürzung hat. Es ist für das Ausbildungsverhältnis nicht gerade förderlich und schön wenn das Verhältnis zwischen Chef und Auszubildenden gestört ist.
M. Mizere hat geschrieben:Die Argumente einiger Vorredner, ihm würde die praktische Erfahrung fehlen, lässt darauf schließen, dass diese noch nie eine Ausbildung gemacht haben oder schlechte Leistungen gebracht haben. Meist ist nicht der praktische Teil das Problem. Wenn es danach ginge könnte man die meisten Ausbildungen nach einem Jahr beenden.
Tja, ganz weit gefehlt. Ich habe sowohl selber eine Ausbildung absolviert und das auch mit einer guten Abschlussnote, als auch viele Auszubildende bereits betreut und vor allem auch in der Praxisphase mit ausgebildet und gerade in der Praxisphase haben wir bei den meisten Auszubildenden die Defizite gemerkt, nicht in der Theorie, die Noten waren abgesehen von der bereits genannten Anfangszeit, anschließend wirklich in einem guten Bereich, so das alles nur auf Grund der Noten hätten verkürzen können.
Ich habe meine Ausbildung von vornherein auf 2,5 Jahre verkürzt bekommen, mein Ausbildungsbetrieb hat das so vorgeschrieben. Dafür waren wir dann auch sofort in der Klasse mit der 2,5 jährigen Ausbildung und nicht mit den 3 jährigen. In meinem Betrieb gab es dann jemanden der auf 2 Jahre verkürzt hat und der ist dann nach dem ersten Berufsschulblock in die 2 jährige Klasse gewechselt, die im ersten Block den Stoff genau parallel zu uns bearbeitet haben. Also nix da mit die Theorie in Eigenregie lernen.
Allerdings weiß ich sehr wohl, dass dies heute je nach Berufsschule und je nach Ausbildung und vor allem auch je nach Zeitpunkt, wann die Verkürzung der Ausbildung beantragt wird, vorkommen kann und dann die Auszubildenden manchmal von der Berufsschule komplett im Regen stehen gelassen werden. Da wird dann die Klasse gewechselt und erst in der neuen Klasse merken sie, welchen Stoff sie nacharbeiten müssen, anstatt das dies von den Lehrern benannt wird oder das diese Tipps geben.
Ich bleibe eindeutig dabei, das der praktische Teil das größere Problem ist, wenn man zu massiv verkürzt, gerade im kaufmännischen Bereich (Industriekaufleute, Bürokaufleute etc.), denn man wird eben nicht nur in einem Bereich ausgebildet, sondern in unterschiedlichen Abteilungen, wo man immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt wird, wenn der Ausbildungsbetrieb auch vernünftig ausbildet. Da sind Strukturen und Prozesse zu lernen, Zusammenhänge mit anderen Tätigkeiten oder Auswirkungen die bestimmte Handlungen haben, Umgang mit Kunden, Lieferanten, Kollegen, gesetzliche Bestimmungen die im Betrieb im speziellen greifen (die nicht von der Berufsschule abgedeckt werden), Betriebszusammenhänge und dann auch immer wieder gerne neue Computerprogramme oder zumindest die Unterschiede die in den einzelnen Abteilungen vorherrschen und das ganze natürlich in 3,5 Tagen in denen man im Betrieb ist, ach ja und die sollen auch angewendet werden und nicht das das Wort schon mal gehört wurde.
Jemand der zunächst in der Personalabteilung war, anschließend ins Rechnungswesen geht und dann in den Vertrieb fängt bis auf das Basiswissen der Gesamtorganisation in jeder Abteilung fast bei 0 an. Das aber zu der Ausbildung noch ein paar Abteilungen mehr gehören kann man da ja mal vernachlässigen.
Der Ausbildungsrahmenplan darf dabei natürlich auch nicht aus den Augen gelassen werden und diese Punkte müssen auch immer mit gelehrt werden. Das alles soll in einem Jahr vernünftig vermittelt werden, damit der Auszubildenden anschließend eigenständig arbeiten kann und das nicht nur mit dem Wissen einer Abteilung, sondern auch das Zusammenhänge erkannt werden? Am besten noch in einem anderen Betrieb, von dem man noch gar nichts weiß und wo die Prozesse anders sind, klappt bestimmt hervorragend, wenn einem der Blick für Zusammenhänge fehlt.
So, jetzt mal meine ganz praktischen Erfahrungen mit der Verkürzung der Ausbildung in einem Kleinbetrieb. Die Berufsschule konnte mir nicht helfen, weil es keine Klassen für Verkürzende gibt. Ich hatte den Unterricht des ersten und zweiten Jahres, das dritte Jahr musste ich allein lernen.
Das war in den allgemeinbildenden Fächern gar kein Problem, das war nichts neues. Rechnungswesen, Labor und besonders Fachkunde waren aber ganz andere Nummern. Mein Chef hatte einen Steuerberater und das Mahnwesen war ausgelagert. Also durfte ich in Eigenregie T-Konten malen und die Lohnbuchhaltung lernen.
Unser Labor war glücklicherweise sehr gut ausgestattet, da hatten viele andere in meiner Klasse nur die Schule. Auch der Operationssaal war zum Glück besser ausgestattet als beim Durchschnitt. Deshalb kannte ich mehr Instrumente aus dem Alltag und Inhalationsnakosen und Monitorüberwachung waren nicht nur Schulwissen. Außerdem hat der Chef mich Dinge, die eigentlich ausgelagert waren, üben lassen wie Blutausstriche anfärben und auszählen.
Aber praktische Erfahrungen hatte ich natürlich nur am Kleintier und an eigenen Pferden. Und da fehlte nun ganz viel Unterricht. Kühe, Schweine, Schafe und Geflügel war dann Selbststudium. Solche tollen Übungen, wo man eine Stoffkuh mittels Seilkonstruktion zum Liegen bringt oder wie man ein Schwein fixiert, sind dann eine Herausforderung in der praktischen Prüfung. Auf der Maschine schreiben war auch fies. Eine Stunde pro Woche ist da echt wenig und wenn ein Jahr fehlt.
Ohne einen Chef, der mehr praktische Erfahrungen und mehr Ausstattung zu bieten hatte als viele andere Praxen, und Abläufe geändert hat, damit man Dinge üben kann, die sonst ein Fremdlabor erledigt, wäre es erheblich schwieriger geworden. Außerdem fällt mir das Lernen leicht.
Es hat meistens gute Gründe wenn ein Arbeitgeber das nicht möchte und auch nicht mitmacht. Denn nicht alle lassen sich im Vorfeld darauf ein sondern wollen auch erst einmal anschauen, was derjenige auf der Pfanne hat. Zeugnisse alleine und Noten sagen meistens wenig aus, was der andere dann praktisch kann.
Ich habe auch meine eigene Firma und bilde auch in verschiedenen Berufen inzwischen aus. Viele tauchen auf und wollen direkt verkürzen wenn sie mir ihr Zeugnis vorlegen und ich sage von Anfang an dazu nichts zu. Ich will mir erst anschauen, wie derjenige arbeitet, wie er lernt und solche Dinge bevor ich das entscheide und vor dem ersten abgeschlossenen Lehrjahr geht da rein gar nichts mit verkürzen bei mir.
Die Anträge kann man immer und jederzeit stellen, aber das setzt dann auch voraus, dass der Azubi es drauf hat, alleine in der Lage ist Selbststudium zu betreiben und auch der Typ dafür ist. Denn was bringt es mir, wenn ich den Azubi dann nach 2 Jahren zur Prüfung angemeldet habe, er durch fällt und ich ihn dann ohnehin weitere Zeit bei mir habe als Azubi und ihn erneut auf die Prüfung vorbereiten muss? Doppelten Aufwand und auch Mehrkosten, von daher will ich mir auch sicher sein, dass derjenige es schafft und hinterher auch etwas kann und nicht nur einen Zettel in der Hand hat, dass er nun Beruf XY gelernt hat.
Ich verstehe auch nicht, wie manche meinen, dass man das nur vorher alles machen kann. Normalerweise hat man 3-6 Monate Probezeit am Anfang an, ist diese herum dann findet auch normalerweise das erste Gespräch statt wie derjenige sich gibt und auch zeigt. Ist derjenige ein Überflieger, dann wird das auch manchmal von sich aus angeboten aber auch Azubis haben diese Angebote bereits ausgeschlagen und sind bei der Vollzeitform und 3,5 Jahren geblieben, da sie einfach mehr praktische Erfahrung so sammeln können unter der Ausbildung oder auch nicht neben ihrem Privatleben die Zeit hätten, nun alles im Selbststudium dual zur Ausbildung zu erlernen. Denn auch Azubis haben teilweise schon Familie und Kinder und schaffen das dann nicht oder trauen sich das nicht zu, oder wollen eben auch, dass die Familie noch etwas von ihnen hat.
Wenn jemand schon viele praktische Erfahrungen hat, dann kann das bestimmt manchmal sinnvoll sein. Beispielsweise wenn jemand eine Kfz-Lehre macht und schon vorher an Autos gebastelt und geschraubt hat, dann weiß er ja viel Praktisches schon und müsste das nur auf eine professionelle Ebene heben. Da braucht er vielleicht nicht die übliche Ausbildungszeit.
Vielleicht sollte man da am besten fragen, wenn man seine Vorstellungsgespräche führt und das nicht gleich festlegen, also nicht sagen "ich will gerne verkürzen", sondern fragen, was der Chef darüber denkt, ob es möglich wäre usw.
Zitronengras, ein Azubi kann bei entsprechenden Noten die Ausbildung immer verkürzen. Den Antrag stellt der Azubi selbst, die zuständige Kammer hört beide Seiten an. Sperrt sich der Chef dann ohne Grund, kann man trotzdem verkürzen. Besser ist natürlich eine vorherige Absprache, das könnte auch die Übernahme sichern. Und die ist manchmal mehr wert als ein paar Monate weniger Ausbildungszeit.
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