Selbstmordversuch belächeln - gute Methode zur Heilung?

vom 16.12.2014, 22:32 Uhr

Eine sehr gute Freundin von mir hat eine Schwester, die sie sehr selten sieht. Die Schwester wohnt bei ihren Großeltern in Polen, da wo meine Freundin ursprünglich herkommt. Die Familie ist zwar schon vor der Geburt der Kinder nach Deutschland ausgewandert, allerdings hat die Schwester Probleme gehabt und man hat anschließend entschieden, dass die Mutter mit ihr überfordert ist und sie zu ihren Großeltern ziehen soll.

Meine Freundin hat mir dann auch erzählt, dass es vor einigen Jahren zu einem vermeintlichen Selbstmordversuch gekommen ist. Damals hat ihre Schwester Streit mit ihren Großeltern gehabt, da diese ihr nicht das Geld für ein Auto geben wollten und außerdem gefiel es ihnen auch nicht, dass sie eine Beziehung zu einem Afroamerikaner pflegt. Die Schwester hatte sich dann sehr improvisatorisch am Handgelenk die Haut aufgeschnitten, natürlich so, dass verbluten quasi unmöglich war. Außerdem hatte sie fünf Ibuprofen geschluckt.

Anschließend war das Szenario dann wohl so gestaltet worden, dass ihre Großeltern darauf aufmerksam wurden und mit ihr ins Krankenhaus gefahren sind. Die Wunde musste aber nicht genäht werden und der Magen brauchte auch nicht ausgepumpt zu werden. Für meine Freundin war klar, dass dies ein sehr kläglicher und lächerlicher Versuch war, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Hätte ihre Schwester sich wirklich umbringen wollen, dann hätte sie schon Möglichkeiten gefunden, denn der Opa ist Tierpräparator und es steht im Haus einiges herum, womit ein Selbstmord bestens möglich wäre.

Meine Freundin und auch ihre Eltern haben sich daher dazu entschieden den Versuch zu belächeln und nicht ernst zu nehmen. Sie sehen darin nur eine alberne Geste und keinen Hilferuf. Ich selbst sehe das auch so, allerdings weiß ich nicht, wie man auf so was am besten reagiert. Angst vor einem wirklichen Selbstmord hätte ich nicht, aber ich würde anstelle der Eltern und Großeltern irgendwie dafür sorgen wollen, dass die Schwester mal erwachsen wird und sich entsprechend benimmt. Stattdessen wurde aber nichts unternommen und die Schwester wurde sogar ausgelacht.

Tatsächlich ist ihr Benehmen seither besser geworden und die Eltern meinen, dass es daher kommt, dass sie ihr keine Beachtung geschenkt haben, als sie Theater gemacht hat. Denkt ihr auch, dass ignorieren und belächeln das beste ist, was man bei einem derart kläglichen Selbstmordversuch machen kann? Wird eine Person dadurch wirklich erwachsener? Ich hätte das Kind wahrscheinlich zu einem Psychologen geschickt oder so und auf jeden Fall etwas mehr Strenge an den Tag gelegt. Kleine Kinder schreien rum, wenn sie nicht kriegen was sie wollen und große Kinder drohen mit Selbstmord. Das geht wirklich zu weit. Wie würdet ihr handeln?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Crispin hat geschrieben:Sie sehen darin nur eine alberne Geste und keinen Hilferuf.

Dem Satz entnehme ich, dass allen Beteiligten klar ist, dass Selbstmordversuche Hilferufe sein können. Nun, das können sie nicht, wenn der Versuch im Tod endet. Daher sind die Hilferuf-Selbstmordversuche naturgemäß nicht tödlich und werden auch so veranstaltet, dass sie bestimmt nicht im Tod enden.

Ich habe in meiner Jugend selber zwei Selbstmordversuche unternommen. Der erste war mehr als lächerlich. Ich habe Baldriantabletten genommen. Da ich keine Wirkung verspürte, habe ich es einfach gelassen, habe die Nacht durchgeheult und habe weitergemacht. Letztlich habe ich aber eben einen zweiten Versuch unternommen. Mit den Epilepsietabletten meiner Schwester.

Ich habe nach acht Tabletten den Entschluss gefasst, dass es einen anderen Ausweg geben muss. Aber ich bin am nächsten Morgen nicht aufgewacht und meine Eltern haben mich ins Krankenhaus gebracht. Ich war nicht in Lebensgefahr, mir wurde auch nicht der Magen ausgepumpt. Aber klingt das nicht nach einem gewissen Maß an Verzweiflung?

Ich verstehe nicht, warum man einen jungen Menschen, der immerhin schon so verzweifelt ist, dass er solche Gedanken hat, nicht ernstnimmt. Es ist doch klar, dass irgendetwas nicht stimmt. Das ist kein glücklicher Mensch. Warum kann man da nicht mal darüber reden?

Ich nehme stark an, dass sich ihr Verhalten gebessert hat, weil sie etwas fatalistisch wurde. Ihre Großeltern haben ihr gezeigt, dass sie sie nicht ernstnehmen. Warum sollte sie also durch rebellisches Verhalten und andere Methoden versuchen, an ihrer Beziehung zu den Großeltern und an ihrem Leben etwas zu ändern? Denn nichts anderes wurde doch versucht. Sie war unglücklich. Keiner hat ihr zugehört, worüber sie unglücklich war. Daher hat sie, wie es Jugendliche nun mal machen, trotziges Verhalten gezeigt. Bis hin zum Selbstmordversuch.

Da selbst das nichts geholfen hat, wird wohl nichts helfen. Sie hat aufgegeben. Dann bringt sie eben noch die paar Jahre hinter sich, bis sie ausziehen kann. Und in der Zeit kann sie ruhig nett sein, weil es so am einfachsten zu ertragen ist. Denn ändern lässt sich eh nichts. Das wurde ja bewiesen.

Also ich finde es ganz falsch, auf so einen Hilferuf nicht einzugehen. Das Mädchen wurde im Stich gelassen. Ich würde bei meinem Kind ganz anders reagieren.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich denke, dass man diesen vermeintlichen Selbsttötungsversuch sowohl als alberne Geste als auch als Hilferuf ansehen kann. Ich weiß nun nicht, wie alt die betreffende Person ist, aber bei einer Jugendlichen oder gar einer erwachsenen Person würde ich davon ausgehen, dass ihr deutlich bessere Methoden für eine Selbsttötung einfallen als kleine Ritzereien am Handgelenk und der Konsum von wenigen Schmerztabletten. Daher würde ich die von dir geschilderte Aktion auch nicht unbedingt als richtigen Selbsttötungsversuch werten. Es wirkt schon recht unbeholfen, zumindest nach deinen Schilderungen. Dass man diese Aktion dann albern findet, kann ich durchaus nachvollziehen.

Ein Hilferuf ist das Ganze aber ganz sicher. Die Schwester deiner Freundin hat offensichtlich einige psychische Probleme und benötigt sicher auch Hilfe, um aus dieser Situation wieder herauszufinden. Vermutlich will sie nicht wirklich sterben, denn sonst hätte sie sicher auch einen Weg gefunden, sich das Leben auf effektive Weise zu nehmen. Aber sie wollte sicher dennoch auf sich und ihre schlechte Verfassung aufmerksam machen, in der Hoffnung, dass ihr jemand hilft. Scheinbar ist sie selbst nicht stark genug, um sich selbst aktiv Hilfe zu suchen, daher hat sie wohl gehofft, dass ihre Familie ihr helfen und ihre Signale richtig deuten wird.

Dass man so einen kleinen, aussichtslosen Selbstmordversuch eher belächelt, bleibt sicher nicht aus. Allerdings finde ich es nicht ganz glücklich, dem Betroffenen dies auch zu signalisieren. Man kann diesen Versuch natürlich übertrieben finden, gerade auch aufgrund der stümperhaften Ausführung. Aber man sollte ruhig auch den Hilferuf sehen, der sich dahinter versteckt. Sofern jemand nicht monatlich einen solchen „Versuch“ unternimmt und die scheinbaren Selbsttötungsversuche als Mittel benutzt, um einfach nur Aufmerksamkeit zu erlangen, sollte man durchaus hinterfragen, wo diese Anwandlungen herkommen – und gegebenenfalls eben auch schauen, dass man dem Betroffenen eine professionelle Hilfe verschafft.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich finde es ehrlich gesagt eine dreiste Frechheit solche Sachen einfach so abzutun und zu belächeln. Das hatte sicherlich einen tieferen Sinn für sie und dann einfach so darüber einen Spaß zu machen ist wohl das Schlimmste, was man machen kann, weil es ihr nicht weiterhelfen wird.

Es ist ein Hilfeschrei, wenn man so etwas macht. Auch wenn es nur ein sehr schlechter Versuch war ist es dennoch ein Schrei der Seele, die nicht auszudrücken vermag was los ist. Man muss so etwas meiner Meinung nach immer Ernst nehmen, egal wie blöd es gelaufen ist. Ein Hilfeschrei ist eben auch ein Hilfeschrei und man weiß durchaus wie man es richtig macht, aber man will die Hilfe, weil man Angst vor dem eigenen Tod hat.

Meiner Meinung nach hätte man nachfragen sollen, was nicht in Ordnung ist, was ihr fehlt und sie auch zum Psychologen schicken müssen. Vielleicht hat sie ja auch andere Probleme, über die sie nicht immer reden mag, weswegen man ihr aber auch helfen muss.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



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