Seitensprung, der vor Jahren passiert ist, verzeihen?
Mein Onkel hat meiner Tante gebeichtet, dass er vor 20 Jahren fremd gegangen ist. Das alles kam irgendwie raus, weil die damalige Affäre wohl ein Kind bekam und mein Onkel ein potentieller Vater war und das nun erwachsene Kind seine Wurzeln sucht. Aber der Vaterschaftstest war negativ und er ist nicht der Vater.
Meine Tante und mein Onkel sind zur Zeit getrennt, weil meine Tante einfach nicht weiß, wie sie damit umgehen soll. Einen Seitensprung zu verzeihen wäre für sie für sie gar nicht das Problem, sondern eher, dass er sie 20 Jahre angelogen hat, bzw. etwas verschwiegen hat, was sehr wichtig war. Wenn es durch dieses Kind nicht herausgekommen wäre, hätte er wohl niemals was gesagt und mit so einer Lebenslüge hätte er dann weiter gelebt und das kann sie ihm nicht verzeihen.
Auf der anderen Seite sagt sie sich, dass es immerhin 20 Jahre her ist und er hat beteuert, dass es das einzige und erste Mal gewesen ist, dass er fremd gegangen ist. Könntet ihr das verzeihen? Würde euch auch diese Lüge mehr stören als das Fremdgehen? Wie würdet ihr nach 20 Jahren reagieren?
Mich stört die Lüge an sich mehr als der Umstand, dass mein Partner fremdgegangen ist. Ich bin nicht nachtragend, ich wäre nur enttäuscht, aber wenn die Beziehung innig und gut läuft, dann könnte ich über einen solchen Fehler schon hinwegsehen. Ich würde mich zwar auch erst einmal zurückziehen, aber wenn mein Herz mir sagen würde, dass ich diesen Mann trotzdem weiterhin lieben kann, dann würde ich verzeihen. Aber es kommt auf die Umstände an.
Es wird ja immer gesagt, dass man nur fremdgeht, wenn einem etwas in der Beziehung irgendwie fehlt. Ich denke schon, dass das zumindest teilweise zutrifft, aber ehe man das Vertrauen des Anderen schädigt, sollte man vielleicht miteinander reden. Aber diese Geschichte ist nun bei deiner Tante gut zwanzig Jahre her. Wie gesagt, ich hätte auch ein Problem mit der Lüge an sich. Dann soll man es mir lieber direkt sagen und mich schnell und schmerzhaft verletzen und mir Zeit zum Aufarbeiten geben, als zu schweigen.
Ich würde nach zwanzig Jahren Beziehung auch erst einmal schlucken. Dann würde ich mich auch zurückziehen und mich erst einmal wieder besinnen müssen. Schließlich sind zwanzig Jahre eine lange Zeit und ich würde erst einmal die Jahre Revue passieren lassen. Dann würde ich wahrscheinlich das Gespräch suchen und nachfragen, was der Grund damals gewesen ist und ob es nicht doch noch Andere gegeben hat. Ich komme mit der Wahrheit in einer Beziehung klar, egal wie weh sie tun kann. Oder man hätte für immer schweigen sollen.
Die Sache ist ja, dass der Mann den richtigen Zeitpunkt verpasst hat, um den Seitensprung zu beichten. Er hätte es ganz am Anfang gestehen sollen, hat es aber aus Angst wohl nicht gemacht. Später hat er dann wahrscheinlich für sich selbst damit abgeschlossen und warum hätte er das denn auch sagen sollen? Man kann natürlich damit argumentieren, dass es nie zu spät ist, so etwas zu sagen, aber meiner Meinung nach ist die Chance quasi vertan, wenn man so etwas nicht direkt sagt. Was für einen Sinn soll das Ganze haben, wenn man das beispielsweise nach 20 Jahren sagt? Es ist ja klar, dass die Beziehung eigentlich gut weitergegangen wäre. Indem die Sache nun aber raus ist, muss die Frau überlegen, ob sie die Beziehung überhaupt noch möchte. Dazu wäre es nie gekommen, wenn sie die Wahrheit nie erfahren hätte.
Das bedeutet für mich nicht, dass man Seitensprünge grundsätzlich nicht beichten sollte. Das sollte man immer, aber eben direkt nachdem es passiert ist und nicht später. Später ist die Chance für mich vertan und man kann das Ganze einfach nicht mehr richtig für sich entscheiden, wenn so viel Zeit vergangen ist, ohne sich von dem beeinflussen zu lassen, was nach dem Seitensprung alles passiert ist. Und das sind in dem Fall 20 Jahre Beziehung.
Dass der Mann die Frau so lange mit der Ungewissheit, Lüge oder was auch immer hat leben lassen, finde ich gar nicht so schlimm. Es ist eben Vergangenheit und wieso hätte er auch nur ein Jahr später damit auspacken sollen? Da wäre es für mich auch zu spät. Die 20 Jahre Ungewissheit zählen für mich in dem Sinne also nicht. Für mich zählen eher die Tatsachen, dass er eben fremdgegangen ist und dass er nicht direkt etwas gesagt hat. Wenn man das verzeihen kann, spielt alles weitere für mich keine Rolle.
Im Grunde genommen würde ich auch immer sagen, dass ich einen Seitensprung nie verzeihen würde, wobei die Beziehung in dem Fall ja aber 20 Jahre super gelaufen zu sein scheint. In so einem Fall würde ich mich wahrscheinlich doch zusammenraufen. Mir ist klar, dass man wahrscheinlich nicht direkt so tun kann, als wenn alles in Ordnung wäre, aber so eine stabile Beziehung sollte so etwas bestimmt aushalten können.
Das ist eine ganz schwerwiegende Sache und zwar nicht unbedingt nur wegen den Seitensprung an sich, sondern wegen der Zeit, die vergangen ist und vor allem hat er es ja scheinbar nicht mal freiwillig gebeichtet, sondern weil der vermeintliche Sohn oder die vermeintliche Tochter wissen wollte wer der Vater ist.
Ich weiß auch nicht, wie ich da reagieren würde. Meine Beziehung basiert auf Ehrlichkeit und zwar vollkommener Ehrlichkeit, ich weiß Dinge über meinen Mann, die sonst keiner weiß, er weiß solche Dinge von mir und er weiß auch, dass er alles beichten kann und wir darüber reden würden. Solche Seitensprünge können vielleicht vorkommen, dann stimmt was in der Beziehung nicht und man muss sehen was man wieder hinbekommt. Allein das würde mich schon extrem verletzten, aber sicherlich ist das irgendwie machbar, aber wenn man dann so lange belogen wird, dann fehlt mir irgendwie eine gute Grundlage.
20 Jahre sind einfach mal verdammt lange und da ist doch die Frage, ob er es irgendwann dann doch noch von alleine erzählt hätte. Eine solch lange Beziehung sollte einem schon auch etwas wert sein und ab dem Geständnis stellt man ja alles in frage. Wie viel hatte er denn noch nebenbei am laufen? War es wirklich nur das eine nachweisliche Mal? Das würde mich nervlich killen.
Mit so etwas würde ich noch eine Paartherapie versuchen, aber ich denke, dass das alles nicht so leicht zu klären ist, weil einfach Grundlagen der Beziehung zerstört wurden und das wegen ein bisschen Spaß. Es wäre ja auch anders gewesen, wenn er das ohne das Kind gestanden hätte, eher.
Ich finde fremdgehen tatsächlich schon sehr schlimm. Ich führe monogame Beziehungen und mache dies auch klar. Niemand wird von mir also gezwungen, sich mir entsprechend unterzuordnen und wer diese Art der Beziehung aus unterschiedlichsten Gründen nicht führen kann, gar will, der hat die freie Entscheidung, sie nicht einzugehen. Das natürlich schon einmal an dieser Stelle allgemein gesagt.
Nun wird also nach 20 Jahren vertuschen gesagt: “Hör mal du, ich bin dir vor 20 Jahren fremdgegangen und es könnte ein Kind entstanden sein“. Der Schlag in die Fresse ist für mich hier gleich dreifach vorhanden und ich erkläre gerne wieso. Erst einmal das Fremdgehen an sich, welches mich zutiefst enttäuschen würde, aber im Anschluss daran folgt dann schon die Wut. Die Wut darüber, dass man auch noch ohne Verhütungsmittel fremdgegangen ist, was gleichzeitig fahrlässig mir gegenüber als Person ist. Denn, ob er sich da Krankheiten eingefangen hat, weiß ich nicht und ich hätte angesteckt werden können.
Der dritte Aspekt ist indes der, dass man mir zwanzig Jahre lang dreckig ins Gesicht gelogen hat. Man war problemlos in der Lage, mir einen „Fauxpas“ seinerseits für zwanzig Jahre zu verheimlichen und ist offenbar auch nur aus Zwang bezüglich der möglichen Vaterschaft damit herausgerückt. Auf keine erdenkbare Weise kann man diesen Bruch meines Vertrauens wieder gut machen und ganz gleich wie toll die Ehe/Beziehung war, sie ist für mich in jedem Fall sofort beendet.
Unweigerlich muss ich mich einfach fragen, wie oft hat er noch gelogen und wo lügt er eigentlich die ganze Zeit. Ich würde ihm kein einziges Wort mehr glauben, sodass auch allein aus diesem Grund die Beziehung für mich absolut unbedeutend wird. Ich bin da auch sehr rigoros, egal wie lange und welche Gefühle ich habe, ich beende das ohne Kompromisse, packe die Klamotten und führe mein Leben danach als gäbe es den Ex nicht. Ist nicht das erste Mal und wer so mit Vertrauen spielt, verdient es auch nicht anders.
Wie gesagt ich gehe bei Fremdgehen ohnehin keine Kompromisse ein und bei derartigen Vertrauensbrüchen umso weniger. Ich bin mir als Mensch zu wichtig als das ich mir das gefallen lassen würde und mir ist dafür die Zeit auch zu kostbar.
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