Schweigen als verschwendete Zeit ansehen?
Ich kenne jemanden, der sehr gerne und viel redet. Er sagt selbst von sich, dass er es als verschwendete Zeit betrachtet zu schweigen. Es gäbe so viel über das man reden könnte und auch sollte.
Ich unterhalte mich auch durchaus gerne mal. Aber ich kann auch gut auch einfach mal schweigen und die Ruhe genießen. Ich würde es anstrengend finden, wenn ich ununterbrochen reden sollte. Daher würde ich auf keinen Fall sagen, dass Schweigen verschwendete Zeit ist.
Wie seht ihr das? Würdet ihr auch sagen, dass Schweigen Zeitverschwendung ist? Redet ihr selbst gerne und meint auch, dass es so viel zu besprechen gibt, dass schweigen da wirklich überflüssig wäre?
Es kommt auf den Kontext an. Wenn ich eine Teambesprechung auf Arbeit habe und wir alle zu einer Lösung kommen müssen, empfinde ich Schweigen tatsächlich als Zeitverschwendung. Denn in der Zeit, wo man schweigt, hätte man schon eine Lösung finden können.
Kurze Schweigeminuten finde ich dagegen gar nicht schlimm, auch bei wichtigen Besprechungen nicht. Denn manchmal muss man die Informationen verarbeiten und verdauen, damit man neue Ideen bekommen kann und so dann eben zu einer Lösung kommt.
Das kommt wohl wirklich auf den Zusammenhang an. In einer Beziehung beispielsweise sehe ich es schon als verschwendete Zeit an, wenn man nicht miteinander spricht und sich nur anschweigt. Dennoch kann Schweigen auch vollkommen in Ordnung sein, wenn man nachdenkt oder auch einfach mal Zeit für sich braucht. Wenn man allerdings produktiv sein sollte, ist Schweigen belastend.
Sicher kommt es auf den genauen Zusammenhang an, aber allgemein würde ich nicht sagen, dass Schweigen verschwendete Zeit wäre. Man braucht doch auch mal Zeit für sich, in der man nichts sagt und das ist doch nicht zwingend verschwendete Zeit. Ich muss sagen, dass ich nicht mit jemandem zusammen sein könnte, der das so sieht, dass Schweigen verschwendete Zeit ist und der darum pausenlos quatscht.
Schweigen ist nur für die Menschen verschwendete Zeit, die noch nicht erkannt haben, wie wertvoll es sein kann, einmal der Hektik zu entkommen und einmal bewusst den Moment zu genießen, den Augenblick, das Sein. Für diese Menschen wäre der Jakobsweg oder ähnliche Schweigetage eine Qual.
Selber bin ich froh, wenn ich nicht ununterbrochen reden muss. Mich nervt es auch, wenn ich Menschen um mich herum habe, die ununterbrochen quatschen. Das sage ich dann aber auch, wenn mir das zu viel wird und ich einfach nur meine Ruhe haben möchte.
Außer dem schon erwähnten Beispiel mit der Teambesprechung fällt mir auch kein Beispiel ein, bei dem Schweigen durch Reden verbessert wird. Man merkt, ich habe es auch gerne ruhig. Wenn es etwas zu besprechen gibt und Meinungen oder Ideen gefragt sind, bringe ich mich schon deshalb gerne ein, damit etwas vorangeht, aber davon abgesehen empfinde ich eher pausenloses Quatschen als verschwendete Zeit.
Ab und zu möchte ich nämlich auch ganz gerne meine eigenen Gedanken hören oder über Dinge nachdenken und meine eigenen Urteile bilden, und das wird eher noch schwerer, wenn mir jemand pausenlos ins Ohr labert. Manche Leute reden meines Erachtens deswegen pausenlos, damit sie ihre eigenen Gedanken nicht hören müssen oder gar bemerken, dass sich in ihrem Innenleben gar nichts Interessantes tut, während mein Innenleben oft genug interessanter ist als alles, was von außen in mich hinein gestopft wird.
Die besten Gespräche mit meinem alten Bauern fanden nahezu schweigend statt. Ein Kopfnicken und es ging los über Weiden und Felder. Die Kommunikation bestand zu 99 Prozent aus Neigen des Kopfes, Zeigen mit der Hand und mehr oder weniger positiven Gesichtsausdrücken. Dazu kam vielleicht noch ein scharfes Einatmen als Kritik oder ein entspanntes Ausatmen als Lob für eine richtige Einschätzung. Geredet wurde nur im Notfall.
In diesen ein bis zwei schweigenden Stunden an Frühlings- und Sommerabenden habe ich mehr über die Beurteilung von Fohlen und Rindern gelernt, als im ganzen Studium. Und über die zu erwartende Fruchtentwicklung und die Qualität von Böden hat mir niemand mehr beigebracht, als dieser schweigende alte Mann. Der könnte reden wie ein Wasserfall, aber am Abend auf seinem Land und bei seinen Produkten, da wollte er Ruhe. Meist ging er allein, ich durfte nur mit, weil ich die Klappe halten konnte.
Wie das genau gemeint wurde, hätte mich ja schon mal interessiert. Die Aussage an sich, für sich stehend und ohne Kontext oder Kenntnis desjenigen, der sie getätigt hat, wirkt auf mich erstmal wie jemand, der sehr umtriebig ist, Stille nicht ertragen kann oder generell glaubt, alles, was er selbst oder andere sagen, sei von unschätzbarem Wert. Dabei kommt vermutlich 90 Prozent der Zeit unseres Tages nur belangloser Kram aus unser aller Münder.
Und es gibt ja auch noch das beredte Schweigen. Oder das ungemütliche, das einträchtige, das bedeutungsschwangere und wer weiß was noch alles. Es ist ja echt nicht so, als würde man ohne Worte überhaupt keine Informationen transportieren oder empfangen können, um Situationen oder Emotionen zu erfassen. Ich würde dem gesprochenen Wort gar nicht so die Macht zugestehen wie anderen Informationsquellen.
Abgesehen von der speziellen Situation einer Besprechung weiß ich nicht, warum Schweigen automatisch Zeitverschwendung sein sollte. Es muss doch auch nicht jede Sekunde des Tages mit maximaler Aktivität gefüllt sein, woher kommt nur dieser Anspruch heutzutage? Davon wird das Leben auch nicht zwangsläufig bunter.
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