Schließen sich Religiösität und Bildung gegenseitig aus?
Manche Menschen sind der Auffassung, dass gebildete Menschen ja gar nicht religiös sein könnten, dann sonst wären sie ja nicht gebildet. Eine sehr interessante Diskussionsfrage wie ich finde, auch wenn ich dem nicht zustimme und da anderer Ansicht bin. Wie steht ihr aber zu diesem Thema? Meint ihr, dass Religiösität und Bildung sich gegenseitig ausschließen oder seht ihr da so gar keinen Zusammenhang? Welche Beobachtungen und Erfahrungen habt ihr in dieser Hinsicht machen können?
Ich finde, dass das Eine mit dem Anderen wenig zu tun hat. Zumindest bei den Katholiken muss man studieren und schon eine Menge leisten, um in der Kirche aufzusteigen. Papst Johannes Paul II beherrschte ja sehr viele Fremdsprachen, was ich auch als Bildung bezeichnen würde. Außerdem habilitierte er und lehrte unter anderem Sozialethik an einer Uni, bevor er Papst wurde.
Es gibt doch genug Bereiche der Bildung, die mit religiösen Mythologien überhaupt nie in Konflikt geraten, und eine universale Bildung ist in der heutigen Zeit überhaupt nicht mehr möglich, weil es viel zu viel Wissen gibt. Zum Beispiel alles, was mit Sprachen, Literatur und Linguistik zu tun hat oder alles, was in den musischen Bereich fällt.
Bei den Naturwissenschaften sieht das allerdings tatsächlich so aus, dass die Zahl der religiösen Wissenschaftler deutlich unter dem Durchschnitt liegt. Viele davon werden wahrscheinlich gar keine Bildung erhalten haben, die sich explizit mit Atheismus beschäftigt hat, aber sie haben logisches Denken gelernt und Religion hat halt leider so verdammt viele plot holes.
Warum sollten sich Bildung und Glaube ausschließen? Die großen Weltreligionen haben definitiv Lücken, aber das haben die Wissenschaften auch. Denn ganz viele Thesen und Erkenntnisse stützen sich auf die Naturgesetze, die zwar als gegeben angenommen werden, aber die sich nicht beweisen lassen.
Und es ist relativ unerheblich, ob man diese Dinge einfach als gegeben hinnimmt oder dahinter ein göttliches Wirken vermutet. Ein anderer Blickwinkel ist doch keine Bedrohung. Und trotz aller neuen Erkenntnisse sind beispielsweise Naturwissenschaftler heute ebenso gläubig wie vor 100 Jahren.
Ich denke dass es sehr stark was damit zu tun hat, in welchen bereichen man sich weiterbildet. Das soll heißen, dass Bildung und Religion sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen müssen, sondern eher davon abhängig ist, in welche Richtung man sich fortbildet. Wenn man sich in den sozialwissenschaftlichen Bereichen fortbildet, sollte das nicht im Gegensatz zum Glauben und der Religion stehen. Ich würde behaupten, dass die ganzen Naturwissenschaftlichen Bereiche da eher ein Problem mit den Religionen haben, da die Menschen, die sich in dieser Richtung fortbilden, dann eher die aussagen der Religion in frage stellen.
Diese Wissenschaftler oder Menschen die sich mit Technologie oder auch Naturwissenschaften auseinandersetzen, suchen halt von sich aus immer nach Beweisen für eine Theorie. Eben Dinge die sie anfassen, berechnen oder erklären lassen. Da geht es nun mal nicht um den Glauben daran wie etwas funktioniert, sondern an das Verstehen, eben um nachweisbare Fakten. Die sucht man in der Religion aber vergebens. Da heißt es glauben und ich kann mir vorstellen, dass es für Menschen die sich sehr viel mit der Naturwissenschaft oder Technik auseinandersetzen, sehr schwierig ist, an etwas zu glauben ohne dafür eine Erklärung oder einen Beweis zu haben.
Ich bin selber sehr Naturwissenschaftlich und Technik interessiert und bin auch nicht gläubig. Ich kann mich auch nicht mit den Gedanken anfreunden, dass es eine höre Macht gibt die hier alles lenken soll oder das alles erschaffen hat, wenn man doch inzwischen ganz klar weiß, wie alles entstanden ist.
Kodi, aber genau das tun Naturwissenschaftler doch. Sie glauben an etwas, dass sie nicht beweisen oder verstehen können. Ob man nun verstehen möchte, warum das funktioniert, oder ob man verstehen möchte, wie Gottes Schöpfung funktioniert, das macht keinen großen Unterschied. Nimm nur den Urknall. Alles Theorie und Annahmen. Die kann man mit und ohne Glauben verfolgen.
Ja, da stimme ich dir zumindest teilweise zu. Aber die Theorie mit dem Urknall ist eh so eine Sache. Aber ich denke das liegt auch eher in der Vorstellungskraft der meisten Menschen. Die wissenschaftliche Meinung ist ja, dass das ganze Universum aus einem Urknall entstanden ist und so ungefähr 13 Milliarden Jahre her sein soll. Mal abgesehen davon, dass Zeit nur eine Erfindung von uns Menschen ist um etwas einfacher verstehen zu können, kann es nicht sein, dass das Universum erst 13 Milliarden Jahre alt ist. Es ist ja auch unendlich groß, so die Meinung der Wissenschaft. Wenn das Universum aber ein Alter hat, dann wäre es nicht mehr unendlich, sondern hätte ein Anfang und ein Ende. Da das Universum aber unendlich ist, ist auch der Urknall nur einer von vielen, die in anderen Teilen des unendlichen Universums stattgefunden haben, was auch dann das "relative" Alter des Universums eher als unendlich einschätzen lässt.
So viel zum Thema Verstehen und Beweisen. Aber ich schweife ab. Auch in der Wissenschaft ist vieles mit glauben verbunden, zumindest so lange bis es bewiesen oder widerlegt ist. Andererseits hält man auch an vielen Theorien fest, ohne einen Beweis dafür erbracht zu haben. Die Stringtheorie ist da glaube ich, ganz vorne mit dabei. Wir stehen eh erst am Anfang der Wissenschaft, das ist zumindest meine Meinung. Wir fangen gerade erst an gewisse Dinge und Abläufe zu verstehen, weil wir auch erst nach und nach die Technik dafür entwickeln, um diese Abläufe sichtbar und damit auch beweisbar zu machen. Wie zum Beispiel die Kamera die schneller als das Licht ist. Zumindest mehr Bilder generieren kann als das Licht Strecke zurücklegt.
cooper75 hat geschrieben:Kodi, aber genau das tun Naturwissenschaftler doch. Sie glauben an etwas, dass sie nicht beweisen oder verstehen können.
Meinem Verständnis nach versuchen die Naturwissenschaften, die Sachverhalte durch Beobachtungen und Messverfahren zu erforschen. Das ist schon ein Unterschied zu reinem Glauben. Dazu kommt, dass die Naturwissenschaftler entgegen mancher Meinungen normalerweise nicht auf vorgefassten Ansichten beharren, sondern versuchen, durch verbesserte Beobachtungs- und Messmethoden die Theorien zu verifizieren oder auch zu falsifizieren bzw. zu korrigieren.
Wenn ich von Grundannahmen ausgehe, an die ich nur glaube, und dann Verfahren entwickle, um das vielleicht einmal beweisen zu können, dann ist das alles weit weniger rational, als du denkst. Und außerdem geht es darum, ob Glaube und Bildung vereinbar ist. Und das ist zweifellos so, denn nur weil jemand an die Schöpfung oder eben Gott glaubt, heißt das nicht, dass er nicht hinterfragen kann und nicht wissen möchte, wie es rein technisch funktioniert
cooper75 hat geschrieben:Und das ist zweifellos so, denn nur weil jemand an die Schöpfung oder eben Gott glaubt, heißt das nicht, dass er nicht hinterfragen kann und nicht wissen möchte, wie es rein technisch funktioniert
Andererseits: wenn man an die Schöpfung im Sinne des Junge-Erde-Kreationismus glaubt, dann beißt sich das meiner Ansicht nach schon mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die unter anderem von völlig anderen Zeitdimensionen ausgehen. Die Frage ist dann, an welche Art von göttlicher Schöpfung man glaubt. Am ehesten lässt da wohl noch das Intelligent Design als Zwischending zwischen Wissenschaft und Glaube sehen...
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