Schlechten Lehrling wegen Image nicht entlassen wollen?

vom 18.04.2017, 20:11 Uhr

Ein Bekannter von mir behauptet, dass in seinem Betrieb ein Azubi wäre, der extrem schlechte Noten hätte. Der hätte wohl kein wirkliches Interesse an der Ausbildung, gibt Projektarbeiten nicht ab in der Berufsschule, ist nicht immer anwesend und schreibt schlechte Noten. Mein Bekannter meint, dass man dem Azubi im ersten Jahr noch Hilfe in Form von Nachhilfe angeboten hätte und alles versucht hätte, um ihn zu unterstützen. Es wäre aber gar kein Interesse da gewesen von Seiten des Lehrlings.

Mein Bekannter erzählte neulich, dass man den Azubi am liebsten loswerden wollen würde, man wüsste aber nicht wie. Auch würde sich der Chef des Betriebs in einem Dilemma befinden, da es ja schädigend für das Image sei, wenn man einen Azubi - auch wenn es begründet ist - entlässt. Das würde zukünftige Azubis abschrecken, daher würde man sich nicht trauen, diesen desinteressierten Lehrling zu kündigen.

Könnt ihr die Einstellung des Chefs nachvollziehen? Würde das tatsächlich alle künftigen Bewerber für Ausbildungsplätze abschrecken oder macht sich da jemand viel zu viele Sorgen? Ist es sinnvoll an einem Azubi festzuhalten, der möglicherweise nicht mal die Abschlussprüfungen schaffen wird? Was ist rufschädigender für eine Firma: ein Azubi, der die Ausbildung nicht abschließen kann oder einer, der wegen schlechter Leistungen gekündigt wird?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Du vergisst, dass einem Auszubildenden nach Ablauf der Probezeit kaum gekündigt werden kann. Eine reguläre Kündigung ist bei einem Ausbildungsverhältnis überhaupt nicht möglich. Nur eine fristlose Entlassung kommt infrage.

Und selbst die schwer zu bewerkstelligen. Generell gilt: Je länger das Ausbildungsverhältnis ohne (dokumentierte) Störungen bestanden hat, desto schwieriger ist eine Kündigung durchzusetzen. Je näher die Abschlussprüfung rückt, desto seltener stimmen Richter der Kündigung zu,

Schlechte Noten in der Schule sind kein Kündigungsgrund. Unentschuldigtes fehlen, Arbeitsverweigerung (Nur wenn die die Ausbildung unmöglich macht!), wiederholte Störungen des Betriebsfriedens und so weiter müssen erst mehrfach abgemahnt werden, bevor eine Kündigung möglich ist. Im Prinzip muss der Auszubildende goldene Löffel klauen, also beispielsweise einen größeren Geldbetrag unterschlagen, damit man kündigen kann.

Außerdem ist eine Kündigung ausgeschlossen, wenn dem Ausbildungsbetrieb die Kündigungsgründe länger als zwei Wochen bekannt waren, Wenn ein Betriebsrat vorhanden ist, muss der angehört werden. Und die Begründung der Kündigung muss ausführlich erfolgen. Einen Azubi loswerden, das ist eine anstrengende Angelegenheit.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Wie cooper bereits gesagt hat, ist es schwer einen Auszubildenden auch los zu werden selbst wenn man es möchte und vieles bleibt dazu auch nicht übrig, außer die fristlose Kündigung. Diese kann aber auch nur in besonderen und schweren Fällen ausgesprochen werden, ansonsten hat man diesen auch weiterhin an der Backe auch wenn er eine faule Socke ist, nichts macht und auch das Unternehmen mitsamt seinem Image in den Dreck zieht durch das Verhalten des Azubis.

Das ganze ist aufwendig und kostet jede Menge Zeit. Das dem auch zugestimmt wird ist auch sehr unwahrscheinlich und somit hat man diesen an der Backe. Dazu darfst du dann nicht vergessen, der Azubi repräsentiert zwar das Unternehmen nach außen hin und und auch in der Berufsschule, aber der Chef wird so oder so dafür verantwortlich gemacht ob sich dieser nun aufführt wie der letzte Depp oder auch ein Vorzeigeazubi ist.

Beides hat halt immer seine zwei Seiten aber nicht selten schleift man solchen Dreck dann noch bis durch die Ausbildung mit, erspart sich den Stress mit los werden und setzt ihn danach vor die Türe, sofern der Abschluss in der Prüfung überhaupt bestanden wird. Denn auch da muss ein Betrieb nicht zig Versuche mitmachen und den Azubi dauerhaft aushalten, sondern nach dem zweiten ist dort ebenfalls Schluss, bei gutem Willen auch mal ein dritter Versuch.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Mal ganz abgesehen davon, dass man einem Auszubildenden wegen der bereits dargelegten Gründe fast nicht entlassen kann, ist die Sichtweise, dass eine Kündigung dem Image schaden könnte, auch etwas einseitig. Es gibt auch die andere Sichtweise, dass ein schlechter Auszubildender dem Image schaden kann.

Ich denke dabei daran, dass der Auszubildende auch den Ausbildungsbetrieb repräsentiert. Selbst wenn der Auszubildende eine Arbeit ohne Publikumsverkehr verrichtet, wirkt sich seine schlechte Arbeit doch überall aus. Ich erinnere mich da an einige schlechte Praktikanten bei uns, die so einiges durcheinander brachten.

Plötzlich waren etwa Akten nicht mehr auffindbar, weil die Praktikanten - immerhin Schüler kurz vor ihrem Realschulabschluss - sich nicht mehr an das Alphabet erinnern konnten und noch nicht mal verzeihliche Fehler begingen wie beispielsweise W vor V einzusortieren, sondern R plötzlich vor I einsortierten und die Akten letzten Endes willkürlich in den Schubladen ablegten.

Wir brauchten einen ganzen Tag, um den gesamten Aktenschrank nach den Akten zu durchsuchen. Und Kunden bekamen es natürlich mit, da ihre Akten nicht zur Hand waren, als sie zum Gespräch im Büro waren oder anriefen. Außerdem konnte die eigentliche Arbeit von dem Tag nicht erledigt werden, was auch nicht unbemerkt blieb.

Dazu kommt, dass jeder, der den schlechten Auszubildenden und auch seine Arbeit kennt, weiß, wo er ausgebildet wurde. Sowohl die Berufsschule wie auch die anderen Schüler, die Prüfer in der Abschlussprüfung und die späteren Arbeitgeber erfahren, wo derjenige ausgebildet wurde, und sie werden sich so ihre Gedanken darüber machen.

Es ist also auch im Interesse des Ausbildungsbetriebes, einen guten Auszubildenden zu haben, denn wenn der Auszubildende einen schlechten Eindruck hinterlässt, fällt dies auch auf den Ausbildungsbetrieb zurück.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



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