Schlecht fühlen, wenn man im Ehrenamt zu wenig macht?
Ich arbeite nun schon seit vielen Jahren in ehrenamtlichen Vereinen und immer mal wieder erreiche ich den Punkt, an dem ich einfach mal in meinem Bett liege und ein Buch lese oder eine Serie schaue und in mir langsam das schlechte Gewissen hoch kocht, weil ich diese Zeit auch sinnvoll für das Ehrenamt nutzen könnte. Das geht so weit, dass ich an manchen Tagen überhaupt keine freie Minute für mich habe, weil ich jegliche Freizeit in das Ehrenamt investiere und mich ansonsten sehr schlecht und schuldig fühle, wenn ich meine Zeit verplempere. Bei anderen Mitgliedern aus meinem Team erlebe ich das auch häufig.
Kennt ihr dieses Gefühl? Hattet ihr auch solche Phasen oder habt sie sogar noch? Falls ja, wie seid ihr damit umgegangen? Wie findet man dort heraus, sodass man auch mal seine Freizeit genießen kann?
Ich hatte mal ein Ehrenamt, wofür ich nur eine kleine Aufwandsentschädigung bekommen habe und mehr nicht. Man hat das also gemacht, weil es einem etwas bedeutet hat und wichtig war. Aber natürlich ist man da nicht ganz uneigennützig, man hat ja währenddessen vielleicht Zeit mit Menschen verbracht, die man mochte und da hat es dann ein wenig was von Hobby oder zumindest hat es auch irgendwie Spaß gemacht.
Generell bin ich aber nicht so gestrickt, dass ich das Gefühl habe, ständig etwas machen zu müssen. Ich hatte dann kein schlechtes Gewissen, wenn ich mich nicht engagiert habe. Ich habe zwar gewisse Aufgaben erledigt, aber ich habe auch versucht, darauf zu achten, dass es mir nicht zu viel wird. Nun muss man aber sagen, dass es durchaus andere gab, die es irgendwie übertrieben haben und ganz viel Zeit oder Energie in Dinge investiert haben, die gar nicht viel brachten. Und die haben tatsächlich verärgert reagiert, wenn man da nicht so mitgezogen hat und haben dann versucht, einem ein schlechtes Gewissen einzureden. Man muss ja immer bedenken, es ist Ehrenamt, man ist dort nicht angestellt.
Und diese Dynamik hat dann dazu geführt, dass ich keine Lust mehr hatte und das letztlich hingeschmissen habe. Denn wenn ich schon ohne festes Geld für etwas arbeite und mich einsetze, dann will ich nicht noch Vorwürfe gemacht bekommen, dass ich angeblich zu wenig tue. Man sollte vielmehr dankbar sein, dass überhaupt etwas getan wurde. Für mich ist das Leben nicht dafür da, um sich jede Minute mit irgendwas vollzustopfen.
Ich bin auch schon lange davon weggekommen, wirklich jede Sekunde meiner Zeit im Dienst an anderen zu verbringen. Natürlich ist das gern gesehen - schließlich nehmen die Deppen, die sich immer abrackern, dem Rest eine Menge Arbeit ab. Aber mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass sich so in den allermeisten Fällen ein Fass ohne Boden auftut. Egal ob Ehrenamt, private Hilfsaktionen oder auch im Job - entweder ich lerne, Nein zu sagen und meine Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen, oder ich werde ausgesaugt und ausgespuckt wie eine tote Fliege.
Schließlich gibt es ja immer etwas zu tun oder zu helfen, und man kann immer alles noch besser machen, und noch mehr Aufgaben übernehmen, und bitte abends, am Wochenende und im Urlaub, und selbstverständlich in hervorragender Qualität, zuverlässig, und mit einem Lächeln. Und die anderen nehmen es als ganz selbstverständlich hin: Frau Gerbera hat das Sommerfest so toll organisiert, die übernimmt bestimmt auch den Weihnachtsbazar. Klar könnten wir auch Frau Ranunkel fragen, aber die jammert dann wieder und ihre Plätzchen schmecken komisch.
Schon vor etlichen Jahren ist mir also gedämmert, wie viele Leute handfest davon profitieren, dass ich mich "schlecht fühle", wenn ich ihnen nicht aufs Wort gehorche, möglichst viel Arbeit abnehme und ihre Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen vor meine eigenen stelle. Mir hat auch die Frage dabei geholfen, was passieren würde, wenn sich die immer hilfsbereite und nützliche Frau Gerbera den Fuß brechen oder nach Indonesien absetzen würde. Würde das Ehrenamt dann zusammenbrechen? Von wegen! Man würde endlich der Frau Ranunkel in den Hintern treten oder sonst wie eine Alternative finden, und ich wäre in drei Tagen ersetzt.
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