Ruhige Wohngegend für psychisch Kranken unvorteilhaft?

vom 26.08.2017, 11:51 Uhr

Ich habe einer Freundin erzählt, dass in der Nähe ein Haus zum Verkauf steht, dass ich direkt beziehen würde, wenn es so einfach wäre. Das Haus liegt als letztes in einer Straße mit lauter Wochenendhäusern und hat auch keine direkte Nachbarn. Der Garten geht direkt in den Wald über und man hat dort wirklich viel Ruhe. Natürlich muss man das mögen, aber ich würde es einfach toll finden.

Meine Freundin meinte, dass es für sie wohl gar nichts wäre. Sie ist psychisch krank und hat immer wieder Phasen in der es ihr sehr schlecht geht. Sie meinte, dass ihr die Ruhe dort wohl eher nicht gut tun würde und sie dann sicher noch eher in die Depressionen rutschen würde. Meine Freundin ist der Ansicht, dass so eine ruhige und eher einsame Wohngegend für Menschen mit psychischen Krankheiten eher unvorteilhaft wären.

Würdet ihr auch sagen, dass eine ruhige Wohnung bei einer psychischen Krankheit eher wenig förderlich ist? Kommt das nicht eher auf die Person und vielleicht auch auf die Erkrankung an? Meint ihr, dass betroffene Menschen eher in belebten Gegenden wohnen sollten?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Wann hört man denn endlich mal auf, entweder alles schwarz oder weiß zu sehen? Ist das nicht untypisch, ist jenes sinnvoll, ist es nicht eher so, dass... Das nervt absolut. Jedem nach seiner Fasson und auch jedem nach seiner inneren Einstellung und Verfassung. Mir erschließt sich zwar nicht, was Depressionen mit einer belebten oder eher unbelebten Gegend zu tun haben könnten, aber ich toleriere diese Meinung.

Für die Depression gibt es kein allgemein gültiges Krankheitsbild. Daher gibt es auch kein einheitliches Rezept was verschiedenen Erkrankten helfen kann, mit der Krankheit besser klar zu kommen. Einer will sich in den hintersten Winkel der Wohnung verkriechen und einfach nur an die Decke starren, die andere fühlt sich wenigstens etwas besser, wenn Leben um sie herum ist.

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» Quasselfee » Beiträge: 2143 » Talkpoints: 30,45 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich denke, dass es darauf ankommt, wie man aufgewachsen ist. Ich selber bin in einer ländlichen Gegend groß geworden und obwohl ich jetzt in einer Stadt wohne, war es mir immer wichtig, eine Wohnung zu haben, die etwas abgelegen ist. Also es wäre nichts für mich, jetzt mitten in der Stadt zu wohnen, wo es immer hektisch zugeht und nie Ruhe herrscht.

Es kann aber wirklich sein, dass wenn man als Depressive in einer Gegend wohnt, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, man dann noch weiter in eine Depression rutscht. Dann muss man aber eben selber etwas dagegen tun und Freunde einladen, Sport machen, etwas unternehmen und unter Leute gehen.

Das wiederum fällt den meisten psychisch Kranken aber sehr schwer, da so eine Depression ein Teufelskreis ist. Man wird depressiv, weil man sich alleine fühlt und nicht verstanden und dadurch bleibt man auch alleine, statt sich mit anderen zu treffen oder unter Leute zu gehen.

Ich kann aber nicht beurteilen, ob das in einer Stadt oder einer Gegend, in der etwas mehr los ist, besser werden würde. Bei uns gibt es eine Nervenheilanstalt, die lustigerweise auch ziemlich abgelegen in einer Anhöhe neben dem Wald ist.

Da dieses Gebäude aber schon sicher ein Jahrhundert lang steht, könnte es auch sein, dass die früheren Sitten oder Erkenntnisse einfach nicht identisch mit den neuen wissenschaftlichen Errungenschaften sind. So hat man früher wirklich verrückte Personen eingesperrt, um sie wahrscheinlich möglichst weit weg vom Rest der Bevölkerung zu haben.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Quasselfee hat geschrieben:Wann hört man denn endlich mal auf, entweder alles schwarz oder weiß zu sehen? Ist das nicht untypisch, ist jenes sinnvoll, ist es nicht eher so, dass... Das nervt absolut. Jedem nach seiner Fasson und auch jedem nach seiner inneren Einstellung und Verfassung. Mir erschließt sich zwar nicht, was Depressionen mit einer belebten oder eher unbelebten Gegend zu tun haben könnten, aber ich toleriere diese Meinung.

Ich sehe das genauso und verstehe dieses undifferenzierte Denken nicht. Das zeugt für mich nicht gerade von einer umfassenden Bildung aber gut. Depressionen haben tatsächlich nichts mit der Wohngegend zu tun, denn durch die Isolationstendenzen spielt es keine Rolle, ob man in einer ruhigen oder unruhigen Gegend lebt, da man sich so oder so von seinem Umfeld abschotten würde. Selbst wenn man in der Stadt lebt, wo viel los ist, muss man nicht unbedingt weniger depressiv werden. Diese Logik erschließt sich mir nicht wirklich.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Es gibt ja nicht nur Depressionen, sondern auch andere Erkrankungen. Ich denke nicht, dass man wirklich eine Verschlechterung erfahren würde, wenn man in eine ruhige Gegend zieht. Man kann sich ja auch dort beschäftigen im eigenen Garten, mit gewissen Aufgaben und ist nicht an das Haus gefesselt, deswegen erschließt sich mir nicht was Lautstärke oder mehr Menschen an der Depression verändern sollten.

Ich denke, dass man gerade in den schlimmen depressiven Phasen eh hauptsächlich zu Hause im Bett oder auf dem Sofa sein wird, wenn man das machen kann und da ist es doch egal, ob nun nebenan viele Menschen wohnen oder wenige, denn dann ist man höchst fokussiert auf sich selber.

Mir erschließt sich der Gedankengang mit der Wohngegend ehrlich gesagt überhaupt nicht. Depressive werden nicht depressiv nur weil sie mehr Ruhe haben. Es mag sein, dass deine Bekannte für sich in solchen Phasen mehr Leben um sich herum braucht, aber da ist ja auch nicht jeder gleich. Es kann nicht schaden sich eine Aufgabe zu suchen und das kann man sowohl in einer lauten als auch in einer ruhigen Wohngegend.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Wer bin ich denn, Leuten vorzuschreiben, in welcher Wohngegend sie wohnen "sollten", nur weil sie in welcher Hinsicht auch immer nicht ganz fit sind? Genauso gut könnte ich mich hinstellen und sagen: "Frau Soundso, Sie sind 75 und gehen am Stock, sie müssen leider aus der Wohnung ausziehen, in der sie seit 50 Jahren wohnen und blendend zurechtkommen, weil ich finde, dass gehbehinderte Menschen nur da oder dort wohnen dürfen!" Und genauso absurd fände ich, hier pauschale Ratschläge für "psychisch Kranke" abzusondern.

Schließlich ist Krankheit nicht gleich Krankheit, egal ob körperlich oder psychisch, und zudem besteht ein erkrankter Mensch ja nicht gleich zu 100 Prozent aus Depression oder was auch immer. Auch mit psychischen Problemen hat man immer noch eine eigene Persönlichkeit mit Vorlieben, Abneigungen und oft genug auch noch mit einem Arbeitsplatz und einem sozialen Umfeld. Wenn dies alles wegfällt, weil es einem psychisch derart schlecht geht, hat man wahrhaftig andere Sorgen als die Frage, ob man am Wald oder an der Hauptstraße wohnt.

Für mich ist die Wahl der Wohngegend also unabhängig von irgendwelchen Diagnosen und den damit zusammenhängenden bescheuerten Vorurteilen in erster Linie eine Frage der Präferenz. Nicht jeder Mensch mit Depressionen oder sonstigen psychischen Problemen fühlt sich an einer viel befahrenen Straße gegenüber von einem Kindergarten automatisch wohl, und nicht jeder nicht-diagnostizierte Zeitgenosse möchte am liebsten in den Wald ziehen. Ich sehe hier wirklich keinen eindeutigen Zusammenhang.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


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