Referenten aus Loyalität keine Fragen stellen?
In der Uni muss ich jede Menge Referate halten. Dass am Ende des Referates Fragen kommen - sowohl von Dozenten, als auch Kommilitonen, ist für mich nicht nur normal, sondern sogar erwünscht. Bei uns ist es immer ein Muss, im Anschluss an jedes Referat eine Diskussion zu führen und Fragen bieten einen perfekten Anreiz. Natürlich kann man nicht immer alles beantworten, aber dann diskutiert man einfach mit dem Plenum und dem Dozenten gemeinsam.
Zu meiner Schulzeit war das ganz anders. Da war es ungeschriebenes Gesetz, als Mitschüler den Referenten keine Fragen zu stellen. Tat man das doch, konnte man damit rechnen, dass der Referent dann sauer auf einen war. Alle hatten zu große Angst, Fragen nicht beantworten zu können und dann blöd dazustehen.
Kennt ihr es auch so, dass man den Referenten aus Loyalität keine Fragen stellen darf? Habt ihr euch daran gehalten? War das bei euch in der Schulzeit auch ganz anders, als in der Uni, wo dann Fragen wiederum quasi "erlaubt" sind?
In der Schule wollte ich auch nie, dass jemand Fragen stellt. Die Referate hat man ja gehalten, weil man musste und man hat diese auch nicht wahnsinnig gerne gehalten, sondern halt aus Pflicht. In den Seminaren im Studium war es aber nicht viel anders. Da waren die Anforderungen noch höher; man sollte frei sprechen ohne Zettel usw. Das empfand ich schon als schwierig und ich war auch froh, wenn keine Fragen kamen und ich das hinter mir hatte. Ich habe mich nicht gerne vor andere hingestellt und was erzählt.
In diesen Fällen habe ich mich an der Uni oft ganz schön unbeliebt gemacht. Ich war nämlich anders als die meisten meiner Kommilitonen nicht ganz frisch von der Schule an die höhere Bildungsanstalt geschwemmt worden, sondern habe mir meinen Studiengang sorgfältig überlegt und wollte das Fach tatsächlich studieren und mich auch mit den Inhalten näher beschäftigen. Ohne den Studenten an sich zu nahe treten zu wollen - in meinem Studiengang war ich da eher in der Minderheit. Für die meisten stellte das Studium eher eine Art verlängerte Kollegstufe dar und die ideale Gelegenheit, sich bis Mitte Zwanzig ein schönes Leben zu machen.
Entsprechend war auch das Interesse an den Inhalten des Studiengangs und an den oft recht mittelmäßig heruntergeleierten Referaten. Ob es sich hier um Loyalität oder doch eher Apathie gehalten hat, kann ich auch nicht so genau sagen, aber ich musste zahllose quälende Minuten über mich ergehen lassen, in denen der Dozent oder die Dozentin nach Kräften versucht haben, eine Diskussion über ein Referat anzuwerfen, während die versammelte Studentenschaft leblos vor sich hin gestarrt hat.
Deswegen habe ich mich dann meistens geopfert und nachgefragt oder meine Meinung kundgetan. Manchmal sind daraufhin noch ein, zwei Gestalten zum Leben erwacht und haben sich am Gespräch beteiligt, meistens habe ich nur Dolchblicke aus allen Richtungen geerntet, womit ich allerdings gut klargekommen bin. Meine Loyalität irgendwelchen dahergelaufenen Teenies gegenüber war in meinem Studium sowieso nicht besonders ausgeprägt.
Ich habe mich auch bemüht, keine unfairen Fragen zu stellen und auch nur dann den Mund aufzumachen, wenn mich die Antworten auch interessiert haben. Aber generell war ich schon der Meinung, dass jemand, der Lehramt studiert, damit rechnen muss, mit anderen Leuten zu sprechen und dass das Studium die ideale Gelegenheit darstellt, das zu üben. Schüler kann man schließlich auch nicht nur blöd anglotzen und warten, dass die Stunde vorbeigeht. Ich empfinde es also eher als Loyalität dem Referenten gegenüber, wenn man sich für das Gesagte interessiert und sich auch in ein Gespräch einbringt, anstelle nur dreinzuschauen wie eine Schwalbe, wenn es donnert.
Ach ja, Schüler haben schon eine herrliche Logik. Ging mir damals nicht anders und ich glaube in meiner Klasse haben damals alle Schüler so gedacht. Da dachte man irgendwie noch, dass das Referat wegen dem Inhalt benotet wird und wenn man dann eine (blöde) Frage nicht beantworten kann, dann schlägt sich das auf die Note nieder und der Lehrer ist unzufrieden. Außerdem war man so schüchtern und aufgeregt, man wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen und das geht halt schlecht, wenn jeder Klassenkamerad eine Frage stellt.
Später hat sich meine Einstellung zu dem Thema allerdings geändert. Das war zu Studienzeiten. Da war es nicht schlimm, wenn man eine Frage nicht beantworten konnte nach einem Referat, sie wurde dann einfach im Plenum diskutiert, was ich persönlich immer sehr interessant und spannend fand.
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