Reduziert das neue Gesetz die Zahl von Leiharbeitern?

vom 02.04.2017, 16:33 Uhr

In einem anderen Beitrag erwähnte ich ja schon das Gesetz, das die Leiharbeiter seit Samstag betreffen soll. So will man nicht nur die Einsatzzeit der Leiharbeiter zeitlich begrenzen, sodass diese nach 18 Monaten möglicherweise übernommen werden. Man möchte auch durchsetzen, dass die Leiharbeiter finanziell genauso viel verdienen wie die Stammbelegschaft.

Um ehrlich zu sein sehe ich das schon skeptisch. Denn die Leiharbeiter verdienen doch deswegen weniger, weil ein guter Teil ja auch an die Leihfirma abgegeben werden muss für die Vermittlung. Wenn die Leiharbeiter genauso viel verdienen wie die Stammbelegschaft, dann weiß ich gar nicht, ob sich der Einsatz von Leiharbeitern überhaupt noch lohnen würde.

Wären die Leiharbeiter im Endeffekt nicht sogar noch teurer als die Stammbelegschaft? Oder habe ich gerade einen Denkfehler? Leider kenne ich mich mit der Thematik nicht wirklich aus und habe damit keinerlei Erfahrung. Wie seht ihr das? Wird das neue Gesetz dazu führen, dass immer weniger Leiharbeiter eingestellt und beschäftigt werden? Werden dadurch die Arbeitslosenzahlen steigen? Oder haltet ihr das für unwahrscheinlich?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich finde es eigentlich schade, dass die Leiharbeit immer weiter eingeschränkt wird. Denn letztlich haben dadurch Menschen auch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt, die ansonsten durchs Raster fallen. Ich war selbst mal in einer Leiharbeitsfirma, aber eben intern, also ich habe verliehen und wurde nicht verliehen. Und ich muss sagen, dass die meisten derjenigen, die dort verliehen wurden, keine herausragenden Qualifikationen hatten und froh sein mussten, dass sie überhaupt eine Stelle bekommen haben.

Da waren Menschen dabei, die hatten gar keinen Schulabschluss oder hatten nur ganz niedrige berufliche Qualifikationen und waren auch nicht die hellsten. Die konnten froh sein, dass sie überhaupt eine Stelle abbekommen haben. Wenn dann die Leiharbeit so unattraktiv gemacht wird, dass diese Leute nicht mehr verliehen werden können, dann werden sie vermutlich wieder arbeitslos.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Zitronengras hat geschrieben:Da waren Menschen dabei, die hatten gar keinen Schulabschluss oder hatten nur ganz niedrige berufliche Qualifikationen und waren auch nicht die hellsten. Die konnten froh sein, dass sie überhaupt eine Stelle abbekommen haben. Wenn dann die Leiharbeit so unattraktiv gemacht wird, dass diese Leute nicht mehr verliehen werden können, dann werden sie vermutlich wieder arbeitslos.

Was hat das denn mit der Gesetzesänderung zu tun? Nach 18 Monaten sollte ein Unternehmen wohl einschätzen können, ob der Leiharbeiter den gewünschten Anforderungen entspricht. Ebenso wird er, wenn er nicht ausgetauscht wird, nach 9 Monaten wohl ebenso viel Leistung bringen, wie seine im Betrieb direkt angestellten Kollegen. Deshalb sollte er auch ebenso viel verdienen. Wenn er beispielsweise die Produktion aufhält oder als Picker zu langsam ist, wäre er schon längst ersetzt worden.

Du solltest dir mal überlegen, wie Leiharbeiter aufgrund der tollen Gesetzgebung durch die Agenda 2010 ausgenutzt worden sind und werden. Ein Beispiel wäre das ehemalige Nokia-Werk in Bochum, das übrigens schwarze Zahlen schrieb. Die 3.000 Leute, die da Handys am Band produziert haben, haben sowieso schon wenig verdient. Und dann wurde gut 1.000 von ihnen gekündigt und sie bekamen einen Job in der extra geschaffenen Nokia-Leiharbeitstochter angeboten.

Jetzt machten die Menschen den Job, den sie vorher schon gemacht hatten, für ein Drittel weniger Geld. Gleichzeitig stellte die Leiharbeitstochter der Muttergesellschaft höhere Lohnkosten als vorher in Rechnung. Sofort schmälerte sich der Gewinn, obwohl eigentlich massiv an Lohnkosten gespart worden ist. Als Nokia dann gegangen ist, weil die Lohnkosten trotz schwarzer Zahlen im Werk im vergleich zu Rumänien nicht rentabel waren, gab es natürlich auch weniger Arbeitslosengeld. Eine super Sache so eine Leiharbeit mit Schlupflöchern für Arbeitgeber.

Gute Leiharbeit ist möglich, keine Frage. Aber die hat dann eben auch keine Probleme damit, wenn ein Einsatz auf 18 Monate begrenzt ist und es nach 9 Monaten den angemessenen Lohn der Kollegen gibt und nicht weniger für die gleiche Arbeit.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Leiharbeiter waren schon immer teuer, denn es ist nicht nur das was der Leiharbeiter am Ende bekommt zu tragen, sondern noch die Gebühr für die Leiharbeitsfirma die entsendet. Damit liegt man gut und gerne mal beim doppelten von einer normalen Arbeitskraft. Das sich das gelohnt und in grenzen gehalten hat, wurden diese schon immer schlechter bezahlt als wenn man direkt angestellt wurde. Sonst hätte sich auch kein Kunde finden lassen der das übernimmt, wenn sie nur drauf legen müssten.

Schade ist daran nichts und ich sehe es wie cooper. Man sollte schon sehen, ob jemand das gleiche leistet wie jemand der fest angestellt ist nach spätestens 9 Monaten und das sollte finanziell dann eben auch belohnt werden. Mit den 18 Monaten ist auch sehr spät, denn ich hätte mir doch eher 12 Monate gewünscht aber die 18 Monate sind schon einmal ein Anfang mit der Übernahme. Schlupflöcher wird es noch genug geben, wie man sich vor so etwas drücken kann und sei es, dass man sich alle paar Monate wegen angeblicher schlechter Arbeitsleistung einen anderen Mitarbeiter schicken lässt.

Ich war selbst in der Leiharbeit unterwegs und weiß was das für ein Saftladen ist. Mindestlohn gab es dort noch nicht, entsprechend war das noch alles ein wenig anders zu dem Zeitpunkt. Da wurdest du ausgebeutet bis zum geht nicht mehr, damit am Monatsende genug am Konto war für Miete und Co, hast du 25-50% mehr gearbeitet oder gar noch mehr als andere die dort angestellt waren. Du wurdest verpflichtet auf Schichtzulagen zu verzichten mit einer Unterschrift und bist dann am Wochenende und Nachts verstärkt eingesetzt worden, da es billiger war als die Stammangestellten in der Zeit machen zu lassen. Ich hatte fast nur Nachtschichten und Sonntags und dennoch wesentlich weniger auf dem Konto, als wenn ich direkt angestellt gewesen wäre.

Das krasseste war dabei ein großer Automobilhersteller in Bayern mit Leiharbeit im medizinischen Bereich. Heroische 4,50 Euro für eine Fachkraft wurde bezahlt die Stunde von der Leiharbeitsfirma, keine Zulagen auf die verzichtet werden musste. Fragte man jemanden der dort direkt angestellt gewesen ist und sah in den internen Listen nach, dann wusste man direkt das die direkt angestellte Person 4 mal so viel wie man selbst bekommen hat, für die gleiche Arbeit.

Wo ist das bitte gerecht oder gar bedauerlich? Übernehmen musste man dort auch niemanden, folglich wurde man "entsorgt" auch bei besserer Arbeitsleistung damit man sich vor so etwas drücken konnte. Wollte der Kunde einen Arbeiter übernehmen der wirklich gut war, dann bockte die Leiharbeitsfirma und erzählte dem Kunden lügen z.B. das der Mitarbeiter gekündigt hätte oder kein Interesse an einer Übernahme. Damit es nicht auffiel wie sehr gelogen wurde hinter dem Rücken, wurde man abgezogen und zu einem anderen Kunden gestopft bis sich das Spiel wiederholt hat.

Schwarze Schafe gibt es in der Leiharbeit viele und mit dem Gesetz werden hoffentlich ein paar aussortiert, auch wenn es genug Schlupflöcher geben wird, wie man auch damit wieder weitermachen kann wie bislang. Jemand der damit seriös und ehrlich mit seinen Leiharbeitern umgeht, der hat damit auch das kleinste Problem mit der Änderung im Gesetz.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Ebenso wird er, wenn er nicht ausgetauscht wird, nach 9 Monaten wohl ebenso viel Leistung bringen, wie seine im Betrieb direkt angestellten Kollegen. Deshalb sollte er auch ebenso viel verdienen. Wenn er beispielsweise die Produktion aufhält oder als Picker zu langsam ist, wäre er schon längst ersetzt worden.

Vielleicht muss man aber schon fragen, warum derjenige Leiharbeiter ist und eben nicht normal in einer Firma angestellt. Für manche ist das nur eine Phase, bis sie was Festes haben, aber viele Leiharbeiter sind eben deswegen Leiharbeiter, weil sie wenig Qualifikationen haben und ansonsten - ohne die Möglichkeit der Leiharbeit - vermutlich gar keinen Job hätten. Und wenn die Leiharbeiter nach einer gewissen Zeit den gleichen Lohn haben sollen, wie die fest Angestellten, dann wird ja die Entleihgebühr für die Firma noch höher und da werden sie sich sicherlich von vielen Leiharbeitern trennen, weil die dann teurer sind als normal Angestellte. Und dann haben die Leute nichts mehr.

Die 3.000 Leute, die da Handys am Band produziert haben, haben sowieso schon wenig verdient. Und dann wurde gut 1.000 von ihnen gekündigt und sie bekamen einen Job in der extra geschaffenen Nokia-Leiharbeitstochter angeboten.

Wer solche Jobs hat, macht das aber vermutlich deswegen, weil er keine besonderen Qualifikationen hat und sollte vielleicht mal froh sein, dass er überhaupt eine Stelle hat und nicht arbeitslos ist.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Du kannst aber nicht argumentieren, dass den Nokia-Leiharbeitern die Qualifikation für ihren Job gefehlt hat, Schließlich haben sie ihn vorher bereits jahrelang gemacht und hinterher wieder. Leiharbeit wird in Bereichen missbraucht, das war einer davon. Und der wäre mit diesem Gesetz nicht möglich gewesen. Hier hat nur Nokia profitiert und kein einziger Angestellter.

Außerdem ist es zu kurz gedacht, Leiharbeiter als grundsätzlich Mitarbeiter mit geringer Qualifikation anzusehen. Rund 10 Prozent aller Absolventen eines ingenieurwissenschaftlichen Studiums landen mittlerweile in Zeitarbeit. Jede vierte Stelle für Ingenieure, Techniker und Chemiker wird als Zeitarbeit ausgeschrieben. Leiharbeit gibt es so viel wie nie zuvor und es betrifft nicht nur ungelernte Helfer.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Außerdem ist es zu kurz gedacht, Leiharbeiter als grundsätzlich Mitarbeiter mit geringer Qualifikation anzusehen. Rund 10 Prozent aller Absolventen eines ingenieurwissenschaftlichen Studiums landen mittlerweile in Zeitarbeit. Jede vierte Stelle für Ingenieure, Techniker und Chemiker wird als Zeitarbeit ausgeschrieben. Leiharbeit gibt es so viel wie nie zuvor und es betrifft nicht nur ungelernte Helfer.

Ich habe ja auch geschrieben, dass es für manche eine Station ist, die sie mal durchlaufen, dass sie dann aber was anderes finden. Das wird wohl auf die Ingenieure zutreffen. Die machen das mal eine Zeit lang und bewerben sich derweile woanders und finden dann einen anderen Job. Sie nutzen die Leiharbeit zur Überbrückung.

Wer aber über lange Zeit Leiharbeiter ist, der wird wohl deswegen nichts anderes finden, weil ihm eben die Qualifikationen fehlen und als ich selbst intern in einer Leiharbeitsfirma gearbeitet habe und mir die Bewerbungen angeschaut habe, da waren sehr viele dabei, die auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chance hätten. Ingenieure hatten wir auch verliehen, aber die haben das nur eine begrenzte Zeit gemacht und sich dann was anderes gesucht.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Und was wird durch die Gesetzesänderung daran nun schlechter? Außer dass man Leiharbeit nicht mehr unendlich ausdehnen darf und ab einem gewissen Zeitpunkt gleiche Arbeit gleich bezahlt werden muss? Wo siehst du da das Problem? Für seriöse Zeitarbeit gibt es da keins.

Aber Zeitarbeit drückt Löhne. Denn ein Arbeitgeber in einer Gehaltsverhandlung rechnet nicht Lohn Zeitarbeiter plus Gebühren an Verleiher im vergleich zum Gehalt Festangestellter. Er rechnet dem Bewerber vor: Bei der Zeitarbeit gibt es Betrag X für sie, bei uns gibt es etwas mehr. Und dieses Mehr liegt unter dem bisher üblichen Lohn für diese Position. Das sollte man also wirklich einschränken.

Zeitarbeit verhindert Karriere und Aufstiegschancen, Zeitarbeit gibt keine Perspektiven und keine langfristige Sicherheit. Und das ist für Arbeitnehmer alles wichtig. Seriöse Zeitarbeit zum Wiedereinstieg, zum Sammeln von Erfahrung oder als Eintrittskarte zu einem Job trotz schlechter Qualifikationen ist von den Änderungen überhaupt nicht betroffen.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ich habe doch schon mehrfach erläutert, worin ich das Problem sehe. Dann lies doch einfach mal meine vorherigen Beiträge. Wenn Leiharbeit teurer wird, was werden die Firmen dann tun? Ich tippe mal darauf, dass sie die Leiharbeiter dann gegen andere tauschen, damit sie nicht den höheren Lohn zahlen müssen. Oder sie setzen von vorne herein weniger Leiharbeiter ein. Somit wird Leiharbeit zurückgedrängt. Und es fallen Stellen in der Leiharbeit weg und diejenigen, die sonst nirgends was finden, werden arbeitslos.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Das ist aber kein Problem, außer du unterstellst, dass Leiharbeiter nur arbeiten machen, die unnötig sind. Sie Stellen können nicht unbesetzt bleiben. Und es lohnt sich bei langfristigen Einsätzen nicht, immer neue Arbeiter anzulernen. Da ist es einfacher, den Menschen, der sich bereits bewiesen hat, zu übernehmen. Zumal das nicht wirklich viel teurer wird, weil die Gebühr für den Entleihbetrieb entfällt.

Es kann schließlich nicht sein, dass immer mehr Menschen in Zeitarbeit für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen als fest angestellte Mitarbeiter. gerade bei einer geringen Qualifikation kommt es doch in erste Linie darauf an, ob jemand diesen Job beherrscht und zuverlässig ist. Das ist sieht man aber nach 18 Monaten nun wirklich. Und warum jemand, der beispielsweise Lampen montiert, weniger bekommen soll als der fest angestallte der Kollege, der im gleichen Takt Lampen montiert, das ist schwer zu erklären, oder?

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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