Rationalität als schlimm und langweilig empfinden?
Ich würde mich als ziemlich rationalen Menschen ansehen, auch wenn ich - wenn auch eher weniger - "emotionale" Momente habe. Nun könnte man natürlich so weit gehen und behaupten, dass Rationalität ziemlich langweilig ist. Denn so gesehen ist man ja vorhersehbar, wenn man es genau nimmt. Empfindet ihr Rationalität als schlimm und vielleicht sogar langweilig? So gesehen ist es ja gut, dass es Emotionen gibt, sonst hätten die Psychologen ja nichts zu tun oder seht ihr das anders?
Was hat jetzt bitte das eine mit dem anderen zu tun? Glaubst du wirklich, dass emotionale Menschen eher ein Fall für den Psychologen sind und rationale nicht? Letztere leiden einfach nur öfter an Zwangsstörungen, Depressionen und anderer Krempel ist ähnlich verteilt.
Außerdem gibt es kaum einen Menschen, der kein Mischtyp ist. Fast jeder ist beides zu unterschiedlichen Anteilen und alle können lernen, den jeweils geringeren Anteil zu aktivieren. Denn beide Eigenschaften sind vorteilhaft, es kommt halt auf die Situation an. Denn nicht nur klassische Intelligenz punktet, mit hoher emotionaler Intelligenz lässt sich auch viel bewegen.
Jetzt wird es aber ein bisschen verworren. Wieso sollte das Auftreten von Emotionen automatisch ein Fall für den Psychologen sein? Und Leute, die sich für "rational" halten, sind automatisch gegen psychische Anwandlungen und Gebrechen aller Art gefeit? Das wäre mir ja ganz neu, und zu Ende gedacht ist hier auch gar nichts.
Meiner Erfahrung nach sind gerade manche Leute, die behaupten, strikt logisch zu handeln und sich von Emotionen nicht beeinflussen zu lassen, psychisch mehr gebeutelt als Menschen, die den gesunden Umgang mit Gefühlen und instinktiven Regungen praktizieren und diese nicht nur einfach leugnen. Und jemand, der tatsächlich keine Gefühle hat, ist entweder ein Android oder eine Gefahr für die Öffentlichkeit.
Ich selber gefalle mir auch in der Vorstellung, ein eher vernunftorientierter Mensch zu sein, aber das hat natürlich beileibe nicht nur Vorteile. Zum Leben gehören auch Leidenschaften und Unvernunft, und man verpasst natürlich auch einiges, wenn man immer rational abwägt und die Finanzen, die Gesundheit sowie das soziale Ansehen im Blick behält. Deswegen kann man wohl auch sagen, dass ich vom Charakter her "langweiliger" bin als manche Leute, die sich eher von ihren Gefühlen/Hormonen leiten lassen.
Aber erstens bin ich nicht zum Entertainment meiner Mitmenschen auf der Welt, und zweitens habe ich mit fortschreitendem Alter den Eindruck, dass viele Leute, die sich in jüngeren Jahren noch als wilde, ungezähmte Freigeister ohne einen Funken Logik inszeniert haben, früher oder später doch das gleiche geordnete, nach Vernunftgrundsätzen aufgebaute Spießerdasein anfangen.
Ich würde mich selber auch als rationalen und realistischen Menschen bezeichnen, aber deshalb bin ich doch nicht weniger emotional als andere Menschen. Ich mache meine Entscheidungen wahrscheinlich weniger von Emotionen abhängig als Menschen, die in emotionalen Situation völlig kopflos und unreflektiert handeln, aber ich bin doch trotzdem in der Lage genau die gleichen Emotionen zu empfinden.
Und was Emotionen mit psychischen Problemen zu tun haben verstehe ich jetzt überhaupt nicht. Es gibt doch eine ganze Reihe Persönlichkeitsstörungen, bei denen mangelnde Emotionen und mangelnde Empathie gerade das Problem sind. Jemand, der einen eklatanten Mangel in diesen Bereichen hat ist nicht langweilig sondern eine potentielle Gefahr für sich und seine Umwelt.
Wie immer im Leben ist es natürlich am günstigsten, wenn man sich auch in diesem Spektrum irgendwo auf dem Mittelweg und in einer Balance befindet. Der total hysterische und von seinen Gefühlen völlig überflutete Mensche, der keinen klaren Gedanken mehr fassen kann muss aber nicht zwangsläufig weniger gestört sein als der Extremfall eines Rationalen, der gar keinen Zugang zu seinen Gefühlen hat und ihnen auf gewisse Art genauso ausgeliefert ist.
Es kommt auch gar nicht so selten vor, dass sehr unsichere und ängstliche Menschen eine extrem rationale Seite haben, die sie wie eine Monstranz vor sich tragen und die ihnen Stabilität in einer unsicheren Welt gibt. Die Gefahr dahinter ist oft, dass sie teilweise gar nicht wissen, warum sie in einer bestimmten Situation handeln, wie sie es eben tun. Demzufolge sind sie auch für Veränderung nicht offen, denn es ist ihnen ja gar nicht klar, welche Emotionen gerade in ihnen wüten. Das wird dann alles ganz rational abgespalten.
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