Rassismus auch in Deutschland steuerlich absetzbar?

vom 26.12.2016, 12:11 Uhr

Bei uns wäre so etwas sicher kaum vorstellbar, aber in den USA ist es Realität, dass man auch Spenden an rassistische Organisationen tätigen kann. Normalerweise verbindet man die USA mit liberalen Werten. Allerdings zeigt die Wahl Trumps, dass das Pendel auch dort wieder in die andere Richtung ausschlägt. Könntet ihr euch vorstellen, dass dies in Deutschland auch so einfach möglich wäre? Haltet ihr die deutschen Regelungen dazu nicht auch für überholt?

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Juri1877 hat geschrieben:Könntet ihr euch vorstellen, dass dies in Deutschland auch so einfach möglich wäre?

Was genau meinst du damit? Angenommen, du spendest erhebliche Summen an die NPD (oder die AFD ("Neben jemandem wie Boateng will man nicht leben")). Wieso sollten diese Spenden nicht auch absetzbar sein? Es ist nicht der Rassismus, welcher steuerlich "gefördert" wird. Viel mehr ist die entsprechende Organisation nicht verboten. Das könnte natürlich diskutiert werden.

Übrigens sind ja auch Spenden an die Kirche steuerlich abzusetzen, obgleich z.B. seit dem deutschen Papst Benedikt XVI. bei der Karfreitagsfürbitte der antisemitische Bestandteil wiederverwendet werden darf. Dabei hatte schon 1959 Papst Johannes XXIII. ein Einsehen und - auf Grund seiner historischen Erfahrung - diese Teile explizit ausgeschlossen. Heißt das jetzt, dass das deutsche Finanzamt Antisemitismus steuerlich fördert? Könntest du dir vorstellen, dass das mal in den USA möglich sein wird?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


In Deutschland gibt es auch etliche Parteien und Vereine, die man als rechtsradikal und rassistisch einstufen kann, die aber legal sind. Entweder sind sie zu klein, so dass sich niemand drum schert. Oder ein Verbot konnte sich bislang nicht durchsetzen, so wie bei der NPD.

Rassismus an sich ist ja auch erst mal nicht illegal. Das fällt unter Meinungsfreiheit. Nur, wenn man diese Meinung mit verfassungswidrigen Taten vereint, wird es illegal und solche Parteien und Vereine können verboten werden.

Aber solange sie nicht verboten sind, haben sie genau den gleichen Status wie die Regierungsparteien oder wie ein gemeinnütziger Verein, der Pullis für Frühchen näht. Und somit sind die Spenden an diese Parteien und Vereine steuerlich absetzbar. Da wird nicht unterschieden. Das wäre ja auch noch schöner in einem Rechtsstaat, wenn irgendwer ein Ranking von gemeinnützigen Vereinen aufstellen würde.

Wobei ich natürlich verstehen kann, dass es etwas sauer macht. Aber man muss es eben auf anderem Wege unterbinden. Man muss ihnen Verfassungswidrigkeit nachweisen und dann den Verein verbieten. Das ist der einzige rechtsstaatliche Weg, der aber leider aufwendig ist. Aber sie ohne Beweise vom System auszuschließen ist Zensur. Egal, wie doof deren Meinung unserer Meinung nach ist.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Bienenkönigin hat geschrieben:Rassismus an sich ist ja auch erst mal nicht illegal. Das fällt unter Meinungsfreiheit.

So was wird immer gerne ins Feld geführt, ist aber so generell nicht richtig. Denn die Meinungsfreiheit hat Grenzen - und diese Grenzen werden dann überschritten, wenn dadurch andere Freiheiten bzw. Rechte verletzt werden. Rassismus oder auch Sexismus usw. dienen der Diskriminierung und im Regelfall auch zur Rechtfertigung von Gewalt gegen Menschen. Und dies zu unterbinden, hat nichts mit Zensur oder der Verletzung der Meinungsfreiheit zu tun!

Bienenkönigin hat geschrieben:Man muss ihnen Verfassungswidrigkeit nachweisen

Um etwas als strafbar einzustufen, muss eine Tat nicht das Grundgesetz bzw. die Verfassung angreifen. Damit wäre die Hürde gegen Rassismus vorzugehen wesentlich niedriger, als allgemein angenommen.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



derpunkt hat geschrieben:
Bienenkönigin hat geschrieben:Rassismus an sich ist ja auch erst mal nicht illegal. Das fällt unter Meinungsfreiheit.

So was wird immer gerne ins Feld geführt, ist aber so generell nicht richtig. Denn die Meinungsfreiheit hat Grenzen - und diese Grenzen werden dann überschritten, wenn dadurch andere Freiheiten bzw. Rechte verletzt werden.

Das war ungeschickt ausgedrückt. Ich meinte, was zählt, sind letztlich die Taten. Einen Verein zu gründen, der sagt, dass die Weißen die einzig Wahren sind, fällt unter die Meinungsfreiheit. Gut, da will kein Schwarzer Mitglied sein. Aber im Strickverein will man auch nicht Mitglied sein, wenn man nicht strickt. Und solange die Mitglieder des Vereins nicht zu Gewalt angestachelt werden oder ständig andere beleidigen, kann man ihn nicht verbieten, nur weil sie ne doofe Meinung haben.

Bienenkönigin hat geschrieben:Man muss ihnen Verfassungswidrigkeit nachweisen

Um etwas als strafbar einzustufen, muss eine Tat nicht das Grundgesetz bzw. die Verfassung angreifen. Damit wäre die Hürde gegen Rassismus vorzugehen wesentlich niedriger, als allgemein angenommen.[/quote]
Bei einem Verein oder einer Partei muss man aber auch nachweisen, dass derjenige, der die Straftat begangen hat, nicht auf eigene Faust gehandelt hat. Dass einzelne Mitglieder für ihre rassistischen Taten hinter Gitter wandern, bildet nicht automatisch die Grundlage für ein Verbot des gesamten Vereins.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


derpunkt hat geschrieben:Angenommen, du spendest erhebliche Summen an die NPD (oder die AFD ("Neben jemandem wie Boateng will man nicht leben")). Wieso sollten diese Spenden nicht auch absetzbar sein? Es ist nicht der Rassismus, welcher steuerlich "gefördert" wird.

Dies sind interessante Gedankengänge, wobei ich selbstverständlich von Gemeinnützigkeit und nicht von Parteispenden ausgegangen war. Die Gemeinnützigkeit muss vom Finanzamt extra verliehen werden. Hier gibt es auch Ermessensspielräume. Parteispenden sind übrigens nur bis zu einem gewissen Betrag steuerlich absetzbar und die steuerliche Absetzbarkeit entsteht per Gesetz. Ich finde es auch etwas schäbig, der katholischen Kirche oder der AfD wegen einer Aussage Antisemitismus oder Rassismus zu unterstellen. Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 27.12.2016, 12:28, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Wenn hier Alexander Gauland in seiner Funktion als AfD Vize sich in so einer Form zu Boateng (der als gläubiger Christ seinen Glauben aggressiv nach außen trägt - mit einer tätowierten Maria und einem tätowierten Kreuz auf den Oberarmen) äußert, dann ist diese Aussage nicht gegen z.B. den Islam gerichtet. Boateng als christlicher deutscher Staatsbürger wird hier allein auf Grund seiner Hautfarbe angegriffen. Eine Frage daher: dass das rassistisch zu werten ist, steht doch außer Frage? Denn wenn nicht, erübrigt sich jede weitere Diskussion. Auszuschließen sind wirtschaftliche Gründe (Boateng lebt nicht von Hartz IV), staatsbürgerliche Gründe (ist deutscher Nationalspieler) oder eben religiöse Gründe (hatten ich schon beschrieben). Es bleibt der gewöhnliche Rassismus!

Wie jetzt der Brückenschlag zur AfD gelingt: wenn ein Vize einer Partei sich in so einer Form äußern darf und diese Äußerung später rechtfertigt (nicht etwa zerknirscht um Entschuldigung bittet) ohne parteiinterne Konsequenzen zu fürchten, dann spiegelt die Aussage offensichtlich massiv wider, wie die Mitglieder der Partei die Sache sehen. Und hier ist davon auszugehen, dass die Aussage von Gauland den Nerv getroffen hat und in der Partei als "mehrheitsfähig" zu sehen ist. Daher brauchen wir um die Gesinnung bzgl. Rassismus aus meiner Sicht nicht hier nicht weiter zu diskutieren. Es hat nichts mit "politischer Korrektheit" oder ähnlichen Floskeln zu tun. Es ist eine einfache rassistisch motivierte Aussage die von der Partei getragen wird.

Bzgl. Antisemitismus und Kirche muss ich mich etwas wundern, hier auf "wegen einer Aussage" zu verweisen. Auch ohne Religionswissenschaftler zu sein, sollte einem klar sein, welche Wichtigkeit die Karfreitagsfürbitte im katholischen Glauben hat. Das ist sehr nahe am der Existenzberechtigung dieser Organisation. Vom antisemitischen Geist dieser Fürbitten weiß die Kirche und hat genau und ausschließlich aus diesem Grund diese Texte geändert! Bis eben Hr. Ratzinger in eine Position gekommen ist, diese Änderung wieder so zu ändern, dass der antisemitische Teil wieder genutzt werden darf. Ist das wirklich nun "nur eine Aussage"? (Ein polnischer Papst hätte so wohl nicht gehandelt.)

Bzgl. Antisemitismus und die Protestanten empfiehlt sich die Schrift "Von den Juden und ihren Lügen" (von einem gewissen Luther). Das ist so etwas wie eine erste Blaupause für die "Reichskristallnacht". Eine Vernichtung der Juden wurde hier nicht gefordert. Ausschluss aus der Gesellschaft und Deportation war hier genug (man ist ja Christ).

Dann bitte ich einfach auch einmal auf die in Kirchen und an Kirchenmauern aufgebrachte Plastiken zu bewundern. Gemeinhin gelten "Judensäue" als bester Ausdruck dafür, wie die Kirche gegenüber den Juden steht. Noch heute werden diese "Kunstwerke" (ohne wenigstens eine Erklärung!) offen zur Schau gestellt. Der Antisemitismus ist Geschäftsprinzip der Kirche. (Aber auch bei anderen monotheistische Religionen die auf das Judentum folgten.)

Und Parteien wie Kirchen erfüllen die Bedingungen, welche gestellt werden, um als gemeinnützig anerkannt zu werden.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



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