Probleme durch Ansprechen automatisch vergrößern?

Ich bin der Ansicht, dass man Probleme gar nicht lösen kann, wenn man sie totschweigt und am liebsten gar nicht erst anspricht. Natürlich ist ein Gespräch keine Garantie dafür, dass man ein Problem auch lösen kann, aber Schweigen kann auch nicht die Lösung sein. Leider kenne ich Menschen, die meinen, dass man Probleme nur unnötig vergrößert und verschlimmert, wenn man sie anspricht.

Wie denkt ihr persönlich darüber? Habt ihr schon erlebt oder beobachtet, dass Probleme allein durch das Ansprechen und durch Gespräche größer und schlimmer geworden sind? Um welche Probleme ging es dabei? Oder findet das nur im Kopf der Betroffenen statt und hat mit der Realität gar nichts zu tun?

Also ich muss ganz klar sagen, dass der Ton die Musik macht. Und wenn man eben eine gewisse Art und Weise an den Tag legt, die "Wahrheit zu sagen", indem man andere nichts gelten lässt, sie nur fertig macht und kein gutes Haar an ihnen lässt, dann kann es durchaus sein, dass man ein Problem durch Ansprechen automatisch vergrößern kann.

Es kommt immer darauf an, welche emotionale Intelligenz ein Mensch hat. Es gibt durchaus Menschen, die es sehr gut können, Probleme so zu formulieren, dass niemand verletzt wird und trotzdem eine Lösung dafür gefunden wird. In großen Teams gibt es dafür zum Beispiel Supervisionen. Da wird unter Anleitung ein Thema oder mehrere Themen angesprochen, die dann gelöst werden.

Da gibt es dann auch gute Supervisöre und eben weniger gute. Man kann durchaus die Lage verschlimmern, wenn man seinem Job als Supervisor nicht gewachsen ist. Allerdings kann man das Team auch gut zusammen bringen, indem man die Probleme löst, weil man sie in einem geschützten Rahmen anspricht.

Ich bin eher die Person, die Probleme offen anspricht. Meistens habe ich damit auch Erfolg, da ich mich schon als emotional intelligent bezeichnen würde. Es gibt aber durchaus auch Menschen, die überhaupt nicht darauf ansprechen. Da ist es dann besser, die betreffenden Personen einfach zu ignorieren, denn nicht jeder ist dafür empfänglich.

Es gibt leider Personen, die immer auf der Suche nach Streit sind, egal was man macht oder wie man handelt. Diese Leute haben dann aber ein Problem mit sich selber und deshalb nehme ich mir das nicht mehr so zu Herzen.

Es kommt in meinen Augen auf den Zusammenhang an. Bei weitem nicht jedes Problem lässt sich durch "Ansprechen" lösen, und nicht allen Betroffenen bringt es etwas, ihre individuellen Schwierigkeiten mit anderen durchzuhecheln, damit es nicht heißt, man würde etwas "totschweigen". Wenn ich beispielsweise chronisch krank wäre, hätte ich zwar definitiv ein Problem, aber höchst wahrscheinlich keine Lust, ständig darüber zu reden. Manchmal möchten auch Leute mit Problemen einfach nur im Café sitzen und über Dritte ablästern.

Meines Erachtens gibt es einen schmalen Grat zwischen dem Verdrängen von Problemen und dem Zerreden. Und ich zumindest kann bei weitem nicht immer beurteilen, ob jemand, der das Thema wechselt, ein Problem totschweigen will, oder einfach nur nicht mit mir darüber reden, weil ich taktlos und naseweis bin oder schlicht und ergreifend der Meinung ist, dass zur aktuell laufenden Scheidung oder zum Heuschnupfen schon alles gesagt ist.

Jeder kennt wahrscheinlich mehrere Geschichten, die mit dem Ansprechen eines kleinen Problems anfingen und in einem handfesten Streit endeten, in dem dann so ziemlich alles, was in den letzten Jahren der Beziehung gestört hat auf den Tisch kam. Wenn man zu unsachlichen und emotionalen Diskussionen neigt ist es manchmal wahrscheinlich wirklich eine gute Idee wenn man die falsch ausgedrückte Tube Zahnpasta nicht thematisiert.

Und natürlich gibt es Probleme, die sich durch Gespräche nicht lösen lassen, weil es sich einfach nicht um die Art von Problemen handelt, die man mit Gesprächen lösen kann. Die vergrößern sich natürlich nicht wenn man darüber redet, aber die schlechte Laune, die vielleicht mit dem Problem verknüpft ist, kann sich vergrößern weil das Gespräch den Fokus wieder darauf legt.

Ich finde nicht, dass man Probleme grundsätzlich immer ansprechen muss und bin auch überzeugt davon, dass Probleme sich auf jeden Fall vergrößern können, indem man sie anspricht. Sicher ist das nicht bei jedem Problem so, wobei ich schon die Erfahrung gemacht habe, dass das möglich ist.

Manche Probleme lösen sich von selbst - einfach im Laufe der Zeit. Manchmal erledigen sich irgendwelche Dinge ja auch einfach. Wenn man beispielsweise nicht weiß, wie man rechtzeitig an einem bestimmten Datum zum Ort XY kommt, dann kann sich das Problem auch erledigen, indem der Termin beispielsweise abgesagt wird.

Manchmal hat man ja Probleme, die mit bestimmten Personen zusammenhängen. Mal angenommen das Problem würde sich ohnehin in absehbarer Zeit von selbst lösen, dann kann es ja durchaus sein, dass es sich vergrößert, wenn man mit der Person darüber spricht - dann beispielsweise, wenn sie mit Unverständnis reagiert und vielleicht sogar sauer wird und die Situation dann nur noch schlimmer ist als zuvor. Das bringt ja auch keinem etwas, so dass man eben abwägen muss.