Private oder gesetzliche Krankenversicherung wählen?
Darf ich euch mal etwas fragen? Ben, der Sohn einer Freundin trägt sich derzeit mit der Frage, ob er sich privat versichern soll oder bei der gesetzlichen Versicherung bleiben. Da ich in Österreich bin, bin ich ihr leider bei dieser speziellen Frage nicht gerade besonders hilfreich, da sie und ihr Sohn in Deutschland leben. Meine Freundin meint, er soll sich zur Sicherheit wegen der Vorteile privat versichern, da wäre er auch vor eventuell politisch verursachten Schwankungen der Leistung gefeit, was ich persönlich fast schon ein klein wenig paranoid finde...
Er wiederum möchte, wenn überhaupt, nur einen kleinen Beitrag ausgeben. Was haltet ihr davon? Denke mir, weiß es aber nicht genau, dass man dann aber auch nur das bekommt was man bezahlt, nämlich wenig. Das mag gut und schön sein, wenn man die Versicherung nicht benötigt was ihm zu wünschen ist, was aber wenn doch? Wäre nicht zumindest eine ordentliche bzw. umfangreiche private Zusatzversicherung sinnvoll? Eigene Familie hat er übrigens noch nicht und arbeitet selbständig während er nebenbei noch studiert. Hat jemand von euch vielleicht persönliche Erfahrungen, meiner Freundin helfen würden?
Ich persönlich bin immer gesetzlich versichert geblieben, obwohl mir die private Versicherung offen stehen würde. Was wirklich die bessere Option ist, kann ich auch nicht sicher sagen, und es hängt bestimmt auch von den jeweiligen Umständen ab. Für mich ist die gesetzliche Versicherung die bessere Wahl, weil die Beiträge auch im höheren Alter nicht gravierend ansteigen. Wenn ich es richtig verstanden habe, bezahlt man bei privaten Versicherungen als junger Mensch vergleichsweise wenig, aber die Beiträge können stark ansteigen, sobald man älter und häufiger krank wird.
Ich würde im Normalfall zu einer gesetzlichen Krankenkasse raten. Gerade im Alter sind die privaten sehr teuer. Auch wenn eine Familie geplant ist, ist die gesetzliche wesentlich günstiger.
Weil mein ehemaliger Mann Beamter war, mussten wir uns neben der Beihilfe privat versichern. Ich habe da keinerlei Unterschiede in der Behandlung bemerkt, außer dass ich nach der Geburt meines ersten Kindes noch einige Zeit in einem unbequemen Wartezimmer sitzen musste, um dem Chefarzt die Hand zu schütteln und einige sinnlose Fragen zu beantworten. Wahrscheinlich hat er dafür schwer abkassiert.
Auch als Freiberuflerin habe ich mich freiwillig gesetzlich versichert, was mir jetzt in der Rente viele Vorteile bringt. Die Versicherung war zwar teuer, weil ich ja auch den Arbeitgeberbeitrag zahlen müsste, aber in meinem Alter wäre eine private mindestens genauso teuer gewesen. Außerdem können die privaten Versicherungen fast willkürlich erhöhen, was bei den gesetzlichen viel stärker kontrolliert wird.
Ausnahmen gelten vielleicht für junge Leute, die sehr gut verdienen und mit ziemlicher Sicherheit keine Kinder haben werden. Für diese ist eine private Versicherung günstiger. Sie sollten dann aber genügend für ihr Alter zurücklegen.
Ein weiterer Nachteil der privaten Versicherungen scheint darin zu bestehen, dass viele Ärzte gern ihr gesamtes Untersuchungs- und Behandlungssortiment an einem anwenden, weil es lukrativ ist. Das kann vorteilhaft sein, muss es aber nicht. Manchmal sind weitere Behandlungs- und Untersuchungsmaßnahmen ja auch belastend und nicht gesundheitsfördernd.
Wenn der junge Mann sparen möchte, dann sollte er die Finger von der privaten Krankenversicherung lassen. Es gibt dort sehr gute Anbieter und wirklich gute Leistungen. ABER: Die kosten dann entsprechend viel und ein vernünftiger Grundtarif wird bei einem guten Anbieter kaum billiger als die Gesetzliche. Dafür hat er weniger Leistungen. Ein Basistarif, der eine ähnliche Absicherung bietet wie die Gesetzliche, ist teurer. Und die Premiumvariante, bei der er wirklich einen Unterschied merkt, wird noch kostspieliger.
Denn billige Tarife haben mindestens einen, wenn nicht zwei Haken. Ein guter Anbieter hat einen sogenannten offenen Tarif. Das bedeutet, dass alle Versicherten in einem "Topf" landen, die jungen gesunden ebenso wie die alten und mittlerweile kranken. Das macht die Versicherung im Vergleich zu anderen Anbietern teuer, aber weil immer junge, gesunde Versicherte nachrücken, wird es im Alter nicht so schlimm.
Die Versicherungen, die immer wieder billige Angebote haben, arbeiten mit geschlossenen Tarifen. Stell dir vor, du hättest im letzten Schuljahr gemeinsam mit deinen Klassenkameraden einen Krankenversicherungsverein gegründet. Ihr seit alle jung und gesund und alle zahlen nur wenig in den Topf ein, weil kaum kosten entstehen. Jetzt werdet ihr aber gemeinsam älter und nicht gerade gesünder. Wenn ihr paar Männekes jetzt die Kosten für Bluthochdruck, Diabetes, Rückenbeschwerden und so weiter allein tragen müsst, dann wird es übel teuer. Das ist ein geschlossener Tarif.
Natürlich sind bei einer privaten Krankenversicherung mehr Menschen in einem geschlossenen Tarif und das Alter ist etwas gemischter. Aber das Geschäft funktioniert eben genau so: Man lässt das Angebot einige Jahre bestehen, und sobald es teurer wird, weil die Versicherten älter und damit kränker werden, schließt man den Tarif und legt einen neuen auf. Die jetzt geschlossene Gruppe erhält keine jungen und gesunden Beitragszahler mehr und die Prämien explodieren.
Der andere Haken sind Selbstbeteiligungen oder Selbstbehalte. Entweder zahlt die Versicherung erst dann, wenn die Selbstbeteiligung, die bis zu 5.000 Euro pro Jahr betragen kann, erreicht worden ist. Oder es gibt immer nur z. B. 80% der Kosten zurück, bis die vereinbarte Grenze erreicht worden ist. Dazu kommen dann noch Bearbeitungsgebühren für jede eingereichte Rechnung, sodass man ewig in Vorkasse geht, weil sich das einreichen noch nicht lohnt.
Dazu kommt, dass so günstige Tarife beim Zahnarzt meist wenig leisten, Psychotherapie kaum bezahlt wird und Impfungen gibt es sowieso nicht. Da wird der billige Tarif schnell existenzbedrohend teuer und eine ordentliche Gesundheitsvorsorge ist nicht mehr gewährleistet. Wie gesagt, es gibt sehr gute Tarife, aber die sind dann nichts für Sparfüchse.
In jungen Jahren ist es halt so, dass eine private Krankenkasse mit vergleichsweise günstigen Beiträgen daher kommt, was halt für junge Leute, die fit und gesund sind ein sehr attraktives Argument ist. Mit steigendem Alter, wenn vielleicht dann ein Kind mitversichert werden muss oder mit zunehmenden Krankheiten werde aber dann vielfach die Beiträge nach oben angepasst, so dass man spät im Leben relativ viel für seine private Krankenversicherung bezahlen muss. Hinzu kommt, dass man heutzutage immer wieder liest, dass Ärzte Privatpatienten zu Versuchskaninchen machen, weil die Versicherer jeden Blödsinn bezahlen. Ich würde daher vielleicht den Mittelweg wählen, mich gesetzlich versichern und eine Zusatzversicherung privat abschließen.
Ich bin schon erstaunt wie pauschal hier die private Krankenversicherung verrissen wird und wäre mal gespannt mit welchen Fakten man diese pauschale Verurteilung erklären kann und will. Die Leistungen unterscheiden sich schon zwischen privater und gesetzlicher Versicherung und können dabei je nach Versicherung und Tarif in beide Richtungen ausschlagen.
Was man defintiv bemerkt, ist die schnellere Behandlung des Privatpatienten. Da kann man erzählen, was man will, als Privatpatient kommt man doch schon schneller dran bei vielen Ärzten und bekommt auch spezielle Untersuchung oft schneller und unkomplizierter. Die Frage ist natürlich immer ob man das auch immer alles braucht, was einem da so angeraten wird.
Was ich für mich persönlich der größte Vorteil ist, dass ich mir meinen Tarif selber zusammenstellen kann. Das heißt natürlich auch, dass man durchaus gesundheitsbewusst leben sollte, wenn man Geld sparen will und das man auch etwas Ahnung von Gesundheit und Medizin haben sollte. Damit kann man ja durchaus seine Absicherung wesentlich individueller gestalten. Und damit kann man durchaus auch wesentlich günstiger fahren ohne wirkliche Leistungseinbußen gegenüber der gesetzlichen Versicherung hinnehmen zu müssen. Man muss halt überlegen, was für einen wichtig ist und was nicht. Hierbei sollte man aber natürlich schon frühzeitig auch an die Alterswehwehchen denken.
Was aber hier im übrigen völlig falsch dargestellt wird, sind die angeblich möglichen willkürlichen Preiserhöhungen der privaten Versicherung und die Beitragsstabilität der gesetzlichen Versicherung. Das stimmt so nicht. Auch die privaten Versicherungen müssen nachweisen, dass sie auf höhere Beiträge angewiesen sind und sind dafür auf Gutachten von Fachleuten angewiesen. Natürlich können die zu Beitragserhöhungen führen. Exorbitante Erhöhungen treffen aber überwiegend Versicherungen, die mit günstigen Einsteigertarifen werben. Hier kann man sich aber ja belesen, wer halbwegs stabile Beiträge hat und wer gefühlt jedes Jahr erhöhen will.
Dabei sollte man aber nicht unterschlagen, dass auch die gesetzliche Versicherung jedes Jahr die Beiträge erhöht! Das geschieht ganz einfach über die jährliche Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen, wodurch in den letzten 10 Jahren ein Besserverdiener schon allein durch diese Anpassungen 25 Prozent mehr zahlen muss ohne dass am eigentlich Beitrag etwas geändert wurde. Das kommt dann noch oben drauf, dazu die schrittweise Leistungsausgliederung, wenn ich da zum Beispiel an Sehhilfen oder Zahnersatz denke. Also auch die gesetzliche unterscheidet sich da nicht wirklich und man kann im Prinzip an dem Beitrag der einem vorgesetzt wird nicht viel ändern.
Was natürlich keiner so richtig sagen kann, was die Krankenversicherung im Alter kosten wird. Mit Altersrückstellungen und vermeindlichen Zusatztarifen wird einem das bei der Privaten ja schön gerechnet. Ob das alles mal so kommt, dass man dann kaum mehr zahlt als heute, weiß ich nicht. Das weiß man aber auch bei der gesetzlichen nicht. Auch diese erhöht ja wenn man sich das mal so durchrechnet eben auch jedes Jahr die Beiträge um 2-4 Prozent. Das heißt nach 20-30 Jahren habe ich dann auch den doppelten Beitrag.
Auch kommt es auf die individuelle Situation an. So macht es für einen Beamten ja zum Beispiel kaum Sinn sich freiwillig gesetzlich zu versichern und dann den kompletten Beitrag selber zu zahlen, obwohl man mit privater Absicherung und Beihilfe quasi nur eine 30Prozent-Versicherung bräuchte. Auch darf man im Alter nicht vergessen, dass es viele Berufsgruppen gibt die im Alter keinen Zuschuss über die Rentenversicherung zu ihrer Krankenversicherung bekommen und dann mit Rentenbeginn plötzlich den kompletten Beitrag alleine stemmen müssen.
Demgegenüber steht zum Beispiel der Vorteil der kostenlosen Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse. Mehrere Kinder privat zu versichern kann schon recht teuer werden. Das sollte man also schon berücksichtigen und muss das zumindest für gut 20 Jahre in die eigenen Beiträge bei der Privaten einrechnen.
Also schlussendlich kann man so eine Frage nicht pauschal beantworten. Beide Versicherungen habe ihre Vor- und Nachteile und müssen dann individuell beantwortet und geprüft werden.
Klehmchen hat geschrieben:Ich bin schon erstaunt wie pauschal hier die private Krankenversicherung verrissen wird und wäre mal gespannt mit welchen Fakten man diese pauschale Verurteilung erklären kann und will.
Ich glaube, ich habe private Versicherungen weder pauschal noch verrissen. Ich hatte einfach meine persönliche Einschätzung formuliert, die mir als Begründung dient, warum ich persönlich lieber in der gesetzlichen Versicherung bleibe. Somit könnte ich auch keine formelle Begründung liefern, wie du sie hier zu erwarten scheinst.
@lascar: Das ging ja nicht nur gegen dich. Hier hat ja jeder in seinen Beiträgen, die private Krankenversicherung mehr oder weniger ausnahmslos schlecht dargestellt. Und das einzige Argument dafür ist bei allen dann immer, sie sei noch günstig, wenn man jung ist und im Alter kann man sie sich nicht leisten. Das mag sicherlich hin und wieder so stimmen, aber eben nicht immer. Und die gesetzliche Krankenversicherung ist eben auch im Alter nicht für jeden Menschen günstiger.
Ich müsste zum Beispiel im Alter den kompletten Beitragssatz alleine bezahlen ohne Zuschüsse zu bekommen. Da ich Stand heute davon ausgehe, dass ich eine relativ gute Bruttorente + Zusatzversorgung bekommen werden, könnte ich unter Umständen auch im Alter ganz alleine den Höchstsatz für die gesetzliche Krankenversicherung aufgebrummt bekommen. Rechnet man noch die jährlichen Anpassung der Beitragsbemessungsgrenzen und Regelbeiträge ein, könnte mich das genauso 1.000 Euro im Monat kosten.
Um dahin zu kommen, muss meine private Versicherung trotz Altersrückstellungen und Beitragsdämpfung ihre Beiträge bereinigt mehr als verdoppeln. Und selbst dann steht mir immer noch das Hintertürchen des Basistarifes offen mit vergleichbarem Leistungsangebot der gesetzlichen Kasse.
Das kann natürlich bei einem anderen Versicherten schon wieder ganz anders aussehen. Auch muss man bei dieser Rechnung berücksichtigen, dass unter Umständen auch die Zeit der günstigeren Beiträge im Erwerbsleben doppelt so lang sein kann, wie höhere Beiträge im Altern. Desweiteren kann man bei vielen privaten Versicherung auch Beitragsrückerstattungen mitnehmen, wenn man mal in einem Jahr wenig oder gar nicht zum Arzt geht. Das können schon mal 3-4 Monatsbeiträge sein. Das ist also alles recht schwierig und komplex und wirklich vernünftig berechnen kann man das alles erst, wenn man irgendwann mal ablebt.
Ich würde dem jungen Mann empfehlen sich privat zu versichern, wenn er die Möglichkeit dazu hat, denn die private Krankenversicherung hat neben den zahlreich genannten Nachteilen auch einige Vorteile, die vor allem in der Leistung liegen.
Ich spreche da aus Erfahrung, da ich ebenfalls bereits in jungen Jahren in die privat Krankenversicherung eintreten konnte und bereue es nicht. So bekommt man zum Beispiel alle vom Arzt verschriebenen Medikamente von der Krankenversicherung bezahlt und muss auch keine Zuzahlung leisten. Auch als Brillenträger spürt man die höheren Leistungen der privaten Krankenversicherung deutlich, so bekomme ich zum Beispiel 1000 Euro alle drei Jahre für eine neue Brille erstattet, oder sogar 1000 Euro jährlich, wenn sich meine Sehstärke signifikant ändert. Des weiteren habe ich in meinem Tarif eine sogenannte Rückerstattung des Beitrags, wenn ich nichts einreiche, das bedeutet, dass ich vier bis fünf Monatsbeiträge zurückerstattet bekomme, wenn ich ein Jahr keine Rechnung eingereicht habe, da lohnt es sich auch den Arztbesuch mal selbst zu zahlen und nicht einzureichen, dafür bekommt man aber einen ordentlichen vierstelligen Betrag erstattet.
Wichtig ist dabei, dass man nicht die billigste private Krankenversicherung wählt, die zwar anfangs billig ist, aber mit dem Alter immer teurer wird, vielmehr macht eine große private Krankenversicherung mit etwas höheren, aber dafür stabilen Beiträgen auf lange Sicht viel mehr Sinn. Sollte man, so wie ich, angestellt sein, dann übernimmt sogar der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags, bis zur Bemessungsgrenze. Dieser Anteil des Arbeitgebers fällt im Rentenalter zwar weg, aber gegen ein paar Euro im Monat mehr Beitrag kann man diesen Mehrbeitrag im Alter durch Rückstellungen in jungen Jahren ausgleichen und so bleibt die private Krankenversicherung auch im Alter günstig.
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