Praktikum verabscheuen, weil kein Lohn für die Arbeit
Ein Umschüler befindet sich derzeit in einem fünfmonatigem Praktikum. Trotz seiner Arbeitsleistung erhält er nur Arbeitslosengeld 2. Da er kurz vor seiner Abschlussprüfung steht, arbeitet der Umschüler selbstständig wie die Angestellten und hat die gleiche Leistung zu erbringen.
Eine Aussicht auf Festanstellung hat er in diesem Betrieb nicht. Da er quasi für nichts seine Arbeitskraft anbieten muss, ist der Umschüler sehr frustriert. Obendrein reden die Angestellten auch noch von Weihnachtsgeld und Prämien. Würdet ihr auch ein Praktikum verabscheuen, wenn ihr in dieser Zeit keinen Lohn erhalten würdet?
Ich weiß nicht, ob ich das würde. Das ist ein bisschen davon abhängig, ob der Job Spaß macht, oder nicht. Und wenn man dann fertig umgeschult ist, hat man ja doch in der Regel eine bessere Aussicht auf dem Arbeitsmarkt. Macht einen der Job dann noch Spaß, dann steht man die Zeit des unbezahlten Praktikums auch durch.
Fakt ist aber sicherlich, dass man motivierter arbeitet, wenn man davon etwas hat und auch entsprechend entlohnt wird. Ich hätte zum Beispiel auch keine Ausbildung gemacht, wo ich kein Lehrgeld erhalten hätte. Spätestens ab dem dritten Lehrjahr arbeitet man ja entsprechend gut und sollte dafür auch etwas erhalten. Bei einem 5-monatigem Praktikum sieht das dann schon anders aus. Je nach Job ist das ja gerade mal die Zeit, wo man sagen kann, dass man entsprechend eingearbeitet wurde.
Und Prämien und Weihnachtsgeld gibt es eh nicht überall und ist eine Sonderzahlung. Da muss man also genau genommen nicht neidisch drauf sein. Bei einem 5-monatigem Praktikum bekäme man anteilig eh kaum was an Weihnachtsgeld.
Schon mal den Satz "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" gehört? Immerhin scheint das Praktikum hier ein Pflichtpraktikum im Rahmen der Umschulung zu sein und dann noch zu fordern, dass man dafür Entlohnt wird wenn man doch staatliche Bezüge hat ist schon eine richtig freche Forderung. Andere arbeiten kostenlos ihr Anerkennungsjahr ab, damit sie sich hinterher mit einem Berufstitel schimpfen können und das ist nicht nur in einem Beruf so.
Aber mal als Beispiel. Als ich mein Anerkennungsjahr zur Rettungsassistentin gemacht habe, gab es noch keine Vorlagen was diese zu bekommen haben. Ich hatte Glück und habe für eine 60 Stunden Woche im Monat 980 Euro Brutto bekommen. Kollegen die beim ASB untergekommen sind, haben rein gar nichts bekommen und hatten die gleiche Stundenanzahl. Ansprüche auf Bezüge vom Staat waren in einigen Fällen nicht gegeben, da durften die Eltern für ihre Kinder in der Ausbildung alleine finanziell aufkommen.
Und dieses Praktikum geht mindestens 12 Monate, hat der Arbeitgeber dann keine Lust auf das Prüfungsgespräch schimmelte man dort auch mal 14-18 Monate als kostenlose Arbeitskraft herum. Das ganze hat sich erst seit 2 Jahren geändert, seit die Gesetze dazu entsprechend geändert wurden und festgelegt wurde, wie das im Praktikum zu laufen hat, was der Anerkennungspraktikant zu verdienen hat usw.
Für mich ist das hier jammern auf hohem Niveau. Die Person sollte einfach Dankbar sein, dass es eine Umschulung gibt und hinterher auch die Chancen wieder steigen eigenständig am Berufsleben teilnehmen zu können anstatt auf dem Sofa Zuhause zu sitzen und Hartz 4 bis an das Lebensende zu kassieren. Für mich ist das kein erstrebenswertes Leben und alleine die Aussicht auf eine anständige und richtige Anstellung später, würde mir als Motivation schon ausreichen. Gerade noch wenn ich mir finanziell ohnehin keine Gedanken machen muss, da ich berechtigt bin Bezüge zu kassieren. Das ist nicht Selbstverständlich auch wenn das hier offenbar komplett vergessen wird.
Diesen blöden Spruch, dass Lehrjahre keinen Herrenjahre sind, finde ich absolut unpassend. Denn der bezieht sich ja auf die Lehre und üblicherweise bekommen angehende Gesellen in der Lehre durchaus eine Entlohnung, nur eben nicht so viel wie fest Angestellte. Daher passt der Spruch hier gar nicht.
Im Studium musste ich auch Pflichtpraktika machen, für die ich nichts bekommen habe und da musste ich teilweise jemanden ersetzen, der in der Firma krank geworden war und ich übernahm komplett dessen Aufgaben und habe dafür nichts bekommen. Das finde ich schon sehr fragwürdig und meiner Ansicht nach entspricht das auch nicht den Regularien, wie ein Praktikum abzulaufen hat.
Ich finde es ohnehin fraglich, ob das unbedingt sein muss, dass man im Studium Pflichtpraktika macht. Für mich haben die nur den Studienablauf verzögert und das eine Praktikum war auch nicht sonderlich angenehm.
Da hilft es einem aber auch gar nicht, wenn jemand seine Leidensgeschichte auspackt und erzählt, wie schlimm er es doch hatte und dass alle, die nicht genauso viel für wenig Geld geleistet haben, doch gar nicht meckern dürfen. Eigentlich müsste man da was an den Umständen ändern.
Es hat sich ja auch schon etwas getan, sodass etwa bei freiwilligen Praktika der Mindestlohn gezahlt werden muss. Aber es sollte auch so sein, dass dies genauso für Pflichtpraktika gilt, wenn man da im Prinzip vollwertige Arbeit leistet.
Fünf Monate sind schon eine lange Zeit. Aber wenn es sich um ein Pflichtpraktikum handelt, muss man da eben durch, um später einen besser bezahlten Job zu bekommen. Selbst wenn es jetzt mit der Übernahme nichts wird, hat man dennoch schon einen Fuß in der Tür und kann entsprechende Erfahrungen und vielleicht sogar Referenzen vorweisen.
Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man nicht mit Leichenbittermiene durch den Betrieb schlurft und nur die allernötigsten Handgriffe macht, weil man ja sowieso nichts dafür bekommt, sondern aus der Situation das Beste macht. Außerdem kann man sich meiner Meinung nach in jede missliche Lage noch zusätzlich hineinsteigern und seinen Job oder was auch immer "hassen" und "verabscheuen", wenn er in Wirklichkeit auch nicht nerviger ist als der Durchschnitt. Aber was sollte das schon bringen?
Ich habe auch schon freiwillige, unbezahlte Praktika in der Hoffnung gemacht, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Aber im Museum ist das tatsächlich ziemlich hoffnungslos, wenn man sich nicht praktisch jahrelang für einen Hungerlohn hochdient. Mir hat die Arbeit trotzdem Spaß gemacht. Geld hatte ich sowieso keines, Zeit hatte ich auch, und gelernt habe ich eine Menge. Länger als vier Wochen habe ich dafür jedoch auch nicht drangegeben, aber bei einem Pflichtpraktikum hätte ich durchaus noch länger durchgehalten. Der Job an sich und die Kollegen waren ja mehr als in Ordnung.
Eine Umschulung ist doch schon mal etwas. Danach hat man dann auch wieder etwas vorzuweisen und selbst wenn man nicht übernommen wird hat man doch schon mal einen guten Eindruck gemacht und kann dann später übernommen werden, wenn es passt. Ich würde das nicht als unsinnig abtun. Viel schlimmer würde ich es finden, wenn ich den ganzen Tag zu Hause sitzen müsste und nichts machen könnte. Da mache ich lieber etwas, was mir später auch etwas bringen könnte.
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