Peinlich, wenn man bei einfachen Sachen Hilfe braucht?
Ich habe eine Kollegin, die von Geburt an blind ist. Bei uns auf Arbeit kommt sie aber trotzdem sehr gut zurecht. Bei einigen Kleinigkeiten hat sie aber dennoch Probleme. Kürzlich bat sie mich heimlich um Hilfe, also so, dass die anderen Kollegen das nicht mitbekommen. Sie hatte sich wohl ein neues Deo gekauft und bat mich, ihr vorzulesen von welcher Marke dies wäre und wie es heißt. Es war ihr unsagbar unangenehm und peinlich bei so einer einfachen, aber gleichzeitig intimen Sache um Hilfe zu bitten. Man hat ihr das richtig angemerkt.
Ich finde es jedoch gar nicht schlimm, wenn man bei solchen Sachen um Hilfe bittet. Wie hätte sie das als Blinde sonst lesen können auf die Schnelle? Ich denke, ich hätte da genauso gehandelt. Ist es euch peinlich, wenn ihr bei einfachen Sachen Hilfe braucht, die anderen Menschen aber total leicht fallen würden?
Ich kann durchaus nachvollziehen, dass jemand, der mit einer Behinderung lebt, besonders viel Wert darauf legt, möglichst alleine zurecht zu kommen und schnell das Gefühl hat, anderen zur Last zu fallen. Das muss natürlich auch nicht immer zutreffen. Genauso gut kann ich mir vorstellen, dass sich jemand hinstellt und sagt: Ich bin nun mal blind (oder was auch immer). Woher soll ich wissen, was auf dem Straßenschild drei Meter über mir steht? Oder: Meine Gehbehinderung ist hier nicht das Problem, sondern die Tatsache, dass das verdammte Landratsamt keinen rollstuhlgerechten Zugang hat! Letzten Endes ist es wohl eine Frage des Charakters oder auch des Selbstwertgefühls, ob man seine Einschränkungen möglichst niemandem zeigen will oder offensiv dazu steht.
Mir selber sind generell wenige Dinge "peinlich", da ich genau weiß, dass wir alle im Prinzip gleich sind und gerade die Leute, die immer so souverän und überlegen wirken, auch Fehler machen, und manche Dinge nicht können. Natürlich ärgere ich mich schon manchmal über meine eigene Unbesonnenheit, gerade wenn sie mit zusätzlichem Aufwand an Geld, Zeit oder Umständen verbunden ist. Aber "Peinlichkeit" hat für mich immer etwas damit zu tun, wie man vor anderen dasteht, wenn man diesen oder jenen Fehler begeht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass das meiste, was einem "peinlich" sein könnte, der Umwelt überhaupt nicht auffällt, weil die Leute allesamt mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten beschäftigt sind.
Das blinde Menschen um sowas bitten müssen ist unvermeidbar. Ich fände das nicht peinlich und weiß auch nicht, warum die Betroffene sich deswegen geschämt hat. Peinlich wäre es eher, wenn man wegen einfacher Sachen um Hilfe bittet, die man eigentlich selbst verrichten kann oder sogar können sollte. Ich habe beispielsweise bei uns im Labor immer wieder Studenten, die die einfachsten Aufgaben nicht verrichten können. Sowas ist peinlich, weil es von ihnen erwartet wird und sie dazu in der Lage sind. Aber wenn man nicht sehen kann, bleibt einem nichts anderes übrig und peinlich finde ich das nicht.
Ich kann es mir vorstellen, dass es deiner Kollegin vor allem deswegen peinlich war, weil es sich um so eine recht intime Sache handelte. Sicher ist es eigentlich eine einfache Sache, aber deine Kollegin möchte wahrscheinlich einfach möglichst ohne Hilfe zurecht kommen, was in ihrer Situation natürlich nicht so leicht ist. Darum wird sie es vielleicht auch unangenehm finden, wenn sie doch mal Hilfe braucht.
Auch wenn ich es verstehen kann finde ich nicht, dass einem so etwas unangenehm sein muss. Es ist doch eine ganz einfache Frage und es kann doch jedem mal passieren, dass man bei einfachen Dingen Hilfe braucht, also bei Dingen, die einem selber in dem Moment nicht leicht fallen, anderen Menschen aber schon.
Sicherlich ist es einem schon unangenehm, wenn man sonst gut klarkommt, dann bei scheinbar einfachen Sachen auf andere Leute angewiesen zu sein. Dies finde ich aber auch gar nicht so schlimm. Wenn ich Hilfe brauche, dann frage ich auch danach, egal wie einfach es vielleicht für andere Menschen zu sein scheint. Man fragt ja nicht umsonst, sondern weil man es selber nicht hinbekommt. Hilfe anzunehmen ist nichts, weswegen man sich schämen muss und gerade als blinder Mensch kann man nun mal auch nicht alles perfekt wie ein sehender Mensch.
Ich finde es nicht verwunderlich, dass es einigen hilfebedürftigen Menschen unangenehm ist nach Hilfe zu fragen. Immerhin reagieren Mitmenschen auf diese Hilfebedürftigkeit teilweise genervt, ungeduldig oder nicht besonders verständnisvoll. Man kann nicht alles wissen und auch einfache Sachen muss man mal lernen oder gezeigt bekommen.
Als Kind habe ich beispielsweise bei meiner Großmutter übernachtet. Ich war vielleicht zwölf Jahre alt und meine Großmutter wollte, dass ich für sie Kaffee koche. Ich habe das aber noch nie gemacht oder machen müssen, weswegen ich keine Ahnung hatte, wie man eine Kaffeemaschine bedient, was ich ihr auch sagte.
Ich musste mir eine Standpauke anhören, dass andere Kinder in meinem Alter so etwas wissen und es total einfach wäre. Meine Schwester hätte das schon in dem Alter getan und sie hätte kein Verständnis für mich. Bei der langen Rede hätte sie mir bestimmt schon zweimal erklären können, wie man eine Kaffeemaschine bedient. Und das ist nun auch keine Meisterleistung oder besonders schwer.
Ich habe es tatsächlich noch nie erlebt, dass es einem behinderten Menschen peinlich war bei etwas um Hilfe zu bitten, dass er wegen der Behinderung ganz offensichtlich nicht selber erledigen konnte. Warum auch? Es ist doch nicht die Schuld einer Blinden, dass die Verpackungen nicht auch in Blindenschrift beschriftet sind und die Kleinwüchsige kann nichts dafür, dass die Regale im Supermarkt für sie zu hoch sind.
Ich habe bei dieser Überschrift an Dinge gedacht, die man tatsächlich selber erledigen könnte wenn man wollte. Ich habe es zum Beispiel schon erlebt, dass bei einer Frau eine Lampe nicht ging und sie meinte dann, dass ihr Mann wohl die Glühbirne austauschen müsste.
So etwas wäre mir tatsächlich peinlich. Oder wenn ich selber keinen Nagel in die Wand schlagen könnte oder mich bei irgendwelchen anderen handwerklichen Sachen anstellen würde und immer auf männliche Hilfe warten würde. Oder auch so ein Klassiker - Frauchen ist zu dumm um die verirrte Spinne selber vor die Tür zu befördern und kreischt nach dem starken männlichen Retter. So ein Verhalten wäre mir auch extrem peinlich.
So etwas wie in dem Beispiel finde ich absolut nicht peinlich. Es st doch völlig logisch, dass man als Mensch mit Behinderung immer öfter auf die Hilfe anderer angewiesen ist, als als völlig uneingeschränkter und gesunder Mensch. Dabei ist es auch egal, um welche Behinderung es sich handelt. Dass man da öfter mal Hilfe braucht, ist verständlich und sollte einem nicht peinlich sein.
Ansonsten kann es durchaus peinlich sein, dass man sehr einfache Sachen plötzlich nicht schafft, weil man völlig auf dem Schlauch steht. Mir ist das vor kurzem erst passiert, wobei es mir dann auch direkt aufgefallen ist, nachdem ich um Hilfe gesagt hatte. Mir war das schon sehr peinlich, wobei so etwas ja aber durchaus auch mal vorkommen kann. So etwas ist ja aber auch schnell wieder vergessen und daher halb so schlimm.
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