Parlamentsentscheidung zum Brexit eine Schande?
Sorry, das ganze Drama hat angefangen, als Cameron vor vier oder fünf (?) Jahren dem europaskeptischen Flügel seiner Partei und der UKIP versprochen hat, ein Referendum zu veranstalten, wenn er die alleinige Entscheidung hat. Er ist fahrlässig davon ausgegangen, dass es dazu nicht kommt, weil er die Regierung nur mit den Liberaldemokraten gemeinsam halten konnte.
Überraschend erreichten die Konservativen die Mehrheit und das Votum kam. Und dass man mit dem Ergebnis auf keinen grünen Zweig kommt, das ist doch klar. Es ging quasi halbe-halbe aus. Ob Brexit oder nicht ist egal, die eine Hälfte ist auf jeden Fall unzufrieden.
Und nimmt man nur die Befürworter, wird es nicht besser. Die Hardliner wollen ohne Vertrag raus. Aber es sind nicht alle Hardliner. Schließlich wurde für den Brexit mit dem Argument geworben, dass das Königreich in der Zollunion verbleibt. Wie immer das auch gehen soll. Aber viele Brexiteers wollen raus und eng verbunden bleiben. Das geht nicht zusammen. Das bringt kein Premier unter einen Hut.
Und die EU-Anhänger? Die kommen mehrheitlich aus zwei Landesteilen, deren Interessen nicht berücksichtigt werden. Die Schotten sind nur wegen der Mitgliedschaft noch da und bekommen jetzt die Nachteile des Brexits. Und Nordirland wird benutzt, wie es gerade passt. Auch das kann nicht gut gehen und es gibt eigentlich keine gute Lösung.
Klehmchen hat geschrieben:Vor allem Entscheidungen von internationaler Tragweite sind für viele Menschen kaum halbwegs nachvollziehbar. Da hängen zu viele Dinge dran, um die sich die wenigsten Menschen kümmern wollen oder wofür sie sich interessieren.
Mein Eindruck ist, dass auch viele Volksvertreter dies genauso wenig verstehen. In der Schweiz funktioniert dies schon seit 100 Jahren. Wer bestimmt eigentlich, wann "einfache Bürger" etwas nicht entscheiden dürfen?
cooper75 hat geschrieben:Sorry, das ganze Drama hat angefangen, als Cameron vor vier oder fünf (?) Jahren dem europaskeptischen Flügel seiner Partei und der UKIP versprochen hat, ein Referendum zu veranstalten (..)
Ja klar. Ich meinte damit nur, dass die vorgezogene Neuwahl und der Verlust der Mehrheit mit dazu beigetragen haben, dass es schon gefühlte tausend Abstimmungen über Verträge gab, die alle abgelehnt wurden. Mit anderen Mehrheitsverhältnissen würde das wahrscheinlich anders aussehen.
In der Schweiz funktioniert dies schon seit 100 Jahren. Wer bestimmt eigentlich, wann "einfache Bürger" etwas nicht entscheiden dürfen?
Du weißt aber schon, dass Volksentscheide auf Bundesebene - das sind die Abstimmungen, die das ganze Land betreffen - in der Schweiz NICHT über eine einfache Mehrheit entschieden werden, oder? Also ist der Vergleich zum Brexit Votum hier überhaupt nicht gegeben. Informierst du dich eigentlich jemals richtig über ein Thema?
Und lustiges Demokratieverständnis hast du, dass du hier ein Land als Vorbild darstellen willst, dass erst seit etwa 50 Jahren Frauen erlaubt zu wählen. Wenn die Hälfte der Bevölkerung 50 Jahre lang ausgeschlossen war kann man wohl kaum davon reden, dass ein Wahlverfahren seit 100 Jahren toll funktioniert, oder?
Juri, nach deinem Schweizer Modell hätte es den Brexit nicht gegeben, weil die beteiligten Landesteile keine Mehrheit erreicht haben. Außerdem ist ein Wahlsystem, was in einigen Bereichen der Schweiz Frauen bis vor 30 Jahren die Teilnahme an Volksabstimmung verwehrt hat, nicht sehr demokratisch, oder?
cooper75 hat geschrieben:Juri, nach deinem Schweizer Modell hätte es den Brexit nicht gegeben, weil die beteiligten Landesteile keine Mehrheit erreicht haben.
Hier muss ich aber einmal intervenieren und dem Juri widererwartend zur Seite springen. Doch nach meiner Auffassung des schweizer Wahlrechts und einem Vergleich zu Großbritannien, wäre der Brexit trotzdem durchgewunken worden. In der Schweiz braucht man auf Bundesebene ja sowohl die einfache Mehrheit der Wähler als auch eine einfache Mehrheit unter den Kantonen. Überträgt man das auf Großbritannien hat Großbritannien in insgesamt 12 Regionen gewählt. In Schottland, Nordirland, Wales und dazu 9 englische Wahlregionen. Und nur London, Schottland und Nordirland hatten eine Mehrheit für Remain. Somit haben sowohl die Mehrheit der Wähler für den Brexit gestimmt als auch die Wahlregionen mit 9 zu 3 für den Brexit. Damit wäre auch nach schweizer Wahlrecht der Brexit durchgewunken worden, wenn auch nur knapp.
Nichts desto trotz muss man sich natürlich fragen, wie demokratisch eine Entscheidung ist, wenn sie ersten unter einer fragwürdigen Fragestelle durchgeführt wird, zweitens mit mehr Lügen als Fakten begründet wird und drittens zu einer nachhaltigen Spaltung eines Landes führt, mit der kaum noch einer umgehen kann. Es ist ja nicht so, dass hier tatsächlich ein Abbild der Stimmung im ganzen Königreich wiedergegeben wurde. Die Schotten, aber auch auch die Nordiren und Londoner haben ja im Gegensatz zum Gesamtergebnis keinesfalls ein knappes Ergebnis abgeliefert, sondern teilweise mit 2/3-Mehrheiten für den Verbleib gestimmt. Eben auch, weil diese von der EU-Mitgliedschaft profitieren. Und wie man sieht, hat sich diese Einstellung in den letzten 3 Jahren auch nicht geändert und führt gerade in Schottland dazu, dass dort dauerhaft über eine Möglichkeit der Abspaltung von Großbritannien debattiert wird.
Am Ende hat man da eine Abstimmung durchgeführt ohne einen Plan für den Erfolgsfall bei den Brexiteers zu haben und hat für de facto bisher Nichts die Spaltung des ganzen Landes in Kauf genommen.
Klehmchen, da widerspreche ich. Denn du kannst die Regionen in Großbritannien nicht mit den Kantonen gleichsetzen. Eigene Parlamente haben nur Wales, Schottland und Nordirland. Selbst wenn man England ohne eigenes Parlament als stimmfähigen Landesteil anerkennt, dann kommt man nur auf eine Pattsituation.
Ob man das nun eins zu eins gleichsetzen kann ist sicherlich eine schwierige Frage. Aber mit irgendeiner Grundlage muss man ja arbeiten. Und die Wahlkommission hat das Ergebnis ja in exakt diese Regionen aufgeschlüsselt und man kann ja doch nur schlecht Wales, Schottland und Nordirland jeweils als eine Region bezeichnen, die zusammen über knapp 10 Millionen Einwohner verfügen und dem gegenüber dann England als eine Region stellt, die mehr als 55 Millionen Einwohner hat. Das verzerrt dann ja das Wahlergebnis ungemein.
Von daher macht es schon irgendwo Sinn, dass man England als Region respektive Kantonsäquivalent doch noch einmal irgendwie aufteilt. Andernfalls könnten sonst ja Wahlergebnisse noch dramatischer verfälscht werden als es die Amerikaner mit ihrem Wahlmännersystem bei der Präsidentenwahl machen. Man stelle sich vor, ganz England hätte geschlossen für den Brexit gestimmt mit 20 oder 30 Millionen Stimmen. Und mit knappen Wahlergebnissen in Nordirland, Schottland und Wales mit vielleicht 51 zu 49 Prozent Abstimmungen kann man dann mit 2-3 Millionen Stimmen die ganze Wahl kippen. So etwas kann in einer Demokratie nie und nimmer funktionieren und entspricht ja eben auch dem Prinzip, dass die EU seit Jahren lähmt.
Inzwischen wurde wieder gewählt und das Votum der Briten war eindeutig. Ich denke, die Briten haben sehr klar und deutlich gemerkt, dass sie von außen manipuliert werden sollten. Ich finde diese Unterhaltung als das Letzte. Man sieht deutlich, dass die EU eine Zwangsgemeinschaft ist, die mit massivem Druck zusammengehalten werden muss. Von den Vorteilen der EU war niemals die Rede. Wahrscheinlich gibt es sie nicht.
Juri1877 hat geschrieben:Wahrscheinlich gibt es sie nicht.
Du meinst also Freizügigkeit, Reisen ohne Ausweiskontrollen, das Wegfallen vom nervigen Währungsgetausche sind keine Vorteile? Na meine Güte, du redest doch starken Tobak. Wenn die EU keine Vorteile brächte, warum steht dann nahezu die gesamt Wirtschaft einem Brexit so skeptisch gegenüber? Warum verlegen Unternehmen Teile ihrer Produktion auf das europäische Festland, wenn das doch eigentlich alles egal ist?
Warum reden alle Wirtschaftsexperten davon, dass wir als Deutschland so sehr von freien Handel in der EU profitieren und wir lassen uns das doppelt so viel Geld kosten wie die Briten?
Sicher kann man unterschiedlicher Meinung dazu sein, wie sehr man von einem Parlament und Rat in Brüssel aus regiert werden will und was man sich so etwas kosten lassen will. Das ist aber eine reine subjektive Betrachtung und hat wenig mit Logik zu tun. Das ist aber in Ordnung, wenn man sagt, man will für sich selber entscheiden. Deswegen kann man aber doch nicht ernsthaft behaupten wollen, dass die EU als Staaten- und Wirtschaftsgemeinschaft keine Vorteile haben sollte.
Allein wenn man sich die Zahlen mal wirklich anschaut, dann haben sich die Briten natürlich manipulieren lassen. Aber sicherlich nicht oder nicht nur von der EU, sondern hauptsächlich von Boris Johnson und den Brexiteers. Die haben ja davon geredet, dass sie jede Woche 350 Millionen Pfund an die EU schicken, die sie dann in den National Health Service stecken wollen. Das Problem ist ja nur, dass das dann 18.200 Milliarden Pfund wären. Dabei zahlen die Briten netto aber nur knapp 7.000 Milliarden Euro. Wenn man das beides in Euro rechnet, unterschlagen die Brexiteers dabei 14.000 Milliarden Euro, die sie jedes Jahr auch wieder über verschiedene Töpfe zurückbekommen haben.
Na ja, aber jetzt können sie ja zeigen, was sie so draufhaben. Die Mehrheitsverhältnisse sind ja jetzt klar. Dann dürfte ja dem Brexit Anfang 2020 nichts mehr im Weg stehen. Aber bisher habe ich trotzdem noch nichts Konkretes gehört, wie es danach weitergehen soll.
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