Orte noch bereisen bevor sie Klimakrise zum Opfer fallen?
Unter dem Begriff "Last Chance Tourism" wird eine Form des Reisens bezeichnet, die das Phänomen beschreibt, dass Menschen gezielt an Orte reisen, die es vermutlich in absehbarer Zeit so aufgrund äußerer Umstände wie der Klimakrise in ihrer Schönheit nicht mehr geben wird.
Aus psychologischer Sicht macht die Tatsache für manche Urlauber den Ort besonders attraktiv, dass diese am stärksten bedrohten Naturräume auf diese Art und Weise bald nicht mehr zu sehen sein werden. So werden eh schon bedrohte Orte zu Touristen-Hot-Spots.
Als Beispiele für solche Orte wurde zum Beispiel das Great Barrier Reef genannt, welches Opfer der Korallenbleiche ist. Ein weiterer solcher Ort ist Machu Picchu in Peru. Die Inka-Stätte wurde so intensiv besichtigt, dass der Boden großen Schaden genommen hat und unter Erosion leidet. In Venedig dagegen leiden vor allem die Einheimischen unter dem Massentourismus und den daraus entstehenden Müllbergen.
Gibt es Orte auf der Welt bei denen euch tatsächlich auch schon mal der Gedanke kam, diese bereisen zu wollen bevor es vielleicht nicht mehr geht? Macht es solche Ort aufgrund ihrer "Vergänglichkeit" tatsächlich attraktiver? Verzichtet ihr bewusst auf das Reisen an solche Orte, um diese zu schonen bzw. dem Massentourismus zu entgehen? Was haltet ihr generell vom "Last Chance Toursim", könnt ihr Menschen verstehen, die da mitmachen?
Ich möchte seit Jahren gerne mal New York an Weihnachten besuchen und Eislaufen gehen, aber es sollte schneien dabei. Das wird wohl in Zukunft eher schwer werden, daher werde ich auch nicht mehr zu lange warten. Überlaufene Touristenorte würde ich nie besuchen, die Menschenmenge würde mich abschrecken und mir jeglichen Spaß rauben.
Für mich fühlt sich das zutiefst falsch und dekadent an, einerseits quasi aktiv zum buchstäblichen Untergang der Orte beizutragen, und es gleichzeitig mit meinem Gewissen vereinbaren zu können, noch mal mit 10 000 anderen irgendwo durch zu trampeln oder irgendwas anzuglotzen, bevor es im Müll oder Meer oder einer Mischung aus beidem versinkt. Es handelt sich ja nicht um irgendwelche Kulissen, sondern Teile eines geschlossenen Systems, das hier allmählich ins Kippen gerät und mich genauso betrifft wie den Rest der Menschheit.
Ich hätte nicht mal morbide Freude daran, etwa auf den Malediven herum zu hüpfen in dem sicheren Wissen, dass der Archipel sprichwörtlich dem Untergang geweiht ist, auch wenn ich vielleicht nicht mehr erleben werde, wie die Bevölkerung ihre Sachen packen muss. Und auf dem Weg dahin habe ich noch dazu munter CO2 in die Atmosphäre geblasen, damit es schneller geht.
Und genauso geht es mir mit von Overtourism überschwemmten Sehenswürdigkeiten. Ich hätte auch keine Freude daran, dem Taj Mahal dabei zuzusehen, wie es der Smog zerfrisst oder auf dem Mount Everst Schlange zu stehen und bestenfalls gefrorene Kacke, schlimmstenfalls meinen gefrorenen Leichnam dort zu hinterlassen.
Bascolo hat geschrieben:Das wird wohl in Zukunft eher schwer werden, daher werde ich auch nicht mehr zu lange warten.
Wobei die Situation in Nordamerika eine andere ist als in Mitteleuropa. Dort wirkt sich der Klimawandel anscheinend eher so aus, dass die Wetterextreme deutlich zunehmen: enorme Schneemassen im Osten und in den zentralen Regionen, Überschwemmungen oder extreme Trockenheit (je nach Region) im Westen. Das heißt, dass Schnee in New York durchaus weiterhin vorkommen wird, ggf. sogar zu viel des Guten.
Ich kann Gerbera nur in jedem Punkt zustimmen. Unter anderem dieser ganze Tourismus, diese weiten Reisen tragen massiv zur Klimakrise bei. Ich kann es einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, zur Zerstörung beizutragen, indem ich Teil dieses morbiden Massentourismus werde.
Das würde sich genauso falsch anfühlen, als hätte man die Queen zwei Wochen vor ihrem Tod öffentlich ausgestellt, damit jeder sie noch mal begaffen kann und ohne Rücksicht darauf, dass der Stress sie schneller sterben lässt. Ich hätte es bei der Queen nicht getan, warum soll ich es also bei bestimmten Gebieten oder Gebäuden tun, wenn diese dann nicht nur "sterben", sondern der gesamte Planet darunter leidet und eventuell sogar schneller zerstört wird?
Ich finde schon allein diese Denkweise, sich solch gefährdete Orte extra noch mal anzusehen ohne Rücksicht darauf, zum schnelleren Untergang beizutragen, ziemlich egoistisch und völlig unsozial gegenüber allen anderen Bewohner dieses Planeten. Das ist für mich im Endeffekt die ultimative Steigerung zu den Hamsterkäufen, wo auch jeder nur an sich selbst denkt und überhaupt nicht an andere Menschen, obwohl theoretisch für alle genug vorhanden wäre.
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