Onlineapotheke doch gedrucktes Rezept?
Wieder ein neuer Werbespot, der sich auf aktuelle technische Veränderungen bezieht, die wohl über kurz oder lang die Gesamtheit der Bevölkerung betreffen, zeigt einen "millionenschweren" Schauspieler, der anscheinend seinen Kuchen mit dem Smartphone abfotografiert. Er erklärt dann der neugierig gewordenen hinzugeeilten Bedienung, dass er in Wirklichkeit eine Bestellung für ein Arzneimittel aufgebe, das er in einer Online-Apotheke beziehen möchte.
Mir stellt sich die Frage, wieso muss jetzt wieder ein Ausdruck vom Rezept erfolgen, obwohl von Herrn Gesundheitsminister Lauterbach genau das nicht die Regel sein sollte, sondern überflüssiger Papierkram wegfallen solle.
Das E-Rezept soll bestimmungsgemäß aufs Smartphone geladen werden, oder auf die "Gesundheitskarte". Der Patient schleppt sich mit letzter Kraft zur nächstgelegenen Apotheke, hält sein Smartphone an das Lesegerät, oder steckt den Personalausweis in das entsprechende Gerät. Anschließend purzeln die Arzneimittel aus dem automatischen Präsenzlager und werden vom Roboter "oder in der Apotheke" dem Patienten gegen Zahlung der obligatorischen Kostenbeteiligung zu treuen Händen überreicht. Damit wäre der Vorgang abgeschlossen.
Da nun nicht alle Kranken sich den Luxus eines Smartphones leisten können oder wollen, ist es momentan als absolute Ausnahme noch möglich, sich das Rezept in der Praxis ausdrucken zu lassen. dieses kann dann auch hinterher in der Apotheke vorgelegt, eingelesen und verarbeitet werden.
Ich interpretiere den Werbespot folgendermaßen. Die Online-Apotheken befürchten Umsatzverluste, wird nicht Otto-Normalverbraucher genau in einem Tutorial aufgezeigt, wie er seine Lieblings-Online-Apotheke weiterhin mit Rezepten versorgen kann.
Man sieht hier wieder einmal, wie wenig Weitsicht und Praxisnähe beim Design des E-Rezeptes Platz gegriffen hat. Denn, wenn schon digital, dann richtig. Da ja so oder so eine Cloudlösung vorgesehen ist, warum hat man nicht eine passende Schnittstelle für Online-Apotheken eingerichtet? Welche Meinung habt Ihr dazu?
Da ich keine Onlineapotheken nutze, habe ich mir bisher nicht die Frage gestellt, wie man in Zukunft dort E-Rezepte einlösen kann oder soll. Generell missfällt mir persönlich, dass das E-Rezept wohl stark an den Besitz eines Smartphones gekoppelt sein soll, da beispielsweise meine alte Mutter keines besitzt und auch keines braucht.
Zum Glück kann man E-Rezepte auch unter Vorlage der Krankenversicherungskarte einlösen, die man nach dem Arztbesuch ja meistens sowieso noch griffbereit hat. Allerdings habe ich von meinem Kollegen schön die Erfahrung gehört, dass er in der Apotheke das falsche Medikament ausgehändigt bekommen hat. Da war wohl irgendwas beim Verbuchen der Präparate schief gegangen, und da man nichts Schriftliches in der Hand hat, kann man es auf dem Weg zur Apotheke auch nicht überprüfen, ob die Verschreibung in Ordnung ist.
Lasst das Rezept doch einfach vom Arzt an die (Online-)Apotheke eures Vertrauens senden und nehmt die Bestellung vom Postboten bei Online-Apotheke oder vom Auslieferungsfahrer der örtlichen Apotheke entgegen. Da muss man kein Smartphone mit App haben oder die Karte irgendwo einstecken. Oder holt es halt dann vor Ort selbst ab. Das spart Papier und geht ohne Smartphone.
Habe gerade die Probe aufs Exempel gemacht. Bin in die Apotheke gegangen, habe gefragt, wie das nun mit dem E-Rezept läuft. Dann habe ich der Frau "in der Apotheke" meine Gesundheitskarte gegeben. Diese wurde in ein Kartenlesegerät gesteckt, und auf dem Computerkassendisplay stand unübersehbar zu lesen "kein Rezept".
Klar. Ich habe ja auch heute noch keinen Besuch beim Arzt (m/w/d) gemacht und mir ja auch nichts verschreiben lassen. Insofern war die Textausgabe im Display absolut korrekt. Was ich insgeheim befürchtet hatte, wäre nämlich, dass irgendeine sybillinische Fehlermeldung gekommen wäre, wie wir sie ja von den Computersystemen her zur Genüge kennen dürften.
Also auch das "Nullmorphem" funktionierte hundertprozentig. Bravo, Herr Minister Lauterbach, gut gemacht, chapeau. Die ältere Dame, die kein Smartphone besitzt, braucht also nichts zu befürchten, denn die Mitgliedskarte oder Gesundheitskarte, wie das jetzt heißt, wird ja so wie so direkt zu Beginn des Praxisbesuches am Tresen eingesammelt und am Ende des Termins wieder ausgehändigt.
Ob da zwischenzeitlich noch mit der Karte irgendein elektronischer Voodoozauber veranstaltet wird oder nicht, davon bekommt der Patient nichts mit. Nur sollte der Arzt (m/w/d) dem Patienten vorher sagen, was, wie, wann und warum eingenommen werden sollte und wie die Generika, die gerne anstelle der Originalordination von den Apotheken verabreicht werden, genau genannt werden.
Und es funktionierte auch mit der Gesundheitskarte, die noch nicht für die Patientenakte freigeschaltet war. Dazu sagte mir die Frau Apothekerin, dass das eigentlich Sache der Krankenkasse wäre. Sie könnte nicht verstehen, wieso ich extra persönlich zur Geschäftsstelle fahren müsste, um den Identitätscheck machen zu lassen. Es kämen doch auch Krankenkassenmitarbeiter turnusmäßig ins Seniorenheim, um die bürokratischeren Dinge in Verwaltungssprechstunden zu erledigen. Dazu musste ich doch ein wenig schmunzeln, sehe ich etwa so aus, als ob ich im Seniorenheim wohnen würde? Ok. Was nicht ist, kann noch werden.
cooper75 hat geschrieben:Lasst das Rezept doch einfach vom Arzt an die (Online-)Apotheke eures Vertrauens senden
Das scheint ja nicht zu gehen, weil offensichtlich die direkte Schnittstelle fehlt, die Wahl der Apotheke ist dem Patienten freigestellt. Es wäre ja noch schöner, wäre das anders. Die örtlichen Apothekerläden würden zeter und mordio rufen.
Die Online-Apotheke ist ja meistens nicht um die Ecke gelegen, wo man persönlich vorstellig werden kann. Und den Mitgliedsausweis würde ich nicht mit der Post verschicken wollen, nur, damit die Online-Apotheken-Mitarbeiter dann diesen in das Lesegerät stecken können.
Darauf hat ja der Werbespot die geniale, preisgekrönte, ultimative Lösung: Ganz einfach, mit Smartphone den Ausdruck abfotografieren. Also doch wieder Papier. Smartphone und Papier. Why not.
Was ich mit Schnittstelle meinte: Auswahlmenü der lokal erreichbaren oder online favorisierten Apotheken. Das kann aber nur der Patient machen, weil das sonst als Vetterleswirtschaft Arzt/Apotheker rechtliche Konsequenzen hätte. Der Patient müsste noch einmal ins Menü reingehen, um die Auswahl der Apotheke zu bestätigen. Damit hätte er aber auch Zugriff auf das Rezept selbst. Das ist aber nicht der Sinn der Sache. Hier fehlt die softwaremäßige Problemlösung.
Natürlich geht das. Du kannst Online-Apotheken ganz normal und papierlos mit deinem Rezept über die Gematik-App mit dem Smartphone beglücken. Und du kannst eben die ausstellende Arztpraxis darum bitten, das Rezept per KIM-eMail an die gewünschte Apotheke zu senden. Dann benötigst du kein Smartphone. Und dabei hast du natürlich die freie Wahl, welche Apotheke online oder vor Ort den Auftrag erhält.
Der Begriff "Kommunikation im Medizinwesen" war mir bislang unbekannt. Danke @cooper75! Forenbeiträge, die einen Lerneffekt haben, liebe ich. Habe mir nun den besagten Werbespot noch einmal genauer angesehen. Am Ende heißt es: "Für den Ausdruck fragen Sie in ihrer Praxis nach." Ok. Dann schlägt dieses Online-Apotheken-Unternehmen einen Workaround vor, falls das nicht anderweitig funktionieren sollte. Aus der obigen Formulierung im Werbespot geht jedenfalls nicht hervor, dass im Zuge der Digitalisierung KiM wahrscheinlich weiter verbreitet ist als angenommen. Das verschweigen sie im Fernsehen.
Mich beschleicht der Verdacht, dass sie sich auch nicht noch die Konkurrenten hochzüchten wollen, indem sie alle "Tricks" verraten. Und die Konfrontationsstellung herkömmlicher Apotheken versus Online-Apotheken hatte ja schon früher für heftigste Diskussionen und Apothekerstreiks, soweit ich mich erinnere, gesorgt. Nicht nur deswegen wird jetzt wohl von den Online-Apotheken nur noch mit reduzierter Werbeoffensive gefahren. Vielleicht sponsern sie dann auch den Toner-Mehrverbrauch und die vorzuhaltenden Rezeptformularvordrucke in Form von kleinen Werbeobolussen.
Gorgen, du vergisst, dass Werbung eine Zielgruppe hat. Der Fernsehzuschauer sind heute im Schnitt 50 Jahre alt, bei ARD und ZDF sind es 60 Jahre. Je nach Uhrzeit steigt dieser Altersdurchschnitt noch weiter an und geht bis auf über 70 Jahre. Selbst bei dem Privatsender mit dem jüngsten Publikum ist das durchschnittlich 45 Jahre alt und eben zu bestimmten Zeiten, wo das Programm Kinder nicht gucken, noch deutlich älter.
Das heißt, diese Werbung richtet sich explizit an Menschen, die in bemerkenswerter Anzahl mit der Umstellung überfordert sein könnten und sich im wahrsten Sinne des Wortes am Papier festhalten werden. Die haben zwar durchaus Smartphones, aber Anleitung und ein gewisses Sicherheitsgefühl ( "Da habe ich wenigstens etwas in der Hand!" ) sind wichtig.
Über andere Kanäle werden ganz andere Wege als das Einscannen eines Codes gezeigt. Da gucken aber mehr Menschen zu, die damit auch etwas anfangen können. Fernsehwerbung ist heute in erster Linie für sehr junge und alte Menschen gemacht. Die dazwischen erreicht man woanders besser und effektiver. Solche Spots sind ja nicht günstig.
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