Österreichs Rentensystem im Vergleich besser?

vom 06.09.2017, 19:38 Uhr

Bei den ganzen aktuellen Wahlkampfthemen spielt ja auch die Zukunft der Rente in Deutschland eine gewichtige Rolle und in diesem Zusammenhang wurde ja auch oftmals die Überlegenheit des österreichischen Rentensystems betont, wonach die Durchschnittsrentner dort rund 800€ im Monat mehr erhalten. Das finde ich schon eine sehr bemerkenswerte Zahl und Summe und mich würde schon mal interessieren, wie und wodurch diese horrenden Unterschiede zustande kommen. Findet ihr Österreichs Rentensystem im Vergleich zum Deutschen auch wesentlich besser und warum sollte ein solches bei uns denn nicht realisierbar sein?

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» mikado* » Beiträge: 3037 » Talkpoints: 1.002,67 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich denke, dass man es eben nicht so vergleichen kann. Es wird auch mehr eingezahlt, da fast alle dort einzahlen müssen und die Renten nach oben gedeckelt sind. Persönlich finde ich dies allerdings such besser. Auf jeden Fall wäre es mal eine Überlegung wert.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Juri, sind deutsche Renten nicht gedeckelt? Wer, was nur theoretisch möglich ist, 45 Beitragsjahre über der Beitragsbemessungsgrenze verdient hat, bekommt den maximalen Rentensatz, der unter 3.000 Euro liegt. Die Höchstrente der Pensionisten in Österreich liegt in dem Bereich und mindestens 20.000 bekommen auch so viel.

Das würde unser Rentensystem nicht retten. Dass alle einzahlen, hilft hierzulande auch nur bedingt. Denn Beamte würden nicht so viel einzahlen, aber mit der höheren Lebenserwartung viel bekommen. Das gilt auch für Selbstständige, die zahlen wenig ein und erwerben dann viel Anspruch.

Außerdem funktioniert das Rentensystem in Österreich auch nicht ordentlich. Es gab viele Einschränkungen und zur Finanzierung müssen extrem viele Steuermittel aufgewendet werden. Außerdem wird gerne vergessen, dass die Rente in Österreich gar nicht so viel höher ist. Denn unsere Durchschnittsrenten sind unter anderem deshalb so niedrig, weil es bei uns viele Minirenten gibt. Bei unseren Nachbarn hat man mit so wenig Beitragsjahren gar keinen Rentenanspruch.

Das System in Österreich ist traditionell anders gewachsen. Das hat einige Vorteile, es hat aber auch deutliche Nachteile. Und es ändert leider auch nichts an der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer mehr als einen Rentner finanzieren muss, wenn ich in Rente gehe.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



cooper75 hat geschrieben:Das würde unser Rentensystem nicht retten. Dass alle einzahlen, hilft hierzulande auch nur bedingt. Denn Beamte würden nicht so viel einzahlen, aber mit der höheren Lebenserwartung viel bekommen. Das gilt auch für Selbstständige, die zahlen wenig ein und erwerben dann viel Anspruch.

Ich weiß auch nicht ob man es retten würde. Aber glaubst du nicht schon, dass es einen gewaltigen Unterschied auf der Einnahmenseite macht, wenn man alle Beamten verpflichten würde einzuzahlen? Die meisten Beamten verdienen brutto schon relativ viel, sodass sie ordentlich einzahlen müssten. Auch fehlen ja nahezu alle Selbstständigen auf der Einzahlerseite, genauso wie viele Kammerberufe, die ihre eigene Versorgung haben.

Ich zahle gemessen am Durchschnittsverdiener sehr viel in mein Versorgungswerk ein, aber eben in ein Versorgungswerk. Das ist Geld was in der deutschen Rentenversicherung nie ankommen wird. Das führt aber für mich auch dazu, dass ich eine gute Versorgung bekommen werden, weil es in den Kammerberufen eben überwiegend nur Besserverdiener gibt und man quasi niemanden mit durchfüttern muss. Das ist ja wie bei der Krankenversicherung. Man selektiert in der Rente und der Krankenversicherung die Beitragszahler, schmeißt aber überproportional nur die guten Beitragszahler raus und behält die schlechten im System. So ein System kann nun mal von Haus nicht funktionieren oder eben nur wenn man das Leistungsniveau senkt.

Wenn man auf Dauer einen Rentensystem mit Renten auf hohem Niveau haben will, geht das nur wenn man sich vom klassischen Versicherungsprinzip löst und stattdessen auf ein steuerbasiertes System umschwenkt, wo man quersubventionieren kann und nicht auf Beitragseinnahmen angewiesen ist. Das führt natürlich dazu, dass man das Geld woanders abzweigen muss. Ob das dann fairer ist oder nicht steht auf einem anderen Blatt.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Klehmchen, es hilft ja langfristig nicht wirklich. Wenn Beamte einzahlen, sieht es erst einmal besser aus. Aber die gehen eben auch in Rente und haben dann nicht unerhebliche Ansprüche und eine vergleichsweise hohe Lebenserwartung. Das entlastet das System nur kurzfristig. Danach gibt es dann wieder ein genauso untragbares Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern. Das gilt auch für die Selbstständigen, von denen auch recht viele pflichtversichert sind. Ich gehöre beispielsweise dazu.

Eine rein oder zu großen Teilen steuerfinanzierte Rente rettet es auch nicht wirklich. Denn wenn jeder Arbeitnehmer mehr als einen Rentner finanzieren muss, dann fangen die Steuern es auch nicht wirklich auf. Ein einfaches Beispiel: Um 1960 kamen auf einen Rentner statistisch gesehen sechs Arbeitnehmer. Die mussten aufgrund der geringen Lebenserwartung dann auch nur für knapp zehn Jahre für einen Rentner aufkommen.

Heute kommen auf einen Rentner 2,1 Arbeitnehmer, die Rente wird im Schnitt 20 Jahre gezahlt. Wenn ich in Rente gehe, werden es wohl 1,3 Rentner pro Beitragszahler sein. Nimmt man jetzt die Beamten und die Selbstständigen mit hinein, sieht es kurzfristig besser aus. Aber wenn die dann Rentner werden, ist das Verhältnis wieder wie gehabt. Das löst das Problem nicht ansatzweise, es verlagert es nur.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Im Steuertopf selber ist ja mehr als genug Geld drin um auch heutzutage ein ordentliches Rentenniveau zu finanzieren und auch in Zukunft. Aber das Geld würde dann natürlich an anderer Stelle fehlen, keine Frage. Daher würde ich das jetzt auch nicht als Allheilmittel ansehen, da der Steuertopf ja irgendwann leer ist, wenn man das auf allen Feldern so lösen würde. ;)

Im Grunde hast du die einzige nachhaltige Lösung ja selber gesagt. Man braucht wieder mehr Beitragszahler auf weniger Rentner. Wenn man jetzt kein Freund des sozialversicherungsfreundlichen Ablebens der Rentner ist, geht das eigentlich nur, indem länger gearbeitet wird und damit die Rentenempfangsdauer gesenkt wird. Die Krux dabei wird aber eben sein, genau dass für alle halbwegs fair zu lösen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Man könnte auch das System der Niederlande nehmen. Die Beiträge sind abhängig vom Verdienst, gezahlt wird eine Einheitsrente. Die bekommt jeder, der von 15 bis 65 im Land gelebt hat, für jedes Jahr gibt es zwei Prozent Rente. Ob jemand gearbeitet hat oder nicht, das ist unerheblich. Damit entfällt dann auch die Grundsicherung. Mehr gibt es über Betriebsrente oder eigene Vorsorge.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Wobei das aber eben auch wieder die Gerechtigkeitsfrage aufwirft. Denn das führt ja dazu, dass es Leute gibt, da verhältnismäßig viel eingezahlt haben und Leute, die wenig bis gar nichts eingezahlt haben. Am Ende bekommen sie aber die gleiche Rente. Das widerspricht ja irgendwo dem Leistungsprinzip, was bei uns ja einen Teil des Sozialstaates ausmacht.

Und das Grundproblem löst man damit ja auch nicht. Damit kommen ja auch nicht mehr Beitragszahler pro Rentner raus. Auch dieses System wird über kurz oder lang ja dann dazuführen, dass wenn alle ab 65 Rente bekommen, irgendwann zu viele Rentner da sind und zu wenig Geld reinkommt. Auch dieses System kennt dann nur wieder zwei Lösungen - weniger Rente oder weniger Rentenzeit. Aber das Problem wird man immer haben. Gerechter wäre es eben nur dahingehend, dass erstmal alle in den gleichen Topf zahlen.

Was aber in meinen Augen auch noch durchaus überlegenswert wäre, sich mal die Verwaltungsausgaben anzuschauen. Da würde das System wohl helfen, damit weniger Beamte braucht um Renten zu berechnen. Auch sollte man überlegen, die private Vorsorge neu zu gestalten. Wofür braucht man tausende verschiedene Riester- und Rürupprodukte.

Warum nicht wie in Schweden einfach eine private Versorgung, wo alle pflichtversichert werden und wer das nicht will muss sich selber was anderes suchen? Wenn dann gefühlte 99% der Angestellten in einer Versicherung sind, würde das ja massiv Verwaltungskosten senken und es wäre mehr Geld für die Leistungserbringung übrig.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Das Leistungsprinzip ist in den Niederlanden nicht unbekannt. Wer dort arbeitslos wird, guckt sich ziemlich um. Aber bei der Rente gilt das Solidarprinzip und die Rente ist nicht hoch. Aktuell liegt der Satz für einen Single bei ca. 1.000 Euro, Paare bekommen mit ca. 1.400 Euro für beide zusammen deutlich weniger. Es ist eben nur eine Basisversorgung. Dafür muss niemand beim Amt betteln, obwohl er 40 Jahre gearbeitet hat. Wer dort mehr Rente möchte, bekommt sie fast automatisch über den Betrieb, weil fast alle Arbeitgeber eine anbieten. Dass ie staatliche Rente dabei auch aus Steuern finanziert wird, das ist normal. Trotzdem werden anteilig erheblich weniger Steuermittel dafür aufgewendet als in Österreich.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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