Nutzlose Dinge horten - ab wann wird man zum Messie?

vom 18.12.2017, 19:39 Uhr

Der Vater meines Freundes darf den Keller des Hauses ganz für sich alleine haben. Seine Frau hat irgendwann eingesehen, dass er seine Sammelwut irgendwie ausleben muss und hat ihm daher den Keller überlassen. Dafür sieht es nun im Rest des Hauses picco bello sauber aus. Im Keller hortet der Vater aber diverse Sachen. Er hat dort vier Schreibtisch, kein einziger ist frei weil auf jedem zig Paperstapel stehen und sich Ordner türmen. Die Regale sind voll mit Glühbirnen, Batterien, diversem anderen Elektrokram und Dingen die auf Vorrat gekauft wurden.

Wenn man sich im Keller bewegen möchte geht das eigentlich nur über einen sehr schmalen Pfad, da rechts und links Dinge aufgetürmt sind. Dennoch behauptet mein Freund, dass sein Vater definitiv kein Messie ist. Das sehe ich anders. Zwar ist der Rest des Hauses ordentlich, aber das liegt nur an seiner Frau. Wäre diese nicht da, so würde es im ganzen Haus so aussehen. Wie denkt ihr darüber? Wann hortet man einfach nur unglaublich viele Dinge und ab wann wird man zum Messie?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Meiner Meinung nach ist die Grenze zwischen harmlosen Macken und Charaktereigenschaften und psychischen Krankheiten oft fließend und von Nicht-Fachleuten auch nicht einfach so nach Augenschein einzuschätzen. Was für den einen "nur" ein besonderer Hang zur Unordnung (oder auch Ordnung) ist, kann oft genauso gut als Zwangsstörung angesehen werden. Ebenso ist auch nicht eindeutig zu beurteilen, ob jemand beispielsweise schon unter Depressionen leidet, weil er oder sie nicht völlig übersprudelnd durch die Gegend hüpft und die Lebensfreude eines Hundewelpen unter Drogeneinflusss verströmt. Überspitzt formuliert.

Für mich als Außenstehenden macht es daher vor allem einen Unterschied, ob die Person unter ihren Verhaltensweisen leidet oder handfeste Nachteile erfahren muss, oder ob sie ihren Alltag durchaus ganz gut bewältigt und eben in mancherlei Hinsicht etwas extrem drauf ist. Beispielsweise gibt es ja auch leidenschaftliche Sammler, die sich ihre Wohnung mit 20 000 Eulen oder ähnlichem Kram teilen oder gleich ein Privatmuseum aufmachen. Da gilt es auch eher als liebenswerte Schrulle und nicht gleich als Zwangshandlung, obwohl die Grenzen auch hier fließend sind.

Wenn also jemand seine Wohnung mit Ratten und anderem Ungeziefer teilen muss, schon seit Jahren nicht mehr auf dem eigenen Klo war und die meisten Zimmertüren blockiert sind, ist es also auch für mich ein Anzeichen einer psychischen Krankheit. Aber wenn jemand beispielsweise auch schon schlechte Zeiten erlebt hat und von daher nicht dazu neigt, Gegenstände leichtfertig wegzuwerfen oder einfach nur eine gewisse Schwäche für Krimskrams hat und kein absoluter Minimalist ist, würde ich jemanden noch nicht als Messie bezeichnen. Es gibt ja auch Leute, bei denen der Zwang in die andere Richtung geht, und die ihren Mitmenschen schon psychische Probleme unterstellen, wenn diese nicht jede Woche zweimal ihren Rasen mähen oder was auch immer.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich finde auch, dass die Grenzen zu fließend sind, als dass man eine knallharte Einteilung in noch angemessen bis hin zu aus dem Ruder gelaufen ziehen könnte. Merkmal ist auch nicht die Menge an einzelnen Teilen, sondern der Grad der Organisation und der vorhandene Leidensdruck bzw. die Verleugnung. Es gibt auch Messies, die formal gesehen gar nicht so viele Sachen haben, aber aufgrund ihrer ständigen Räumaktionen, Sucherei, Hilflosigkeit und Gefühlen von Überwältigung trotzdem in diese Kategorie fallen.

Manche besitzen eine Doppelgarage für ihr Hobby Autoschrauberei und können jede einzelne Schraube ad hoc finden, anderen haben einen 3 Quadratmeter großen Keller, von dem sie sich trotzdem überfordert sehen. Man würde ja jemanden, der ein großes Haus mit einer riesigen Bibliothek besitzt auch nicht automatisch als pathologisch bibliophil bezeichnen. Auch die Angemessenheit zwischen Menge des Besitzes und dem vorhandenen Platz kann ein Hinweis sein.

So erinnere ich mich an eine Frau, die nicht nur die eigene Wohnung und den Keller zustellte, sondern irgendwann anfing, auch die Gemeinschaftsräume mit ihrem Zeug vollzumüllen. Wenn man anfängt, andere mit seinem Kram zu belästigen, dann hat man ein Problem. Aber hier geht es um den eigenen Keller. Solange sich der Besitz nicht wieder störend in die oberen Räume ausweitet, kann man noch nicht von einem problematischen Verhalten sprechen.

» Verbena » Beiträge: 4938 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



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