Nur wählerisch sein, wenn man Luxus gewöhnt ist?
Ich las kürzlich einen Artikel über Jeanne Calment - die bislang älteste Frau der Welt. In dem Artikel wurde berichtet, dass Journalisten sie mal im höheren Alter besucht hätten und dass die Dame auch noch im hohen Alter sehr wählerisch gewesen sein soll was Portwein und Zigaretten bzw. Zigarillos angeht. Es wurde dann daraus geschlossen, dass dieses Wählerisch-Sein ja auf ihren gewöhnten Luxus hindeuten würde und es wurde dann so dargestellt, als wäre gewöhnter Luxus immer ursächlich, wenn jemand wählerisch ist oder wird.
Ich sehe das ehrlich gesagt total anders. Meine Eltern hatten nie wirklich viel Geld und wir mussten oft jeden Cent zweimal umdrehen und haben an allen Ecken und Kanten gespart. Als Studentin hatte ich auch nicht viel Geld. Ich bin es also gewöhnt, mit wenig Geld auszukommen und sparsam zu leben. Ich würde mich aber dennoch als sehr wählerisch und anspruchsvoll bezeichnen.
Ich denke, dass das daran liegt, dass man mit wenig Geld es sich nicht leisten kann irgendwelchen "Schrott" zu kaufen und den Kauf dann zu bereuen. Das Geld ist dann weg und man ärgert sich nur. Wie heißt es so schön? Wer (zu) billig kauft, kauft doppelt. Umtauschen geht ja auch nicht immer. Wie denkt ihr darüber? Meint ihr, dass nur Menschen wählerisch sein können, die Luxus gewöhnt sind? Oder seid ihr anderer Ansicht?
Ich meine nicht, dass man nur wählerisch ist, wenn man Luxus gewöhnt ist. Manche Menschen können es sich nicht leisten wählerisch zu sein und nehmen das, was sie eben bekommen können. Das finde ich auch durchaus verständlich, aber ich denke, dass ein gewisser Grad schon normal ist, dass man Ansprüche hat. Ich würde auch bei vielen Sachen nicht das Erstbeste kaufen, sondern verschiedenes ansehen und dann entscheiden. Es ist auch mit wenig Geld durchaus sinnvoll auf Qualität zu achten und diese muss ja nicht immer zwingend teuer sein.
Ich bin auch nicht im Luxus aufgewachsen, habe aber vermittelt bekommen, dass man durchaus mal wählerisch sein darf und auch sollte. Wie du schon schreibst, möchte man ja keinen Ramsch kaufen und möglichst lange etwas davon haben.
Es kommt doch darauf an um welchen Bereich des Lebens es geht. Als ich wenig Geld hatte war ich auch sehr wählerisch bei den Dingen, die nicht unbedingt lebensnotwendig für mich waren. Wenn ich nur Geld für einen Pullover habe dann muss der eine ordentliche Qualität haben und er muss sich möglichst gut mit dem Rest meiner Garderobe kombinieren lassen. Wenn ich Geld für fünf Pullover habe ist das nicht so wichtig und ich kann spontan, ohne groß nachzudenken, einen Pullover kaufen.
Aber bei Lebensmitteln sieht das ganz anders aus. Ich habe im Studium nicht auf regionale Anbieter, Tierschutz und solche Sachen geachtet. Lag natürlich auch daran, dass ich mich noch nicht so mit diesen Themen beschäftigt hatte, aber vor allem auch am Preis. Ich konnte nicht groß wählerisch sein sondern hatte oft nur Geld für die günstigste Variante. Ob die dann regional, bio, freilaufend und so weiter war, war mir egal.
Ich wiederum glaube schon, dass man sich den Anspruch das möglichst Beste zu bekommen auf verschiedene Art und Weise leisten können muss, und dass es auch einiges an Wissen und Erfahrung braucht, um überhaupt einen solchen Anspruch zu entwickeln. Wenn man noch ganz jung ist, findet man doch ständig alles mögliche ganz gut oder sogar toll, weil einem in vielem noch die Erfahrung fehlt, was ein bestimmtes Produkt erst richtig gut macht oder nicht.
Als Jugendliche fand ich die billigsten Polyester-Fähnchen, beliebige Möbel aus dem nächsten Baumarkt oder einen Lippenstift von einer No-Name Firma gut, weil ich von all diesen Dingen noch keine Ahnung hatte. Bestimmte Aspekte hat man erst über die Jahre kennengelernt und zu schätzen gewusst, also würde ich schon glauben, dass es eines gewissen Grundstandards bedarf, um Ansprüche zu entwickeln.
Würde mir heute jemand Juwelen schenken, wären die für mich auch immer toll, weil ich mich da überhaupt nicht auskenne und keinen Luxus gewöhnt bin. Jemand aus einem ärmeren Land wiederum würde irgendwelche höheren Ansprüche an alltägliche Dinge, die einen im Leben umgeben überhaupt nicht verstehen.
Jeder hat doch seine Ansprüche und kann in seinem Rahmen auch wählerisch sein. Jeder Mensch ist doch dazu bestrebt sein eigenes Glück zu haben und wenn man dann eher Wein XY statt Wein A trinken mag, dann ist das doch vollkommen in Ordnung. Ich finde es schon komisch, wenn man alten Leuten scheinbar keinen eigenen Willen mehr zutraut. Keiner würde doch etwas zu sich nehmen, was er nicht mag, sondern nur das nehmen, was man mag und was man vielleicht auch gewöhnt ist. Sicherlich alles im Rahmen und definiert durch die eigenen finanziellen Mittel.
Ich denke, dass es auch immer auf den entsprechenden Bereich angeht. Wenn man nur wenig Geld zur Verfügung hat, kann man ja trotzdem noch sehr wählerisch bei der Partnerwahl sein - ohne dass man es gewöhnt ist, Partner zu haben, die besonders viel Geld hatten.
Ich finde nicht, dass das Wählerischsein unbedingt etwas mit Luxus zu tun hat. Mag sein, dass man besonders wählerisch ist, wenn man Luxus gewohnt ist, allerdings ist Luxus wiederum nicht notwendig, um wählerisch zu sein.
Ich finde man muss erst einmal klarstellen, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen wählerisch sein und anspruchsvoll sein. Denn man kann überhaupt nicht wählerisch sein, aber sehr anspruchsvoll sein, was zum Beispiel die Qualität des Essens angeht. Oder man kann sehr wählerisch sein, ohne anspruchsvoll zu sein. Aber um zur Ursprungsfrage zurückzukehren: Mann kann auch sehr wählerisch sein, ohne im Luxus zu leben oder im Luxus gelebt zu haben. Wer schon einmal mit einem Kleinkind am Tisch saß, weiß wovon ich rede.
Gerade Kleinkinder, am besten noch im der Trotzphase, können wirklich extrem wählerisch sein. Ich bezweifle, dass Kinder in dem Alter schon verstehen, was Luxus ist und was nicht. Aber auch viele Erwachsene sind sehr wählerisch, da zähle ich mich dazu. Es gibt viele Lebensmittel die mir schlicht nicht schmecken und es ist mir schon oft passiert, dass ich auf (kleinen) Speisekarten kein einziges Gericht entdeckt habe, dass mir schmeckte. Und ich hatte als Kind sicherlich kein Luxusleben. Diese Theorie halte ich also für absurd.
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