Nur in Gedanken jemanden die Meinung sagen

Passiert es euch auch schon mal, dass ihr euch über jemanden ärgert und sein Verhalten kritisieren wollt und ihr euch in Gedanken schon eine Standpauke zurecht legt? Passiert es euch dann, dass ihr euch doch in der Zeit, wo ihr mit demjenigen dann endlich reden könnt euch so abgeregt habt, dass ihr dann ganz harmlos seid und die Kritik sehr viel abgeschwächter bis gar nicht äußert?

Ich muss zugeben, dass ich das als Kind schon hatte, dass ich in Gedanken sogar auch manchmal meiner Mutter so richtig die Meinung gesagt habe aber mich nie getraut habe ihr wirklich die Meinung zu sagen.

Hat das bei euch eher etwas mit "runterkommen" zu tun und ihr habt euch wirklich abgeregt oder ist es so, dass die "gute Kinderstube" euch verbietet jemanden so richtig die Meinung zu sagen? Hat es bei euch vielleicht auch damit zu tun, dass ihr eigentlich keinen Streit wollt und Angst vor einem provoziertem Streit habt? Warum legt ihr euch vielleicht manchmal eine Standpauke zurecht, die ihr dann doch eher für euch behaltet?

Ich kenne dieses Phänomen nur zu gut . Gerade wenn ich (in meinen Augen völlig unnötig) spontan meinetwegen eine dreiviertel Stunde in einer nassen und kalten Umgebung auf jemanden warten muss, dessen Entschuldigung weshalb er nicht wie verabredet erscheint mir nicht bekannt ist, fange ich häufig an "Selbstgespräche" (nicht laut reden nur im Gehirn) mit mir aber gedanklich mit der Person zu führen und ihr dabei ihr Fehlverhalten vor Augen zu führen. Die beschriebene Umgebung sorgt zumeist dafür das dieses vor Augen führen immer gröber und unhöflicher wird.

Die Argumentation die ich dabei entwickelt habe ich in meinem Leben noch nicht so benutzt wie ich sie mir ausgedacht habe und ich denke auch nicht das das je vorkommen wird.

Es kommt immer darauf an, mit wem ich zu tun habe. Wenn ich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dieser Person stehe, dann würde ich ihr am liebsten auch die Meinung geigen wenn ich richtig provoziert werde, aber ich schlucke es meistens runter weil ich die Konsequenzen fürchte.

Ein Beispiel hierfür war die Bafög-Beraterin, die ich damals hatte. Da das ganze alphabethisch sortiert und zugeteilt war, hatte ich nur diese eine und konnte nicht ausweichen auf jemand anderes. Diese alte Dame war schon ziemlich verbittert und chronisch gereizt und genervt. Ständig kamen irgendwelche fiesen Kommentare über irgendwelche "blöden Studenten" und sogar mich hat sie ein paar Mal angegriffen obwohl ich nicht so wirklich verstanden habe, was ich denn bitte gemacht haben soll dass ich ein derartig respektloses Verhalten verdient hätte.

Der hätte ich damals auch in ein paar Situationen gerne die Meinung gegeigt, aber da sie am längeren Hebel - dem Bafög-Hebel - gesessen hat, befürchtete ich, dass sie sonst aus Rache irgendetwas manipuliert und ich dann kein Geld mehr bekomme obwohl ich dazu berechtigt war.

Ich kenne das auch sehr gut und habe es oft, wenn ich mich über jemanden oder eben dessen Verhalten sehr geärgert habe. Dann schimpfe ich in Gedanken auch vor mich hin und überlege mir, was ich der Person sagen möchte. Meistens mache ich es dann in dem Moment aber nicht, weil dann wohl doch viele Dinge gesagt werden würden, die ich vielleicht doch bereuen würde. Ich denke vorher lieber nochmal über das nach, was ich eben sagen möchte und versuche auch, mich dann zu beruhigen und eben nicht mehr so aufgebracht zu sein.

Ich lege mir dann gedanklich auch Sätze zurecht, die sagen möchte und überlege mir, wie ich was formulieren könnte. Es ist mir aber auch schon öfter so gegangen, dass ich das doch alles wieder verworfen habe und einfach nichts gesagt habe. Ich ziehe dann einfach für mich meine Konsequenzen daraus und belasse es dabei. Aber ich finde, dass es manchmal auch schon gut tut, wenn man sich in Gedanken richtig Luft machen kann.

Man kann ja gar nicht immer jedem die Meinung sagen. Beispielsweise wenn es der Chef ist über den man sich gerade ärgert oder ein Kollege, dem kann man es ja nicht an den Kopf werfen und da sind solche Gedankenspiele im Kopf sicherlich auch ganz normal.

Bedenklich wird es in meinen Augen erst, wenn man es immer so macht und somit seine Wut immer nur herunterschluckt und nie mal auslebt. So ab und zu muss auch mal eine Standpauke sein oder ein böses Wort, wenn man sich ärgert, das ist ja auch nicht schlimm und wird sicherlich auch von jedem so akzeptiert.