Nichts empfinden beim Tod von fremden Menschen schlimm?
Man hört immer wieder von Geschichten das Leute gestorben sind. Nun ist es so, dass bei uns aus dem Landkreis seit Montag ein Mann und sein Sohn in Neuseeland vermisst werden. Sie waren dort Bergsteigen, seither fehlt von ihnen und ihrem Australischen Begleiter jede Spur.
Heute hat es mir eine Freundin erzählt. Ich habe es auch zur Kenntnis genommen, bin allerdings nicht näher darauf eingegangen. Immerhin kenne ich diese Leute nicht und auch niemanden aus der Familie. Meine Freundin war dann sehr geschockt, dass ich so Kalt und Herzlos darauf reagiere und trotzdem noch ins Kino gehen wollte. Sie ist der Meinung, dass es der Familie und den Vermissten gegenüber Respektlos wäre, wenn wir heute ins Kino gehen. Ich kann schließlich mein Leben nicht jedes Mal auf Eis legen, wenn irgendwo jemand stirbt oder vermisst wird. Und die Familie und die Vermissten haben schließlich auch nichts davon, wenn ich den Abend alleine zuhause verbringe deswegen.
Ich bin ehrlich und sehe nicht viel Sinn darin jetzt zu trauern oder zuhause zu sitzen obwohl ich diese Menschen nicht einmal kannte. Meine Freundin meinte, aber schließlich waren sie aus der Nähe. Aber ich finde dies ändert nichts daran, dass ich diese Menschen einfach nicht kenne. Es passiert so viel und ich kann schließlich nicht um jeden Menschen trauern den ich nicht kenne. Natürlich finde ich es immer schlimm, wenn jemand stirbt und mir tut es für die Familie Leid, aber um ehrlich zu sein berührt es mich nicht übermäßig. Es berührt mich immer dann, wenn es sehr grausam geschehen ist, ich die Person oder Familien Angehörige kannte oder die Situation drum herum sehr besonders ist.
Ich persönlich fühle mich auch nicht schlecht deswegen und mal ehrlich, wenn man um jede Person trauert, die man nicht einmal kennt, dann kann man damit an sich auch nicht mehr aufhören. Ich bin sicher nicht der Gefühlvollste Mensch, allerdings finde ich auch nicht, dass ich übermäßig Gefühls kalt bin, auch wenn meine Freundin das jetzt so sieht.
Daher würde mich einmal interessieren wie dies bei euch ist. Seit ihr traurig wenn ihr von dem Tod einer fremden Person hört? Würdet ihr einen Kinobesuch absagen weil jemand aus dem Landkreis vermisst wird, den ihr nicht einmal kennt? Findet ihr meine Freundin übertreibt oder findet ihr es richtig deswegen einen Kinobesuch abzusagen? Findet ihr es respektlos den Vermissten gegenüber trotzdem ins Kino zu gehen?
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es mir nicht egal ist wenn Menschen sterben und es gibt genug Fälle die mir sehr nahe gehen, aber ich bin niemand der um jeden Menschen trauert der stirbt den ich nicht kenne und für mich ist es auch kein Argument, dass die Leute aus dem gleichen Landkreis kommen.
Also mir ist es gerade heute gleich gegangen, als mir mein Freund vom Tod seiner Großmutter erzählt hat. Er ist auch nicht wirklich sehr betroffen, wie ich finde, da ihm der Besuch bei ihr zu Lebzeiten auch immer etwas übrig war und er es immer hinaus geschoben hat. Außerdem hat er nicht mehr viel Kontakt mit dieser Seite der Verwandtschaft gehabt, weshalb er auch kein Wort gewechselt hat und gleich nach der Beerdigung heim gegangen ist.
Ich selber empfand ebenfalls nichts für den Tod von seiner Großmutter, auch wenn ich schon ein schlechtes Gewissen hatte, aber dadurch, dass er selber es auch nicht so tragisch genommen hatte, fiel es mir dann doch nicht mehr ganz so schwer. Auch akzeptierte es mein Freund darum, dass ich ihn zu dieser Trauerfeier nicht begleite. Das wäre mir schon etwas heuchlerisch vorgekommen.
Deshalb kann ich es gut verstehen, wenn man bei einem Tod eines fremden Menschen nichts empfindet. Man kann doch auch nichts empfinden, wenn man denjenigen Menschen überhaupt nicht kennt. Wahrscheinlich wäre es mir näher gegangen, als ich noch ein kleines Kind war, denn da habe ich überall mitgefühlt.
Allerdings seit ich älter bin, bin ich eher etwas abgehärtet geworden. Bei den Nachrichten, die man täglich hört, muss man fast ein wenig kälter werden, um sich selber zu schützen. Wenn man alles an sich heran lassen würde, wäre man doch irgendwann einmal ein psychisches Wrack, oder?
Ich muss ehrlich sagen, dass mich der Tod von fremden Personen absolut kalt lässt. Wenn ich bei jedem Todesfall lange Zeit trauern würde obwohl ich die Person nicht kannte, dann wäre ich ja nur noch mit trauern beschäftigt und müsste mein Leben schon extrem einschränken, um mich eben "angemessen" zu verhalten.
Schließlich stirbt jeden Tag jemand, auch wenn es nicht unbedingt ein Bekannter eines Bekannten ist, sondern eben auch Todesfälle durch irgendwelche Unfälle oder andere Vorfälle von denen man in der Zeitung liest oder in den Nachrichten hört. Soll man diese fremden Todesfälle alle betrauern? Das wäre doch zumindest in meinen Augen maßlos übertrieben.
Wenn jemand aus meinem Umfeld sterben würde, egal ob ich mit der Person jetzt etwas näher oder etwas entfernter bekannt wäre, dann könnte ich Trauer schon verstehen oder zumindest eine Art Schockzustand. Vor einigen Jahren beispielsweise ist eine Verwandte von mir, die im selben Alter war wie ich, plötzlich an Krebs gestorben und da war ich auch schon sehr geschockt, weil sie eben im selben Alter war als ich, auch wenn ich sie nicht persönlich kannte.
Aber ich wüsste nicht, warum ich dann trauern und meinen Lebenswandel einschränken sollte, nur weil es manchen Menschen eben "angemessen" erscheint. Ich würde trotzdem ins Kino gehen, wenn mir danach ist oder anderen Freizeitaktivitäten nachgehen. Ich würde sogar auf eine Party gehen, wenn mir danach wäre, außer natürlich es wäre der Todesfall einer bekannte Person, mit der ich in Kontakt stand.
Ich kann die heftige Reaktion deiner Freundin auch nicht nachvollziehen. Räumliche Nähe ist echt kein Faktor, der meine Trauer steigert oder schmälert. Deutsche Opfer von Flugzeugunglücken und ähnlichem tun mir auch nicht mehr leid als polnische oder indonesische. Wenn wir mal realistisch sind, sterben jeden Tag um einen herum die Menschen wie die Fliegen.
Ich habe gerade spontan die Zahl 859.000 Todesfälle pro Jahr gefunden. Das macht 2353 pro Tag. Teilen wir das mal durch 16 Bundesländer, auch wenn die natürlich nicht gleich groß und dicht bevölkert sind, aber das macht 147 Todesfälle in jedem Bundesland. Da hat man ganz schön viel zu tun, wenn man nach räumlicher Nähe trauert.
Es ist nun mal so, dass das Leben der anderen weitergeht. Damit muss jede Familie lernen umzugehen, wenn sie jemanden verloren hat. Die Welt dreht sich weiter. Selbst Freunde der Verstorbenen werden bald ihr Leben wieder normal weiterführen. Am längsten trauern eben die engsten Familienmitglieder. Was übrigens ziemlich lange dauern kann. Will deine Freundin so lange nicht mehr ins Kino gehen? Ein Jahr, zwei Jahre?
Ich denke, deine Freundin hat vielleicht noch niemanden verloren. Das Verhältnis zum und der Umgang mit dem Tod verändert sich ja auch, je mehr man ihm begegnet. Ich meine nicht, dass es einem irgendwann egal ist, wenn man erst mal zehn gute Freunde verloren hat. Aber wenn man es erst mal persönlich erlebt hat, verunsichert es einen nicht mehr so. Vielleicht weiß deine Freundin gar nicht, wie sie angemessen reagieren soll und da ist man schnell mal übervorsichtig.
Wobei ich echt nach wie vor nicht nachvollziehen kann, was die räumliche Nähe mit all dem zu tun hat. Sie kennt diese Familie genauso wenig wie Herrn Cheng aus Shanghai, dessen Sohn heute überfahren wurde. Und diese Familie bekommt auch überhaupt nicht mit, ob an dem Tag nun das Kino voll ausgebucht war oder ob noch zehn Plätze frei waren.
Die umliegenden Nachbarn können sich gerne mit Feiern zurückhalten. Also eine Geburtstagsparty würde ich nach der Nachricht absagen, auch wenn ich diese Nachbarn nicht kenne. Denn das würden sie ja unmittelbar mitbekommen. Aber alles andere ist Quatsch und auch irgendwie geheuchelt. Wie gesagt sterben jeden Tag Menschen, die deiner Freundin offensichtlich total egal sind. Das ist doch paradox.
Ich kann es ja auch nie nachvollziehen, wenn sich fremde Menschen plötzlich für das Schicksal von Menschen interessieren, die sie gar nicht gekannt haben, nur weil diese in den Nachrichten auftauchen. Das sieht man ja immer wieder, da werden dann Kerzen aufgestellt und Hauseingänge mit Kuscheltieren zugemüllt und Facebook Gruppen gegründet und was weiß ich nicht noch alles.
Es sterben jeden Tag so viele Menschen, die ich nicht kenne, warum sollte ich mich da in irgendwelche speziellen Fälle hinein steigern? Und wenn ich das machen wollte, würde ich mich wohl eher für die Menschen interessieren, die vor Krieg und Hunger geflohen sind um dann auf dem Mittelmeer mit einem völlig überladenen Schiff zu kentern und zu ertrinken. Das finde ich wesentlich tragischer als der Tod von zwei reichen deutschen Touristen, die ein gutes Leben gehabt haben.
So schlimm es sich an hört, der Tod von fremden Menschen interessiert mich nicht und lässt mich kalt. Dies mag vielleicht auch daran liegen, dass ich einen der mir wichtigsten Menschen bereits verloren habe und so vielleicht auch etwas abgehärtet oder gar unterkühlt bin.
Jeden Tag stirbt irgendwo jemand, manchmal ganz tragisch und manchmal ist dessen Zeit einfach rum. Wenn ich mich deswegen ständig schlecht fühlen würde oder traurig wäre, wäre ich niemals mehr glücklich und das ist doch auch nicht der Sinn des Lebens.
Cloudy24 hat geschrieben:Ich kann es ja auch nie nachvollziehen, wenn sich fremde Menschen plötzlich für das Schicksal von Menschen interessieren, die sie gar nicht gekannt haben, nur weil diese in den Nachrichten auftauchen. Das sieht man ja immer wieder, da werden dann Kerzen aufgestellt und Hauseingänge mit Kuscheltieren zugemüllt und Facebook Gruppen gegründet und was weiß ich nicht noch alles.
Das sind dann vielleicht die Menschen, die einfach mit dem Strom schwimmen. So nach dem Motto, alle anderen Menschen legen auch Stofftiere und Blumen an Ort XY für Person Z ab, dann muss ich das auch!
Als ob man dadurch zu was besseres wird, mal ehrlich. Ich finde diese Einstellung gar nicht nachvollziehbar. Jeden Tag, jede Stunde und sogar jede Minute sterben auf diesem Planeten Menschen, die ich zum größten Teil gar nicht kenne. Wenn ich über jeden Todesfall wirklich trauern würde, käme ich doch zu gar nichts mehr und könnte mich ja gleich beerdigen lassen.
Glaube bei mir kommt es darauf an, wie sehr ich mich in die jeweilige Situation hineinversetzen kann. Wenn es beispielsweise um Kinder geht, die vermisst werden, oder andere schlimme Dinge passieren, sei es zum Beispiel auch der Aufruf zur Typisierung für kranke Kinder, dann reagiere ich emotionaler, als der hier von dir beschriebene Fall. Was sicher auch damit zusammenhängt, dass ich selber Kinder habe.
Das beschriebene, dass man dann auch nichts unternehmen soll, finde ich auch völlig verrückt, denn man weiß ja, das täglich schlimme Dinge passieren, was ja auch bedeutet, das wir niemals mehr etwas schönes Unternehmen dürften. Bei mir ist es also auch eher so, dass man sicher mal darüber nachdenkt, aber wirklich trauern um Menschen die man nicht kennt, da bin ich dann eher so wie du.
Eigentlich finde ich es sogar umgekehrt befremdlicher. Warum sollte man um einen völlig fremden Menschen trauern, von dem man nichts weiß, nicht einmal, ob er überhaupt tot ist und den man nicht einmal vom Sehen kennt? Dessen Tod in gewisser Weise durch eine Extremsportart oder ein blödes Unglück bedingt ist? Und dann erwartet sie auch noch, dass ihr euren Kinobesuch absagt? Dann müsste man ja dauerhaft Trauer tragen und dürfte gar nichts mehr, denn irgendwo passiert immer irgendetwas Schlimmes.
So eine Freundin habe ich auch, die das Unglück und den Tod fremder Menschen oder solcher, die sie kaum oder nur vom Sehen kannte, maximal in sich aufsaugt. Dabei lässt sie es im Rest ihres gesellschaftlichen Lebens fatal an Empathie mangeln, das ist schon eine komische Kombination. Für mich steckt da der Genuss an Grusel und Leid hinter, quasi wie ein realer Horrorfilm. Ständig recherchiert sie nach den wahren Todesursachen und nimmt Dinge auf sich, nur um alles ganz genau zu erfahren und weiterzutragen, damit später konstatiert werden kann, wie schlimm das alles sei.
So richtig als echt empfinde ich das nicht, ich glaube, es geht nur darum, irgendwie mit der eigenen Sterblichkeit umzugehen. Um die Leute im Einzelnen geht es doch oft gar nicht. In gewisser Weise sind diese nur Mittel zum Zweck.
Es kommt bei mir einfach darauf an. Mich kann der Tod von Fremden schon mitnehmen - dann beispielsweise, wenn die Personen eine bewegende Geschichte haben oder auf besonders tragische Art und Weise ums Leben gekommen. Allerdings empfinde ich nun nicht bei jeder Todesanzeige direkt Trauer, gerade dann nicht, wenn ich sonst nichts über die Person weiß.
Wie du schon sagtest, sterben ja jeden Tag unzählige Menschen und da kann man natürlich nicht um jeden trauern. Ich muss sagen, dass ich die Reaktion von deiner Freundin auch einfach übertrieben finde. Es ist nicht so, dass mich so ein Fall völlig kalt lassen würde, allerdings würde ich nicht auf die Idee kommen, einfach nur zu Hause zu sitzen und zu trauern und sogar auf das Kino verzichten.
Das bringt ja niemandem was und wieso sollten alle Menschen darauf verzichten, selbst Spaß zu haben, nur weil jemand gestorben ist? Dann müsste man eben Tag für Tag trauern und würde selbst total depressiv werden. Ich kann absolut nachvollziehen, dass man sich so verhält, wenn irgendwelche Angehörigen sterben, aber eben keine fremden Menschen. Das würde mir dann auch auf jeden Fall zu weit gehen und für so etwas habe ich auch kein Verständnis.
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