Nicht mit Erkrankung des Partners auseinandersetzen wollen?

vom 13.12.2017, 08:57 Uhr

Eine Freundin von mir leidet an Depressionen und das wohl schon länger. Sie ist auch seit ca. 13 Jahren verheiratet. Ihr Mann akzeptiert ihre Erkrankung wohl auch, aber sie sagt, dass er sich wohl eher nicht damit auseinandersetzen möchte. Sie hat in der letzten Klinik ein Heft über Depressionen erhalten, dass sie sehr informativ fand. Sie durfte das mit nach Hause nehmen und fand, dass im Heft gut erklärt wird, was Depressionen eigentlich sind und wie sich diese äußern. Es war sogar ein Extrateil für die Angehörigen von Betroffenen vorhanden.

Meine Freundin wünschte sich wohl, dass ihr Mann das Heft lesen würde und hatte ihn gefragt. Aber er zeigte wohl kaum Interesse daran und meinte, dass er das irgendwann mal machen würde, wenn er eben Zeit hätte. Meine Freundin fand das irgendwie traurig, da sie sich gewünscht hat, dass er sie vielleicht besser verstehen würde und eher wüsste, was es eben bedeutet Depressionen zu haben.

Könnt ihr nachvollziehen, dass sich jemand nicht mit der Erkrankung des Partners auseinandersetzen möchte? Es könnte aber doch auch sein, dass ihr Mann schon im Internet etwas darüber gelesen hat. Möglich wäre es ja und er ihr davon aber nichts gesagt hat. Würdet ihr daraus gleich Desinteresse schließen? Ist das nicht übertrieben? Sollte man vom Partner verlangen, dass sich dieser damit beschäftigt? Gehört das für euch zu einer Partnerschaft dazu?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



13 Jahre mit einer depressiven Partnerin zusammen leben ist schon eine Belastung und auch wenn ich mir sage, dass ein Partner, der es von Anfang an wusste sich auch damit auseinander setzen sollte, kann ich auch verstehen, wenn es an sein Limit stößt.

Wir haben hier wenig Information, wie sich die Depressionen auf die Partnerschaft auswirken und ob es sehr belastend für den Partner ist. Wie verhält die Frau sich? Kann sie nicht alleine bleiben? Kontaktiert die Frau den Mann auch bei der Arbeit und fühlt der Mann sich dadurch einfach zu sehr eingedrängt? Was macht die Frau gegen ihre Depressionen? Geht sie regelmäßig zur Therapie? Das sollte nämlich so sein und dort kann die Frau auch den Partner mit einbeziehen.

Du siehst das Ganze ziemlich einseitig aus der Sicht deiner Freundin und nicht aus der Sicht des Mannes und ich denke, dass es da immer zwei Seiten gibt. Deswegen solltest du dich nicht nur auf die Seite der Frau schlagen, sondern auch mal mit dem Mann reden und dich damit auseinander setzen, wie es ihm dabei geht. Wenn die Freundin nur immer sich sieht, dann ist die Beziehung zum Scheitern verurteilt.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich finde es ehrlich gesagt schon recht merkwürdig, wenn man einem Partner eine Broschüre mitbringt zu einer Krankheit, die er jeden Tag mitbekommt. Was soll da drinnen stehen, was er nicht schon weiß? Ich finde die Sichtweise ziemlich einseitig, da man doch einiges im Alltag von einer Depression merkt und das man das nicht mit Absicht macht und man nicht mal eben auf Knopfdruck gute Laune bekommen kann ist auch jedem klar.

Natürlich sollte der Partner Interesse an Krankheiten des Partners haben, sich vielleicht belesen oder zumindest wissen was auf die beiden zukommt, aber das macht man am Anfang einer Erkrankung, vielleicht auch nach einer Zeit des Schocks, aber nicht so viele Jahre nach Bekanntwerden der Krankheit und Diagnosestellung.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Bei schweren Erkrankungen muss man sich meiner Meinung nach mit der Erkrankung des Partners auseinandersetzen. Bei Depressionen finde ich es allerdings übertrieben sich da extra was anzulesen. Depressionen kennt doch jeder. Zudem finde ich, dass Depressive da auch immer ein riesen Theater drum machen, dabei haben die ja noch nicht mal Schmerzen oder so.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich kann es schon verstehen, dass der Wunsch da ist, dass der Partner sich mit der Erkrankung auch auseinandersetzt und damit eben weiß, was Sache ist. Aber wenn der Mann mit deiner Freundin schon so lange verheiratet ist, dann kennt er ihre Erkrankung doch auch schon lange und wird eben seine eigene Taktik entwickelt haben, damit umzugehen. Da das in so vielen Ehejahren schon gut zu gehen scheint, kann ihm so eine Informationsbroschüre vielleicht nicht mehr viel helfen.

Ich würde also nicht direkt auf Desinteresse schließen, wenn der Mann das Heft nicht sofort lesen möchte, sondern würde dann einfach abwarten. Es ist ja nun auch keine akute Erkrankung, mit der man sich vielleicht doch schneller befassen muss, sondern schon etwas, was deine Freundin schon länger hat. Somit denke ich auch nicht, dass zwingend Eile geboten ist und der Mann sich die Broschüre sofort durchlesen muss.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Ich finde es offen gesagt ziemlich lächerlich, nach vielen Jahren Erkrankung plötzlich mit einer Broschüre herumzuwedeln und zu erwarten, dass der Partner strahlend und begeistert darauf springen wird. Der wird ja wohl kaum so blöd sein und die letzten Jahre nicht mitbekommen haben, wie sich Depressionen äußern und was die mit dem Betroffenen, aber auch den Angehörigen machen. Ich finde deine Freundin ziemlich naiv und extrem egozentrisch, dass sie ihn da weiter bedrängt und ihn nicht seine eigene Bewältigungsstrategie lässt.

Wenn die beiden wirklich 13 Jahre zusammen sind und sie hat erst seit einigen Jahren Depressionen, wird er ja wohl die Veränderungen in ihrem Charakter und ihrem Verhalten mitbekommen haben oder schätzt sie ihn als so gnadenlos dämlich ein? So eine Broschüre ist in meinen Augen nur etwas für "Anfänger", die wenig Erfahrung auf diesem Gebiet haben und die nicht wissen, was auf sie zukommen wird. Wenn man aber schon Jahre mit einer erkrankten Person zusammen ist und vielleicht sogar zusammen wohnt, dann weiß man alles schon und so eine Borschüre wird nichts neues enthalten. In dem Fall hätte ich diese Borschüre ebenfalls abgelehnt.

Für mich liest sich das eher so, als bräuchte er Abstand, damit er selbst nicht an den Depressionen zu Grunde geht und kaputt geht. Das passiert automatisch, wenn man ständig irgendwelche Miesepeter um sich hat. Chronische depressive Verstimmungen und schlechte Laune ziehen früher oder später jeden runter. Daher finde ich es extrem egozentrisch und auch unsympathisch, dass deine Freundin ihrem Partner gar keinen Freiraum lässt und alles nur nach ihrer Nase gehen soll.

Anstatt mit ihm darüber zu reden, macht sie ihn schlecht und du bestätigst sie unreflektiert ohne auch mal die andere Seite sehen zu wollen. Wahre Freundschaft betrachtet differenzierter und hilft auch, über den Tellerrand zu schauen und den eigenen Horizont zu erweitern.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich frage mich gerade, wie die Antworten ausgefallen wären, wenn die Freundin aus dem Beitrag nicht Depressionen, sondern HIV, Rheuma, Diabetes oder schweres, anfallsartiges Asthma gehabt hätte. Vermutlich hätten die meisten es dann kritisch gesehen, wenn ein Partner sich nicht damit beschäftigen wollte.

Das zeigt mal wieder die Wertigkeiten, die bei verschiedenen somatischen und psychiatrischen Krankheitsbildern oft angelegt werden. Was wäre, wenn die Frau eine chronische Schizophrenie gehabt hätte, könnte man das dann auch für sich als Partner so beiseite legen oder wäre es dann wichtig zu wissen, was Sache ist?

Die Handlungsweise der Freundin lässt für mich eher den Rückschluss zu, dass sie auch nach Jahren noch das Gefühl hat, der Partner wolle von all dem nicht wirklich etwas wissen. Und ganz ehrlich, in so eine Broschüre kann man doch mal für 10 Minuten reingucken. Wie oft hört man sich in einer Freundschaft oder Beziehung Sachen an, mit denen man sich sonst gar nicht beschäftigen würde?

Wir kennen die Sichtweise des Partners nicht, natürlich kann es sein, dass er das aus Selbstschutz ablehnt oder weil er wirklich keine Notwendigkeit sieht, im Glauben alles aus erster Hand zu wissen. So hört es sich aber auf jeden Fall nach einem Ausweichen an, die Gründe dafür wird nur er selbst kennen. Er könnte ihr auch ehrlich sagen, wenn er sich gerade damit nicht beschäftigen möchte, weil es ihn überfordert, nervt oder anstrengt. Das muss sie dann natürlich auch schon auch aushalten können.

Ich persönlich kann das aus eigener Erfahrung aber nicht verstehen, weil ich mich mit den Krankheiten meines Umfelds, egal ob psychiatrisch oder somatisch, immer auseinandergesetzt habe. Schließlich will man seine Liebsten verstehen, ihnen helfen können und umgekehrt wird das sicher auch vorausgesetzt. Ich bin aber auch kein Typ, der zur Verdrängung neigt.

» Verbena » Beiträge: 4943 » Talkpoints: 1,99 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Verbena hat geschrieben:Ich frage mich gerade, wie die Antworten ausgefallen wären, wenn die Freundin aus dem Beitrag nicht Depressionen, sondern HIV, Rheuma, Diabetes oder schweres, anfallsartiges Asthma gehabt hätte. Vermutlich hätten die meisten es dann kritisch gesehen, wenn ein Partner sich nicht damit beschäftigen wollte.

Ich kann dir meine Perspektive gerne mitteilen. Für mich macht es keinen Unterschied, ob eine Person Depressionen, HIV oder Rheuma oder eine komplett andere Krankheit hat. Im oben genannten Beitrag wird erwähnt, dass diese Krankheit schon seit Jahren existiert. Jahre! Man beschäftigt sich mit einer Krankheit und den Symptomen, wenn alles neu ist und man sich erst eindenken und einlesen muss. Warum man erst nach Jahren mit so einer Informationsbroschüre kommt ist in meinen Augen selten dämlich. Der Partner wird sich schon damit auseinander gesetzt haben, sie hat es nur nicht mitbekommen.

Wenn jemand Depressionen hat, dann ist die Person automatisch sehr auf sich und ihre Gedankenwelt fixiert. Man selbst hat die größten Probleme, die negativsten Gefühle. Man hat es am schwersten im Leben, egal was die anderen für Probleme haben. Bei dem Tunnelblick ist es einfach zu sagen, dass der Partner sich nicht kümmert und interessiert und es ihm so viel besser geht als einem selbst. Das ist die verzerrte Wahrnehmung, die nichts mit der Realität zu tun hat.

Ich gehe davon aus, dass sie so oft von sich und ihrer Krankheit gesprochen hat und wie dreckig es ihr geht, dass er es einfach nicht mehr hören kann und aus Selbstschutz nicht mehr hören möchte. Natürlich hört man in einer Beziehung auch mal Sachen, die einen nicht so sehr interessieren. Das ist bei uns auch nicht anders. Aber ständig? Und dann auch noch ständig so eine mies gelaunte Visage zu Hause zu haben? Das hält doch kein Mensch aus über Jahre. Nicht zu vergessen die Selbstisolationstendenz. Wenn man dann noch einen Partner hat, der lieber ins Getümmel und unter Menschen geht, um von der Arbeit abzuschalten, dann ist es klar, dass die Beziehung auf der Kippe steht.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Die Beiden sind ja jetzt nicht erst seit einem halben Jahr zusammen und ich denke einfach, dass er sich bereits mit Depressionen auseinandergesetzt hat und die Broschüre schlichtweg nicht benötigt. Das wäre genauso als würde ich meinem Partner mit einer Broschüre über Schilddrüsenerkrankungen ankommen, obwohl wir bereits seit 10 Jahren zusammen sind und er mich nach der OP sogar begleitet hat.

Außerdem sind Depressionen vielfältig wie die Menschheit selbst. Es gibt die zwanghaft Positiven, die zwanghaft Negativen, die Menschen, die sich isolieren und viele weitere Abstufungen. Ich könnte gar nicht genau sagen, zu welcher Sorte ich gehören würde, wahrscheinlich zu denen, die sich nichts zutrauen und die sich in Arbeit stürzen, wenn das Loch sich öffnet.

Sprich er kennt sie bereits und weiß auch, wie sie in einer echten depressiven Phase reagiert und kann darauf eingehen. Es mag ja nett sein, wenn man eine allgemeine Broschüre bekommt und sich darin wiedererkennt, aber man kann durchaus davon ausgehen, dass der Partner sich bereits mit dem Thema auseinandergesetzt hat und deshalb abwinkt.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12585 » Talkpoints: 9,82 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Vielleicht sollte man mal überlegen, warum die Frau die Broschüre mitgebracht hat. Das hat sie doch sicherlich nicht getan, weil sie dachte, dass das den Mann wahnsinnig interessiert und dass er damit sein bereits umfangreiches Wissen über ihren Seelenzustand weiter vertiefen kann. Sondern die wird sie ihm mitgebracht haben, weil er sich vermutlich nie so wirklich für sie interessiert und möglicherweise wusste sie sich dann nicht anders zu helfen, als es mal auf diesem Weg zu probieren. Vielleicht haben Gesprächsversuche nicht so viel gebracht. Und wenn er sich damit auseinandergesetzt hat, dann eventuell auf eine Weise, die die Partnerin nicht gut findet.

Klar sind Depressionen für das Umfeld manchmal etwas nervig. Aber den Mann zwingt keiner, bei der Frau zu bleiben. Wenn er sich dafür entscheidet, die Beziehung zu erhalten, dann sollte er sich aber für sie interessieren. Wenn mein Freund mir eine Broschüre zu etwas geben würde, was ihm wichtig ist, dann würde ich mir die angucken, auch wenn ich es schon kenne oder das nicht so meins ist. Ich finde, das gehört sich so. Das einfach wegzulegen ist sehr abweisend, als ob man nicht mal die 5 Minuten aufbringen könnte, sich das anzuschauen.

Wenn man das dem Partner zuliebe gar nicht will, dann trägt man dazu bei, dass es dem anderen weiter schlecht geht, denn der ist dann natürlich enttäuscht und frustriert. Dann sollte man es lieber ganz sein lassen und sich trennen und dem Partner die Chance geben, jemand anderen kennenzulernen, der verständnisvoller reagiert. Denn man kann ja auch mal fragen, warum die Frau chronisch depressiv ist -. scheint doch im Leben nicht ganz alles so toll zu sein und vielleicht spielt da der Partner auch eine Rolle.

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